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Repetitorium

VENENERKRANKUNGEN – TEIL 3

15 bis 25 Prozent der Allgemeinbevölkerung leiden heutzutage an einer Chronischen Venenerkrankung (CVE), dem Schwerpunkt dieses letzten Repetitoriumsteils.

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Besenreiser oder eine beginnende Venenschwäche sind das eine, massive Funktionsstörungen der Venen mit Krampfaderbildung in den tiefen Venen und eine venöse Insuffizienz, die sich chronifiziert das andere.

Chronisch Venöse Insuffizienz (CVI) – Stauung in den Venen Am häufigsten unter den chronisch-venösen Erkrankungen: die chronisch venöse Insuffizienz (CVI). Dies ist eine Erkrankung der tiefen Beinvenen, bei der insbesondere die Unterschenkel der Patienten aufgrund einer Mikrozirkulationsstörung unzureichend durchblutet sind. Es kommt zu krankhaften Veränderungen an den Blutgefäßen, dem Bindegewebe bis hin zur Hautoberfläche. Zunächst bilden sich Ödeme und sekundäre Varizen, häufig kommt es zur Varikose (Krampfaderbildung) mit Venenerweiterung, Schlängelung und Klappeninsuffizienz.

Später entwickelt sich durch Hämosiderin-Einlagerung eine Braunfärbung der Haut sowie als Folge weiterer sklerotischer Gewebsveränderungen ein chronisches Unterschenkelgeschwür (Ulcus cruris). Das ist zwar nicht lebensbedrohlich, sollte dennoch nicht verharmlost werden, da das betroffene Bein meist längerfristig versorgt werden muss.Ursache einer CVI sind einerseits – zu hoher Blutdruck in den oberflächlichen Venen (60 bis 90 mmHg statt 20 bis 30 mmHg), aufgrund einer Thrombose oder erblich bedingter Neigung zu Krampfadern; – defekte Venenklappen. Statt zum Herzen zurück fließt das Blut in den Unterschenkel, versackt regelrecht. Stauungen sind vorprogrammiert. Die Blutgefäße werden durchlässig, Blutzellen, Proteine und Flüssigkeit treten ins umliegende Gewebe über, chronische Entzündungen mit verhärtetem Bindegewebe und verdickten Unterhaut-Zellen sind Folge.

Der Stoffwechsel zwischen Hautoberfläche und Arterien wird gestört, die Haut unzureichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Hautschädigungen resultieren, Ekzem bilden sich bis hin zum Endstadium des Unterschenkelgeschwüres (Ulcus cruris venosum). Da Patienten mit einem „offenen Bein“ starke Schmerzen verspüren, nehmen sie automatisch eine Schonhaltung ein, bewegen sich immer seltener, was den Prozess verstärkt und zudem häufig eine Versteifung des oberen Sprunggelenkes zur Folge hat. Entzündliche Prozesse erhöhen wiederum ebenfalls das Thromboserisiko (siehe Repetitoriumsteil 2). Phlebologen unterscheiden verschiedene Stadien der CVI. Eine ältere Klassifikation aus dem Jahr 1978 umfasst nur drei, die modernere CEAP-Klassifikation (CEAP = C: clinical condition; E: etiology; A: anatomic location; P: pathophysiology) sechs Schweregrade. Hauptgrundlage der Einteilung sind die sichtbaren und/oder tastbaren klinischen Hautveränderungen.

Beschwerden bestimmen Therapie Die Behandlung orientiert sich am Beschwerdebild und verfolgt das Ziel die Ursache(n) anzugreifen. So kommen konservative und operative Maßnahmen sowie die Sklerosierungstherapie, teilweise auch endovenöse thermische Verfahren (Radiowellen- und Lastertherapie) sowie Medikamente zum Einsatz. Vor invasiven Maßnahmen sollte immer versucht werden, das Krankheitsbild mit konservativen Methoden zu verbessern.

Konservative Maßnahmen Sie umfassen unter anderem die Kompressionstherapie, Lymphdrainage und den Gefäßsport. Die Kompressionstherapie gilt dabei als eine der effektivsten Maßnahmen (siehe Repetitoriumsteil 2; Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebology [DGP] – auch bei CVI). Gefordert ist ein hoher Arbeitsdruck sowie niedriger Ruhedruck, weswegen vorwiegend kurzzugelastische Materialien zum Einsatz kommen. Wechsel- und Dauerverbände sowie medizinische Kompressionsstrümpfe können verwendet werden.

Eine Besonderheit ist die apparativ intermittierende Kompression (AIK) bei der durch Wechseldruckgeräte über eine doppelwandige Beinmanschette in definierten Zeitabständen Druck auf- und abgebaut wird (Leitlinie der DGP zur apparativ intermitierenden Kompression). Dadurch soll sowohl der Venen- beziehungsweise Lymphfluss verbessert als auch eine Aktivierung der Fibrinolyse bewirkt werden. Mithilfe manueller Lymphdrainage wird durch verschiedene Grifftechniken das Lymphsystem aktiviert und der Lymphabfluss verbessert. Gefäßsport ist ein speziell auf CVI zugeschnittenes krankengymnastisches Trainingsprogramm mit intensiviertem kontrolliertem Geh- sowie Ergometertraining. Die Wadenmuskelpumpe wird dadurch aktiviert, was eine Entstauung des Unterschenkels bewirkt.

Operative Maßnahmen (Leitlinie der DGP zur operativen Behandlung von Venenerkrankungen) sind als gängigste Methoden Crossektomie mit anschließendem Varizenstripping. Hier werden chirurgisch oberflächliche Venenabschnitte sowie deren Verbindungen zum tiefer liegenden Venensystem entfernt. „Crosse“ (franz. = Bischofsstab), bezeichnet einen bogenförmigen, körpernahen Anteil der Vena saphena magna (oder parva), also den Abschnitt der oberflächlichen Krampfader, der in die tiefe Venen einmündet; „Ektomie“ (griech. = herausschneiden).

Hierdurch wird ein Wiederauftreten der Krampfader (Rezidiv) aus dieser Region verhindert. Varizenstripping, die bekannteste Operationstechnik bei Krampfadern, ist das operative Herausziehen (= Strippen) der veränderten Vene. In ausgesuchten Fällen kommen auch Extraluminale Valvuloplastie (Reparatur defekter Venenklappen, eine Art innerer Kompressionsstrumpf), Klappenrekonstruktion, Klappenplastiken oder Transpositionsoperationen zum Einsatz.

Sklerosierungstherapie (Verödung) eignet sich besonders zur Behandlung von oberflächlichen Venen, vor allem auch bei Krampfadern. Durch Injektion eines gewebstoxischen Medikamentes in die Varize (Krampfader) wird ein Gefäßwandschaden bewusst verursacht. Diese verklebt und wird im Idealfall bindegewebsartig um- und nach und nach vom Körper abgebaut. Als Verödungsmittel eignet sich flüssiges Polidocanol eher für kleine Krampfadern, die um Subkutangewebe liegen (retikuläre Varizen) und Besenreiser, die aufgeschäumte Form gut für Stammvenen – so die Erfahrung. Kontraindikation dieser Behandlungsmethode sind unter anderem eine Allergie auf das Verödungsmittel, Venenthrombosen, Immobilität, Schwangerschaft, Schilddrüsenüberfunktion, aber auch die periphere Verschlusskrankheit im Stadium III oder IV.

Endovenöse thermische Verfahren wie Radiofrequenz-Obliteration (RFO, Radiowellentherapie) und Lasertherapie (LT) oder die relativ neue Verfahrenstechnik der Endoluminalen Lasertherapie (ELT), eine nichtoperative Maßnahme (Laser) mit einem kleinen operativen Teil (minichirurgische Phlebektomie = Entfernung der Astkrampfadern) zu kombinieren, existieren ebenfalls. Bei diesen innovativen Verfahren zur Ausschaltung insuffizienter Venensegmente (enthalten in der Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Krampfadererkrankungen) treten erfahrungsgemäß weniger Schmerzen und Blutergüsse auf, die Patienten sind schneller wieder einsatz- und arbeitsfähig.

Allerdings besteht das Risiko, dass sich betroffene Gefäße später wieder erneut weiten. Nicht immer vernarbt die Vene und wird anschließend im Lauf der Zeit vom Körper abgebaut. Oder die Energieabgabe der Geräte ist so hoch, dass Verbrennungen und Nervenschäden die Folge sein können. „Nur was weg ist, ist wirklich weg“, so deshalb das Resümee von Dr. Holger Kluess, Venenarzt in München, der an der aktuell überarbeiteten Leitlinie zur Behandlung von Krampfadern intensiv mitgearbeitet hat.

Langwierig: Das „offene Bein“

Bei einem Ulkus cruris venosum muss – neben der Verbesserung des gestörten Blutrückflusses – natürlich die Wunde so versorgt werden, dass sie rasch wieder abheilt. Dies kann mehrere Wochen (Akutfall), bei älteren Personen aufgrund schlechter Wundheilung manchmal auch Jahre dauern (Chronifizierung). Insbesondere bei größeren Ulzera wurden zudem Hinweise auf Mangelernährungszustände mit erniedrigten Spiegeln an Zink, Eisen, Folat, Albumin, Vitamin C und Selen gefunden. Hier kann dann eine Substitution hilfreich sein. Die Wunde muss ansonsten regelmäßig durch den Arzt oder das Pflegepersonal gereinigt und desinfiziert werden, wobei Belag-Abtrag (Kürretage), feuchte Umschläge mit Kochsalzlösung, fibrinolytische Salben und speziell für die feuchte Wundbehandlung geeignete Verbandauflagen zum Einsatz kommen. Bei einem besonders hartnäckigen Unterschenkelgeschwür wird ergänzend als medikamentöse Ulcus cruris-Therapie die Gabe von Medikamenten, die Wachstumsfaktoren enthalten, verordnet. Antibiotika (meist Penicillin V oder G) werden nur verschrieben, wenn zusätzlich eine bakterielle Infektion vorliegt. Die zusätzliche Gabe von schmerzlindernden und entzündungshemmenden Wirkstoffen erfolgt häufig.

Begrenzte Möglichkeiten: Medikamente Da durch Medikamente weder Gefäßwandschäden rückgängig noch defekte Venenklappen repariert oder die Muskel-Venenpumpe wieder in Gang gebracht werden können, haben medikamentöse Maßnahmen eher unterstützende Funktion. Systemisch wurden bei einer CVI (auch mit Ulcus cruris venosum = offenem Bein – oft langwierige, schwierige Behandlung) bisher mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt: Acetylsalicylsäure, Diuretika (vor allem Thiazid-Diuretika, gegebenenfalls in Kombination mit einem kaliumsparenden Diuretikum), Fibrinolytika (Defibrotide, Stanazolol, Sulodexide), Fibrinolyse-Verstärker, Iloprost, Pentoxyphyllin, Prostaglandin E1, Saponine (Centella asiatica-Extrakte, Aescin-, Ruscus-Extrakte), Calcium-Dobesilat, Naftazone, Tribenoside, Gingko biloba, alpha-Benzopyrone sowie zahlreiche Substanzen, die zur großen Gruppe der Flavonoide gehören.

ASS (einmal täglich 300 Milligramm) sowie Pentoxiphyllin (dreimal täglich 400 Milligramm), Iloprost in Kochsalz (Pumpentherapie als Intervall-Infusion fünf Tage Therapie, zwei Tage Pause über drei Wochen) und Prostaglandin E1 (einmal täglich 60 Mikrogramm in 250 Milliliter physiologischer Kochsalzlösung für sechs Wochen) konnten abheilungsfördernde Effekte bei einem offenen Bein (Ulcus cruris venosum) in klinischen Studien zeigen.

Alpha-Benzopyrone (wichtigster Vertreter Cumarin) können Lymphödeme und Ödeme in Zusammenhang mit einer CVE vermindern. Bekannter sind bei uns allerdings die synthetischen Derivate wie Phenprocoumon und Warfarin für ihre gerinnungshemmende Wirkung. Für die Flavonoide konnten wiederum eindeutig positive Effekte auf die Ödementwicklung nachgewiesen werden. In klinischen Studien wurden dabei eine Diosmin-/Hesperidin-Kombination, eine Cumarin-/Troxerutin-Kombination sowie Rosskastanienextrakt untersucht.

Hilfreiche Selbstmedikation Bei Kunden mit Venenproblemen in der Apotheke gilt: Milde Symptome einer Venenerkrankung wie Schweregefühl in den Beinen, leichte Schwellungen nach langem Stehen oder Sitzen können – solange keine schwerwiegenden Erkrankungen wie Herzinsuffizienz oder Diabetes bekannt sind – in Eigenregie behandelt werden. Bei starken Schwellungen, Hautverfärbungen oder -veränderungen sowie Krampfadern sollte jedoch zum Arztbesuch geraten werden. Für die Pharmakotherapie stehen vor allem venentonisierende Mittel und Ödem-Protektiva zur Verfügung. Für Venensalben oder Gele mit Heparin, Aescin oder Extrakt aus rotem Weinlaub spricht – neben den zusätzlich wirkstoffspezifischen Eingeschaften – der Massageeffekt, der kurzfristig den venösen Rückstrom des Blutes anregt und dadurch Linderung verschafft.

Auch die Kühlung empfinden viele Betroffene als angenehm. Behandlungserfolge sind auch bei den innerlich in Form von Tabletten oder Kapseln einzunehmenden Phytopharmaka generell erst nach einigen Wochen zu erwarten. Leiden Patienten in den Sommermonaten am stärksten, sollte die Einnahme am besten schon im Frühjahr begonnen werden. Trockenextrakt aus Rosskastaniensamen enthält primär Triterpensaponine (Aescin), Flavonoide, Hydroxycoumarine und Gerbstoffe. Er wirkt ödemprotektiv, antiexsudativ, gefäßabdichtend und venentonisierend. Eine deutliche Abnahme des Unterschenkelvolumens, Besserung von Schweregefühl und Schmerzen in den Beinen, aber auch Linderung bei nächtlichen Wadenkrämpfen sowie Juckreiz sind nachgewiesen.

Extrakte aus Rotem Weinlaub enthalten Flavonoide wie Quercetin/Isoquercetin sowie Anthocyane und Gerbstoffe. Diese konnten endothelprotektive und -heilende, antiinflammatorische, membranstabilisierende und die Gefäßdurchlässigkeit normalisierende Wirkung zeigen, was sich positiv auf die Reduzierung von Ödemen auswirkt. Bei Extrakten des Mäusedornwurzelstocks (Ruscus aculeatus) werden als wirksame Bestandteile insbesondere die Steroid-Saponinglykoside Ruscin und Ruscosid angenommen. Venentonisierende, antiphlogistische, kapillarabdichtende, aber auch diuretische Effekte sind zu verzeichnen.

Daneben existieren noch Präparate, die Buchweizenkraut-Extrakt (Fagopyrum esculentum) mit Rutin als Hauptinhaltsstoff sowie Rutoside wie Oxerutin oder Troxerutin (Großteils aus dem japanischen Perlschnurbaum gewonnen) enthalten. Auch hier konnten die Flavonoide die Mikrozirkulation verbessern, ödemprotektiv wirken, eine signifikante Volumenminderung des betroffenen Unterschenkels bewirken sowie antioxidative Effekte aufweisen.

Gelegentliche Nebenwirkungen all dieser Phytopharmaka sind jedoch Magen-Darm-Beschwerden sowie Überempfindlichkeitsreaktionen (meist allergische Hautreaktionen). Schwangere, die häufig unter Wassereinlagerungen oder schweren Beinen leiden, sollten eine Behandlung nur nach Rücksprache mit ihrem Gynäkologen durchführen. Steinkleekraut-Extrakt aus dem Echten Steinklee (Melilotus officinalis) ist mit seinen Cumarinen ebenfalls wirksam, aber vor allem in homöopathischen Zubereitungen als Fertigarzneimittel zu finden.

Prävention, Prophylaxe und Nachsorge Eine „Venenbewusste Lebensführung“ sollte Betroffenen grundsätzlich im Beratungsgespräch empfohlen werden. Es gilt die „3 S, 3-L-Regel“: „Statt Sitzen und Stehen, lieber Liegen und Laufen“. Körperliche Bewegung ist gut für die Beine, Treppensteigen, Fahrrad fahren, Spazieren gehen, Schwimmen in den Alltag einzubauen, empfiehlt sich. Natürlich gibt es auch spezielle Venengymnastik. Ferner gilt: Gewicht reduzieren, gesunde ballaststoffreiche, verdauungsfördernde Ernährung, bevorzugt flache Schuhe tragen, da hohe Absätze die Muskelpumpe behindern, gerne Kneipp´sche Anwendungen (Kältereiz, Wassertreten fördert Durchblutung), Hitze und Saunabesuche jedoch vermeiden, die Beine so oft wie möglich hochlagern.

Einschnürende Kleidung wie zu enge Hosen oder Strümpfe sind ebenso wie ein Übermaß an Alkohol und Nikotin kontraproduktiv. Bei der recht häufig vorkommenden erblichen Veranlagung muss grundsätzlich auch nach einer Therapie später wieder mit erneutem Auftreten von insuffizienten Venenanteilen gerechnet werden. Eine regelmäßige Kontrolle des venösen Gefäßstatus ist dann empfehlenswert, genauso wie bei einer Beinvenenhämodynamik, die nicht vollständig normalisiert werden kann, eine dauerhafte konservative Therapie (Kompression) meist sinnvoll ist.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/17 ab Seite 94.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin/Fachjournalistin

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