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Repetitorium

MÄNNERGESUNDHEIT – TEIL 2

Den Mann gesundheitlich abzuholen schon bevor eine Erkältung auftritt, ist das eine. „Männerkrankheiten“, die als solche gar nicht so wahrgenommen werden, das andere. Hier kann die Apotheke eine Rolle spielen.

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„Prävention“ – ein Männerproblem? Ja! Denn es ist schwierig, die Männer von einer der Gesundheit förderlichen Lebensweise zu überzeugen. Bei Auswertung der bisher ver- öffentlichten „Männergesundheitsberichte“ (der dritte Männergesundheitsbericht mit Themenschwerpunkt „Sexualität des Mannes“ wird am 3. Mai 2017 der Presse vorgestellt) stehen für eine bessere Gesundheit beim männlichen Geschlecht vor allem folgende Themengebiete auf der Agenda: Allgemeine Prävention, gezielte Prävention bei familiärer Belastung, Krebsprävention ab Beginn eines erhöhten Risikos, Übergewicht und Ernährungsumstellung, Stoffwechselberatung, körperliche Fitness, geistige und seelische Fitness, Stressanalyse und Präventionsstrategien, Beratung bei Suchtrisiken, Suchtprävention, Entwöhnung, sexuelle Impotenz und Partnerprobleme, unerfüllter Kinderwunsch, Prostataleiden, männliche Hormoninsuffizienz (männliche „Wechseljahre“) und „Anti-Aging“, also mögliche Verzögerung der normalen Alterung.

Prävention ist offenbar das entscheidende, wichtige Thema. Leider wurden die Apotheker im Präventionsgesetz (PrävG, trat in wesentlichen Teilen am 25. Juli 2015 in Kraft) jedoch unzureichend eingebunden. Und das, obwohl die Apotheke ein Gesundheitsstandort ist und Freiräume bietet, die Männer brauchen, um ihre Probleme überhaupt anzusprechen. Die meisten Männer wissen nichts zu INR (International Normalized Ratio)-Wert (früher Quick-Wert, Prothrombinzeit – Stichwort Blutgerinnung), Blutzuckerwert; sie messen den Blutdruck nicht. Viele Männer werten Blutdruckmessen schon als Eingeständnis von Krankheit oder zumindest Krankheitsgefahr. Diese Wahrnehmung wird in der Arztpraxis noch verstärkt. In der Apotheke hingegen erhält der Kunde auf quasi neutralem Boden für ihn vorteilhafte Informationen kompetent, freundlich und kostengünstig.

Wenn die Politik dies nur verstehen – und durch entsprechende Weichenstellung pro „Vor Ort-Apotheke“ auch fördern würde. Die „vier großen Risikofaktoren“: Fettleibigkeit, Fettstoffwechselstörungen (Blutfette) und Blut- hochdruck, Diabetes mellitus sowie Rauchen sind die Hauptrisikofaktoren einer Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems, bei Männern deutlich stärker als bei Frauen verbreitet, und insgesamt ein guter Ansatzpunkt für das Beratungs- und Verkaufsgespräch. Denn sie sind großteils vermeidbar durch einen gesunden Lebensstil. Dafür gilt es, in der Apotheke ein Bewusstsein bei der männlichen Kundschaft zu schaffen.

Blutfette „Wie man sich fettet, so wiegt man“. Eine langfristig positive Energiebilanz mit Fett als größtem Energielieferanten – aber auch Kohlenhydrate und Eiweiß werden bei Überschuss in Fett umgewandelt – erhöht das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall beträchtlich. Einerseits werden Nahrungsfette, in der Regel Triglyceride (Neutralfette), aber auch ein bestimmtes Quantum an Cholesterol vom Körper benötigt. Für ihren Transport im Blut sind „Transporter“, also Lipoproteine, insbesondere Chylomikronen, VLDL (Very Low Density Lipoprotein/Lipoprotein von sehr geringer Dichte), LDL (Low Density Lipoprotein/Lipoprotein von geringer Dichte) und HDL (High Density Lipoprotein/Lipoprotein von hoher Dichte) wesentlich.

Dass neben den absoluten Werten der Blutfette das Verhältnis von HDL zu LDL eine wichtige Rolle spielt, HDL als „gutes“ Lipoprotein gilt, dass bei einem hohen Verhältniswert das Risiko an Fettstoffwechselerkrankungen (primäre Hypercholesterinämie = LDL-Cholesterinkonzentration erhöht; primäre Hypertrigylderidämien = Triglyderide erhöht; kombinierte Hyperlipidämien) deutlich reduziert, ist mittlerweile lange bekannt. Ebenso die Therapie: Erhöhte Blutfettwerte sind in der Regel ernährungsbedingt. Deshalb ist wichtigster therapeutischer Ansatz auch die nachhaltige Umstellung der Lebensweise: Abbau des Übergewichts, lipidsenkende Ernährung, also fettarm mit hohem Ballaststoffanteil, im Verhältnis höherem Anteil an Omega-3-Fettsäuren, fünfmal täglich Obst und Gemüse (DGE-Empfehlung; DGE = Deutsche Gesellschaft für Ernährung), Alkohol-Abstinenz, Rauchstopp, mehr Sport und Bewegung. In den selteneren Fällen von Vererbung, aber auch bei einem schlecht eingestellten Diabetes mellitus, bei Schilddrüsenunterfunktion, Hirnanhangdrüsen-Überfunktion, Niereninsuffizienz – die jeweils ebenfalls zu einem Cholesterol-Überschuss führen können – gilt es natürlich, die jeweilige Grunderkrankung in den Griff zu bekommen.

Wenn sich trotz guter Ernährungsumstellung nach drei bis sechs Monaten die Blutfettwerte nicht deutlich bessern, werden Medikamente parallel eingesetzt. Hier kommen dann – je nach gewünschtem Effekt auf die Serumlipide – verschiedene Wirkstoffgruppen ins Spiel. Da eine Reduzierung der kardiovaskulären Morbidität eindeutig nur für die Statine (etwa Atorvastatin, Fluvastatin, Lovastatin, Pravastatin, Simvastatin) belegt ist, erklärt sich deren häufige Verschreibung – insbesondere bei Männern. Achten Sie in der Praxis am HV-Tisch bei Rezeptbelieferung einmal darauf. Und womöglich gelingt es Ihnen, einige Ihrer männlichen Kunden für das Thema „richtiges Essen“ zu sensibilisieren und Ihnen die Grundzüge einer ausgewogenen, gesunden Ernährungsweise nahezubringen.

Schlafmangel erhöht das Diabetesrisiko
Wer weniger als fünf Stunden pro Nacht schläft, hat unwissentlich einen gefährlichen Bettgenossen, fanden US-amerikanische Forscher heraus. Grund: Der Fettstoffwechsel ist gestört und die Insulinresistenz gleichzeitig erhöht. Ausreichend Schlaf könnte das immer häufigere Auftreten von Diabetes mellitus und Übergewicht somit mindern. Leider ist Schlafmangel ein weit verbreitetes Phänomen unserer modernen Gesellschaft.

Hypertonie Der „schleichende Tod“, der eben keine Schmerzen, aber bedrohliche Folgeerscheinungen wie Nierenversagen, Herzinfarkte und Schlaganfälle verursacht, ist ebenfalls statistisch deutlich häufiger bei Männern als bei Frauen anzutreffen. Zu wenig Bewegung, Übergewicht, Kochsalz, Stress: So einfach ist die Formel für die Erklärung von Bluthochdruck leider nicht. Die arterielle Hypertonie ist nicht allein Folge eines ungesunden Lebensstils mit Adipositas, Bewegungsmangel und anderen modifizierbaren Risikofaktoren. Es gibt wohl auch eine starke erbliche Komponente, die vermutlich (noch) stärker ist als bisher gedacht. Und beides: ungesunder Lebensstil sowie genetische Komponente trifft Männer nach bisherigen Erkenntnissen stärker. Hinzu kommt bei Frauen ein gewisser Schutzmechanismus durch die weiblichen Geschlechtshormone.

Erst mit Eintritt in die Wechseljahre gleichen sich die Fallzahlen von Mann und Frau allmählich an. Die aktuelle Leitlinie zum Management arterieller Hypertonie stammt aus dem Jahr 2013. Bei einer so bedeutsamen Volkskrankheit und der rasanten Wissensvermehrung auf dem Gebiet kamen mittlerweile viele neue Erkenntnisse hinzu. Entgegen den Empfehlungen aus Amerika, die bei über 60-Jährigen erst bei einem systolischen Blutdruck-Wert von größer/gleich 150 mm Hg eine medikamentöse Behandlung empfiehlt, sieht die Deutsche Hochdruckliga (DHL) auch bei älteren Patienten vor, den Druck möglichst unter 140 mm Hg zu senken. Die DHL verweist hierbei auf eine Meta-Analyse, die ein signifikant besseres Gesamtüberleben, signifikant weniger Schlaganfälle und deutlich weniger kardiale Ereignisse aufzeigen konnte, wenn der obere Blutdruckwert auf unter 140 mm Hg gesenkt wird.

Zur medikamentösen Hypertonie-Therapie stehen derzeit mehrere Arzneimittelgruppen zur Verfügung, die an unterschiedlichen Stellen der Hochdruckregulierung angreifen: Diuretika, Beta-Blocker, Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems (wozu ACE-Hemmer und AT1-Antagonisten, Angiotensin-II-Antagonisten und Sartane gehören), Kalzium-Antagonisten sowie als Mittel der zweiten Wahl Alpha-Blocker, Vasodilatatoren oder Antisympathotonika. An neuen Therapieoptionen, etwa Faktor XI-Inhibition, wird geforscht. Noch gilt als Behandlungsgrundlage die St fentherapie („Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier“), bei der immer eine weitere Medikamentengruppe hinzugefügt oder entsprechend umgestellt wird, wenn die Blutdrucksenkung mit weniger Arzneimittelgruppen nicht ausreichend wirksam ist. Dies wird seitens der DHL präferiert. Doch es gibt auch Stimmen und erste Studien, die für eine „Quadruppelkombi“ (Vierfachkombi) von Behandlungs-Beginn an mit geringst möglicher Einzeldosis sprechen. Doch die genaue Therapie ist Sache des Arztes (Hausarzt, Internist, Kardiologe).

Ein regelmäßiger Blutdruck-Check als Angebot in der Apotheke ist aber ein gutes Präventivangebot. Denn in die Apotheke kommen auch Männer vorbehaltloser. Und Studien zeigen eindeutig, dass der Arztbesuch („Weißkittelkrankheit“) doch häufiger fälschlich hohe Blutdruckwerte produziert.

Diabetes mellitus Gerade bei Männern hat sich Diabetes mellitus, die anscheinend größte Epidemie des 21. Jahrhunderts und weltweit am häufigsten vorkommende Stoffwechselerkrankung, als ein entscheidender Faktor der Lebensverkürzung erwiesen. Die Rede ist hier vom mit 80 bis 90 Prozent überwiegend vorkommenden Typ-2-Diabetes. Auch hier ist die Wechselwirkung zwischen genetischer Veranlagung und umweltbedingten Faktoren (insbesondere Bewegungsmangel, Fehlernährung und damit in Zusammenhang stehendem Übergewicht) entscheidend. Die Folge sind eine verminderte Wirkung sowie verminderte Ausschüttung von Insulin, was zu erhöhten Blutzuckerkonzentrationen führt – mit wiederum all ihren negativen Konsequenzen.

Dass therapeutisch neben Übergewichts-Abbau, körperlicher Bewegung die medikamentöse Therapie via – oraler Antidiabetika – Biguanide: Metformin – Sulfonylharnstoffe: meist Glibenclamid, Tolbutamid, Glibornurid, Gliclazid, Glimepirid – Glinide: Repaglinid, Nateglinid – Glitazone: Pioglitazon, (bei Rosiglitazon erfolgte die Marktrücknahme im November 2010) – Alpha-Glukosidasehemmer: Acarbose, Miglitol – SGLT-2-Hemmer: Dapagliflozin, Empagliflozin, Canagliflozin, Ipragliflozin, Remogliflozin, Sergliflozin, Tofogliflozin – Gliptine, auch DDP-4-Hemmer genannt: Sitagliptin, Vildagliptin, Saxagliptin, Linagliptin – wie Insulin unter die Haut gespritzter Inkretin-Analoga – Exenatide, Liraglutid, Albiglutid oder – eine intensivierte Insulintherapie (ICT) im Mittelpunkt stehen, ist zwar hinlänglich bekannt. Auch hier gilt bisher die Therapieregel: Erst eins (meist Metformin), dann zwei, dann drei Medikamente in Kombination – bis der gewünschte Behandlungserfolg erreicht wird.

Dennoch sollte im Beratungsgespräch in der Apotheke bei Abgabe von Antidiabetika auf Rezept auf korrekte Medikamentenanwendung und vor allem die unterstützenden Maßnahmen immer wieder hingewiesen werden. Denn auch wenn viele erkannte Diabetiker schon viele Diabetes-Schulungen hinter sich gebracht haben – Anspruch und Wirklichkeit klaffen noch immer weit auseinander. Hinzu kommt präventiv in der Apotheke noch die Möglichkeit für „Screeninguntersuchungen“, die insbesondere für Aktionen genutzt werden, die teils aber auch als therapiebegleitende Maßnahme durchgeführt werden: Im Alltag können zur Einschätzung, ob eine Insulinresistenz beziehungsweise ein Diabetes mellitus vorliegt, neben der Bestimmung des Nüchtern- und Nicht-Nüchtern-Blutzuckerspiegels (im Kapillarblut: normaler Nüchtern-Wert < 110 mg/dl; normaler Nicht-Nüchtern-Wert <140 mg/dl), der HbA1c-Wert („Blutzuckergedächtnis“, durchschnittlicher Zuckergehalt im Blut, sollte alle drei Monate bei Diabetikern kontrolliert werden, da die Lebensdauer der roten Blutkörperchen drei Monate beträgt; gut ist ein HbA1c % <6,5) gemessen werden. Aber auch erhöhte Trigycerid-Konzentrationen und erniedrigte HDL-Cholesterol-Werte korrelieren signifikant mit einer Insulinresistenz. Goldstandard für die Diagnose (Arzt) ist allerdings der orale Glucosetoleranztest (OGT).

Rauchen und Raucherentwöhnung Lungenkrebs ist seit Jahrzehnten mit Abstand die häufigste Krebstodesursache bei Männern. Zudem erkranken immer noch weitaus mehr Männer an Lungenkrebs als Frauen, wenngleich sich der Abstand zwischen den beiden Geschlechtern verringert – da Frauen in den letzten Jahrzehnten meinten, ebenfalls mehr rauchen zu müssen. Tatsächlich lässt sich ein Drittel aller Krebserkrankungen in Deutschland auf den Konsum von Tabak zurückführen, speziell Tumoren der Lunge, der Mundhöhle, der Speiseröhre, des Kehlkopfes, aber auch der Harnblase. Nikotin schädigt zudem das Herz, die Gefäße (Atheriosklerose), fördert Magenschleimhautentzündungen (Magen-Darm-Geschwüre), führt zu erhöhter Infektanfälligkeit, da aufgrund von Schädigung der Flimmerhärchen Erreger besser in die Atemwege eindringen können, verringert die Fruchtbarkeit – bis hin zur Impotenz.

Ein Rauchstopp ist demzufolge immer ein großer Gewinn für die Gesundheit, egal in welchem Alter. Und es gibt auch eine positive:Entwicklung: So ist der Anteil der Raucher in der Bevölkerung im Gegensatz zum Anteil der Raucherinnen, in den letzten Jahrzehnten gesunken. Dennoch rauchen Männer laut Robert Koch-Institut nach wie vor häufiger als Frauen und konsumieren dabei oftmals 20 und mehr Zigaretten. Präventiv haben Kampagnen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA), die gerade Jugendlichen im anfälligen Alter von elf bis 14 Jahren deutlich machten, das Rauchen „uncool“ ist, schon viel geholfen. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/17 ab Seite 86.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin

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