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PTA-Fortbildung 07/12

WUNDHEILUNG

Wundmanagement bietet eine Vielzahl von therapeutischen Möglichkeiten. Für nahezu jede Art von Wunde gibt es dem Milieu- und Heilungsprozess angepasste Therapeutika. Kennen Sie sich damit aus?

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Apothekenmitarbeiter werden in der Beratung zur Wundversorgung stark gefordert. Von der Empfehlung zur Behandlung kleiner Verletzungen der Haut im Rahmen der Selbstmedikation bis hin zur Unterstützung von Pflegekräften in der Versorgung chronischer Wunden wird von PTA und Apotheker eine umfangreiche Kompetenz verlangt. Dazu ist es sinnvoll, sich den Aufbau der Haut, Wundarten, Phasen der Wundheilung und die Prinzipien des Wundmanagements noch einmal zu verdeutlichen.

Ein besonderes Organ Die Haut umgibt den Körper und grenzt ihn von seiner Umwelt ab. Mit einer Gesamtfläche von etwa zwei Quadratmetern ist sie nicht nur das größte Organ, sondern erfüllt auch eine Vielzahl von lebenswichtigen Funktionen. Sie kontrolliert über die Durchblutung und die Schweißsekretion den Wasserhaushalt und die Körpertemperatur.

Als Ort der Vitamin-D-Bildung ist die Haut auch indirekt am Knochenstoffwechsel beteiligt. Mit ihrem Säureschutzmantel – die Haut hat einen pH-Wert von 5,7 – wird das Eindringen von schädlichen Mikroorganismen verhindert. Die Haut schützt den Körper außerdem gegenüber physikalischen und chemischen Einflüssen, wie Druck, Reibung und Stößen. Nicht zuletzt ist sie ein wichtiges Sinnesorgan. Millionen Nervenzellen steuern den Tastsinn, die Schmerzwahrnehmung und die Temperaturempfindung.

Werden die Belastungen der Haut zu groß, reagiert sie mit Funktionsstörungen, die auch äußerlich leicht zu erkennen sind: Sie wird spröde, rissig, blass oder gerötet, und reagiert empfindlicher auf Reize. Entstehen in diesem Zustand durch Verletzungen oder andere Beeinträchtigungen Wunden, stellen sich leicht Heilungsstörungen ein, oft mit chronischem Verlauf.

Anatomie Um die beschriebenen Aufgaben alle zu erfüllen, ist die Haut sehr funktionell und komplex aus drei Schichten aufgebaut: Diese sind Epidermis, Dermis und Subkutis. Die Epidermis oder Oberhaut besteht aus fünf aufeinanderliegenden Unterschichten, wobei die oberen drei Lagen sich aus verhornten, abgestorbenen Zellen zusammensetzen. Die Hauptzellart in der Epidermis sind die Keratinozyten. Diese werden im Stratum basale, der unteren Keimschicht gebildet und wandern mit zunehmender Differenzierung bis zur oberflächlichen Hornschicht, dem Stratum corneum. Hier werden die verhornten Zellen kontinuierlich abgestoßen.

Bei der Wundheilung wird der Gewebedefekt ausgehend vom Stratum basale wieder durch Bildung neuer Hautzellen geschlossen. Die Epidermis ist sehr widerstandfähig. Sie kann abhängig von der Körperregion bis zu mehreren Millimetern dick sein und bildet so die wichtige Barriere zum Schutze des Körperinneren. An die Epidermis grenzt die elastische Dermis – die so genannte Lederhaut, die sich durch einen hohen Bindegewebsanteil auszeichnet.

Im modernen Wundmanagement sind Honig, Wasserstoffperoxid und Zucker nicht mehr gebräuchlich!

Dermis und Epidermis sind wie ein Netz miteinander verbunden. Die Dermis besteht aus dem Stratum papillare und dem Stratum reticulare. Sie ist stark durchblutet und durchzogen von Nervenbahnen und Lymphgefäßen. Ihre Aufgabe ist die Versorgung der Epidermis mit Nährstoffen und Sauerstoff. Außerdem ist die Dermis auch der Ort von Talg-, Schweiß- und Duftdrüsen, sowie den Haarwurzeln. So ist sie auch verantwortlich für die Temperaturregulation, die Talgproduktion und die Sinneswahrnehmung. Die Subcutis besteht aus Fettgewebe und lockerem Bindegewebe. Sie ist damit im wesentlichen Energiespeicher und Kälteschutz. Sie federt Druckreize ab und enthält größere Blutgefäße und Nerven, die in die oberen Hautschichten führen.

Wunden Eine Wunde ist ein Defekt der Haut, der mit einer Zerstörung oder Trennung von körpereigenem Gewebe einhergeht. Die Ursache ist zumeist äußerliche Gewalt, aber auch eine Grunderkrankung, zum Beispiel beim Ulcus cruris, dem Unterschenkelgeschwür, kann eine Wunde hervorrufen. Wie eine Wunde entstanden ist und welche Art von Wunde es ist, ist von entscheidender Bedeutung für die Behandlung und die Prognose der Heilung.

Mediziner unterscheiden drei Arten: Traumatische, iatrogene und chronische Wunden. Erstere gehen auf den Einfluss mechanischer, thermischer, chemischer oder strahlungsbedingter Faktoren zurück. Dazu zählen beispielsweise Platz-, Schürf- und Schnittwunden, Verbrennungen, Verätzungen sowie Strahlungsschäden. Wunden, die bei medizinischen Eingriffen, zum Beispiel Gewebeentnahmen oder Operationen entstehen, heißen iatrogene Wunden. Die chronischen Wunden sind die Hautdefekte, die trotz fachgerechter und kausaler Behandlung nach drei Monaten noch nicht zu heilen beginnen oder nach zwölf Monaten immer noch nicht abgeheilt sind. Viele Menschen mit chronischen Wunden leiden unter weiteren Grunderkrankungen, die den Heilungsverlauf ungünstig beeinflussen, zum Beispiel Diabetiker.

Wundheilungin PhasenEgal welche Ursache eine Wunde hat, die Heilungsphasen sind immer gleich. Sie laufen nicht scharf voneinander abgegrenzt ab, sondern teilweise überlappend. Dabei werden unterschiedliche Zellarten aktiviert, wandern in das verletzte Gewebe ein und interagieren untereinander. Unmittelbar nach der Verletzung wird die Blutung durch Vasokonstriktion und Aktivierung der Gerinnungskaskade gestoppt. Dazu sofort produziert der Körper sofort Fibrin, das zusammen mit Fibronectin, Vitronectin und Thrombospondin den ersten Wundverschluss bildet.

Gleichzeitig startet die Reinigungs- oder Exsudationsphase. Optimalerweise verläuft diese sehr schnell. Ein typisches Entzündungsgeschehen wird in Gang gesetzt. Äußerlich ist diese Phase an Rötung, Schwellung und Bildung von Wundsekret zu erkennen. Außerdem sind die Wunden schmerzempfindlich. Thrombozyten schütten Botenstoffe aus, die immunkompetente Zellen an den Wundort locken. Neutrophile Granulozyten und Makrophagen wandern in den Wundbereich und lysieren Zelltrümmer, Bakterien und Fremdkörper oder schwemmen sie aus. Die Entzündungsphase dauert bei nichtinfektiösen Wunden etwa drei Tage.

In der folgenden Granulations- oder Aufbauphase sorgen Monozyten, Endothelzellen und Hautfibroblasten dafür, dass neue extrazelluläre Matrix gebildet wird. So wird die Wunde langsam wieder mit einem von Blutgefäßen durchzogenen provisorischen Granulationsgewebe aufgebaut. Baustoff ist Kollagen, das von den Hautfibroblasten produziert wird. Diese zunächst eher lose Extrazellulärmatrix wird in der folgenden Epithelisierungsphase verdichtet.

Epithelzellen wandern über den Wundrand ein und bilden eine neue Epithelschicht, die Vorstufe der neuen Epidermis. Diese ist zunächst noch sehr empfindlich und kann zum Beispiel bei einem Verbandswechsel leicht reißen. Die eigentliche Wundheilung ist nun abgeschlossen, die Barrierefunktion der Haut wiederhergestellt. Doch auch später noch finden weitere Umbauvorgänge statt, wobei das Granulationsgewebe in ein zellärmeres matrixreiches Narbengewebe verwandelt wird. Dieses ist dann widerstandsfähig gegenüber Zug und Druck.

Akute Wundversorgung Im Alltag gesunder Menschen steht die Versorgung akuter traumatischer Wunden im Vordergrund. Abhängig von der Entstehung, Tiefe und Ausmaß der Verletzung erfolgt die Versorgung. Häufig treten Schnitt-, Platz-, Schürf- und Bisswunden auf. Oberflächliche Schnittwunden werden nach Desinfektion leicht mit einem Wundschnellverband – umgangssprachlich einem Pflaster - verbunden.

ein chrirgisches set zum wunden nähen
Je nach Tiefe muss eine Wunde vom Arzt genäht beziehungsweise geklebt werden.

Man unterscheidet Wundschnellverbände zum Abschneiden, Pflasterstrips und speziell zugeschnittene Formen zum Beispiel für Knie- oder Ellenbogen, sowie für die Fingerkuppen. Typisch ist, dass Schnittwunden stark blutende Wunden mit glatten Wundrändern hervorrufen. Tiefere Wunden müssen mit einem Klammerpflaster zusammengeklebt oder genäht werden. Da Keime über die Blutung meist ausreichend ausgeschwemmt werden, ist das Infektionsrisiko gering. Wenn die Gefahr besteht, Sehnen oder Nerven geschädigt zu haben, ist eine ärztliche Untersuchung notwendig.

Platzwunden entstehen unter dem Einfluss stumpfer Gewalt. Typisch sind unregelmäßige Wundränder und eine starke Blutung. Je nach Größe und Tiefe der Wunde muss diese wie eine Schnittwunde geklebt oder genäht werden. Schürfwunden sind eher großflächig, weniger tief aber stärker infiziert als Schnittwunden. Sie entstehen, wenn die Haut nach Kontakt mit rauen Oberflächen abgeschürft wird, zum Beispiel, bei einem Sturz. Die Blutungsneigung ist geringer, weil meistens nur die obere Hautschicht betroffen ist.

Verunreinigungen erhöhen die Infektionsgefahr. Das A und O ist deshalb eine ausführliche Reinigung und Desinfektion der Wunde. Eine saubere Schürfwunde wird am besten mit einer hydroaktiven Wundauflage abgedeckt. Sprühpflaster eignen sich ebenfalls. Größere Wunden sollten verbunden werden. Zum Schutz dienen sterile Wundauflagen oder Kompressen, die mit einer Mullbinde fixiert werden. Doch Vorsicht bei stark nässenden Wunden, die sehr leicht mit den Auflagen verkleben.

Bisswunden sollten möglichst immer von einem Arzt versorgt werden. Da im Speichel von Tieren zahlreiche Erreger zu finden sind, besteht ein hohes Infektionsrisiko. Häufig wird dem Betroffenen deshalb zusätzlich ein Antibiotikum verordnet. Generell gilt immer der Hinweis, bei möglicherweise infizierten Wunden, den Tetanusschutz zu überprüfen.

Chronische Wunden Das Wundmanagement bei chronischen Wunden ist ungleich komplexer und schwieriger als bei unkomplizierten akuten Wunden. In den westlichen Industrienationen beträgt die Inzidenz chronischer Wunden etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung. Unter den über 80-jährigen Menschen steigt sie sogar auf vier bis fünf Prozent.

Besonders alte oder unter Vorerkrankungen leidende Menschen neigen zu Wundheilungsstörungen. Wichtig ist bei diesen Patienten nicht nur die Wundversorgung, sondern auch die kausale Behandlung der Grunderkrankung im Blick zu haben. Zu den häufigsten chronischen Wunden zählen das diabetische Fußsyndrom, das Unterschenkelgeschwür (Ulcus cruris) und das Druckgeschwür (Dekubitus). Etwa vier Millionen Deutsche leiden darunter.

Bei Diabetikern ist die Entgleisung des Blutzuckerspiegels die Hauptursache für die Entstehung eines diabetischen Fußsyndroms. Eine bereits bestehende Neuropathie vermindert die Wahrnehmung von Schmerz, Druck und Verletzung im Fußbereich. Rasch können sich unbemerkt Entzündungen und dann größere Wunden bilden. Zur Prophylaxe sollten Diabetiker regelmäßig die Füße kontrollieren lassen und besonders intensiv pflegen. Die erhöhten Zuckerspiegel verschlechtern die normale Heilungsprognose auch von kleinen Wunden, weil die Aktivität des Immunsystems reduziert ist. Als Folge mangelnder Immunzellen wird kaum noch funktionelles Granulationsgewebe gebildet.

»Verbandswechsel so oft wie nötig,aber so selten wie möglich!«

Das Unterschenkelgeschwür ist häufig die Folge einer chronisch venösen Veneninsuffizienz. Weil das Blut nicht mehr ausreichend zum Herzen zurücktransportiert werden kann, kommt es zu Stauungen in den Beinvenen. Wird die Veneninsuffizienz nicht behandelt und bestehen zusätzliche Risikofaktoren, wie Übergewicht und Bewegungsmangel, führt das bei etwa einem Prozent der Betroffenen zu einem offenen Bein. Für eine erfolgreiche Heilung des offenen Beines ist eine ganzheitliche Therapie der Veneninsuffizienz, zum Beispiel operativ und in Form der Kompressionstherapie unverzichtbar.

Ein offenes Bein kann außerdem in der Folge einer Krebserkrankung, Diabetes und einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit auftreten. Ist letztgenanntes die Ursache, darf auf keinen Fall kompressiv therapiert werden, hier ist im Gegenteil eine Verbesserung der Durchblutung zum Beispiel mit Blutverdünnern die Behandlung der Wahl.

Das Druckgeschwür entsteht durch anhaltenden Druck von außen. Besonders häufig tritt es bei alten, pflegebedürftigen, immobilen Menschen auf. Etwa 400 000 Menschen sind in Deutschland betroffen. Wirksame Prophylaxemaßnahme sind eine sorgfältige Hautpflege und ständig wechselnde Lagerung bettlägeriger Patienten. Außerdem ist es wichtig, auf eine ausgewogene Ernährung mit Vitaminen und Spurenelementen zu achten. In der Granulationsphase müssen nämlich genügend Grundbausteine in Form von Aminosäuren, Spurenelementen, Energie und Sauerstoff lokal vorhanden sein. Mangelzustände verschlechtern die Wundheilung. Auch bestimmte Medikamente, beispielsweise Chemotherapeutika oder systemische Glukokortikosteroide wirken sich negativ aus.

Sauber heilen Um chronische Wunden bestmöglich zu versorgen, sollte sich die Behandlung an der derzeitigen Heilungsphase orientieren. Am Anfang steht immer erst die Reinigung. Dazu werden Wundbeläge und Exsudat zunächst mit desinfizierenden Lösungen ausgespült. Abgestorbenes Gewebe muss ebenfalls aus der Wunde entfernt werden – diesen Vorgang nennen Mediziner Dèbridement. So haben schädliche Keime keinen Nährboden mehr und wichtige Zellen für die Wundheilung, zum Beispiel Makrophagen und Fibroblasten werden aktiviert. Wundränder und feste Auflagerungen werden bevorzugt chirurgisch mit einem scharfen Löffel oder Skalpell abgetragen.

Eine andere Methode, die zum Beispiel bei der Behandlung des offenen Beines mit Erfolg eingesetzt wird, ist die Madentherapie. Die Proteasen aus dem Speichel der Goldfliegenmaden (Lucillia caesar) sind für das erfolgreiche Débridement verantwortlich. Die Maden befinden sich in netzartigen Beuteln und entfernen innerhalb von wenigen Tagen überschüssige entzündete Gewebeteile und nehmen Wundexsudat auf.

Trotz der verständlichen Vorbehalte der Patienten wirkt sich diese Methode sehr positiv auf das Wundmilieu aus. Die biologische Wundreinigung mit Maden sollte nicht bei stark blutenden Wunden und in Wunden, die in Kontakt mit Körperhöhlen bestehen, eingesetzt werden. Alternativ werden enzymatische Salben und Gele mit Streptokinase oder Streptodornase in die Wunde eingebracht, und bewirken die Lyse des nekrotischen Gewebes. Die gesunde Haut wird dabei nicht angegriffen.

Bei einer autolytischen Wundreinigung wird mit Hydrogelen ein physiologisches Wundmilieu erzeugt, das körpereigene Kollagenasen und Elastasen zur Reinigung der Wunde stimuliert.

Feucht ist besser Früher galt die Empfehlung, eine Wunde am besten an der Luft abheilen zu lassen – heute ist das obsolet. Die Gefahr, dass Keime in die Wunde eindringen ist so viel größer und eine harte Schorfschicht begünstigt eine spätere Narbenbildung. Heute basiert Wundmanagement auf dem Prinzip des feuchten Milieus. Tatsächlich ist diese Erkenntnis nicht wirklich neu, schon die alten Römer nutzen einfache okklusive Verbände, um Wunden besser zu behandeln.

»Antiseptika sollten so kurz wie möglich zum Einsatz kommen, da sie die Wundheilung stören.«

Im feuchten Wundmilieu wird die Proliferation der Zellen, die am Wundverschluss beteiligt sind, gefördert und Granulations- und Epithelisierungsphase werden unterstützt. Die modernen Wundauflagen haben einen günstigen Einfluss auf die verschiedenen Phasen der Heilung. Sie regulieren Temperatur und Feuchtigkeit innerhalb der Wunde. Wird ein feuchtes Wundmilieu gewährleistet, sprechen Experten auch von hydroaktiven Wundauflagen.

Diese bestehen immer aus einem wasserabweisenden Träger und einer hydroaktiven Wundauflage. Das Wundexsudat wird aufgesaugt, aber auch Bakterien und abgestorbene Gewebeteile werden gebunden. Mit der Reduktion des Sekrets verringert sich auch die Konzentration an gewebeschädigenden Proteasen. In der Anfangsphase der Wundheilung müssen größere Mengen an Wundflüssigkeit aufgenommen werden – deshalb werden die Auflagen dann nicht länger als drei Tage auf der Wunde belassen.

Eine tägliche Kontrolle der Wunde mit einem Verbandswechsel wird heute von führenden Medizinern abgelehnt, weil so die Heilungsprozesse ständig unterbrochen werden. In der weitergehenden Versorgung während der Granulationsphase kann die Tragezeit sogar bis auf eine Woche verlängert werden. Ein Tipp für die Praxis ist, die Auflage kurz vor dem Verbandwechsel mit Kochsalz- oder Ringerlactatlösung zu durchfeuchten. So ist eine nahe schmerzfreie Enfernung des Verbands möglich.

Hydrokolloide Wundauflagen werden sehr häufig eingesetzt. Sie bestehen auf der Außenseite aus einer Polyurethanfolie und nach innen zur Wundseite hin aus einer quellfähigen Hydrokolloidschicht. Diese Verbände zählen zu den semiokklusiven Systemen, die aus dem Inneren durchlässig sind für Feuchtigkeit und Gase aber von außen undurchlässig sind für Keime und Flüssigkeit. Inhaltsstoffe hydrokolloider Wundauflagen sind zum Beispiel stark quellfähige Partikel aus Pektin, Carboxymethylcellulose oder Gelatine.

Die interaktive Wundauflage nimmt Wundsekret, Bakterien und Zelltrümmer auf und beginnt zu quellen. So entsteht ein die Wunde auskleidendes feuchtes Gel, das ein optimales Milieu für die Wundheilung erzeugt. Verbandswechsel steht an, wenn äußerlich Blasen zu erkennen ist, dann ist die Bindungskapazität des Gels erschöpft. Bei stark infizierten Wunden sollten hydrokolloidale Auflagen nicht verwendet werden. Es besteht die Gefahr der Mazeration der Wundränder.

ANTISEPTIKA BEI INFEKTIONEN
Gerade chronische Wunden tragen ein erhöhtes Risiko, sich zu infizieren, da sie lange Zeit offen sind und damit eine leichte Angriffsfläche für Bakterien und andere Erreger darstellen. Gefährlich für den Patienten sind die multiresistenten Keime – wie sie im Krankenhaus immer wieder auftreten. Typische Symptome einer bakteriellen Infektion sind Rötung, Eiterbildung, Schmerzen und Schwellung. Um die Wundheilung zu verbessern, aber auch eine weitere Verbreitung der Erreger zu verhindern, muss antiseptisch behandelt werden. Antiseptika wie Taurolidin, Octenidin, Povidon-Jod und Polyhexanid werden zur Wunddesinfektion eingesetzt.

Bei chronischen Wunden ist Polyhexanid, gefolgt von Octenidin, wegen seiner guten Verträglichkeit das Mittel der ersten Wahl. Allerdings wirkt es langsamer als die anderen Wirkstoffe. Das breiteste Erregerspektrum hat Povidon-Jod, das jedoch etwas schlechter gewebeverträglich ist. Bei Wundspülungen mit Octenidin ist darauf zu achten, dass die Lösung nicht unter Druck ins Gewebe eingebracht wird. Eine Behandlung mit Antiseptika sollte nicht länger als maximal sechs Tage durchgeführt werden, um den Prozess der Wundheilung nicht zu stören. Eine längere Anwendung von Antiseptika oder gar die prophylaktische Gabe beeinflusst die Arbeit der Immunzellen im Rahmen der Granulationsphase negativ. Bei schweren Infektionen, die so nicht ausreichend behandelt werden können, ist eine systemische Antibiotikagabe notwendig. Der lokale Einsatz von Antibiotika wird von Dermatologen eher kritisch beurteilt.

Hydrokolloide können zur Versorgung chronischer Wunden, aber auch leichter oberflächlicher Schnitt-, Schürf- oder Risswunden eingesetzt werden. Ein großer Vorteil dieser Verbände im Vergleich zu althergebrachten Mull- oder Vliesprodukten ist, dass sie praktisch nicht mit der Wunde verkleben, und so die empfindliche Wundoberfläche nicht zerstört wird. Sie haben einen hohen Tragekomfort und müssen nur etwas alle drei Tage gewechselt werden. Hydrokolloidpflaster werden übrigens auch häufig bei kleinen Alltagswunden verwendet. Sie gibt es in verschiedenen Größen und Formen und sind sehr elastisch.

Alginate Bei mäßig bis starker Bildung von Wundexsudat zum Beispiel in der Reinigungsphase sind Wundauflagen mit einem hohen Quellungsvermögen sinnvoll. Alginathaltige Verbände sind deshalb zur Therapie von nässenden Geschwüren mit oder ohne Infektion einsetzbar. Die Kalziumsalze der Alginsäure werden aus Braunalgen gewonnen und können ein Vielfaches ihres Eigengewichtes an Wundflüssigkeit binden. Sie haben ein noch größeres Quellvermögen als Hydrokolloide.

Sie können als Tamponaden in tiefe Wunden eingebracht oder als Kompressen auf Wunden aufgelegt werden. Nach Aufnahme von Sekret, entsteht ein stabiles Gel. Dieses lässt sich ohne Aufreißen der Wunde wieder entfernen. Ein Verbandswechsel kann nach ein bis sieben Tagen – abhängig von der Sekretmenge erfolgen. Für die Behandlung von trockenen Nekrosen sind Alginate nicht geeignet. Es ist immer ein Fixierungsverband notwendig.

Hydrogele & Nasstherapeutika sind Wundsysteme, die Flüssigkeit abgeben und so besonders zur Aufweichung von trockenen Nekrosen (abgestorbenem Gewebe) und Entfernung von Belägen eingesetzt werden. Außerdem wirken sie sich günstig auf den Heilungsprozess bei trockenen Wunden aus. Sie unterstützen das natürliche Débridement.

Nasstherapeutika sind polsterartige Wundauflagen mit einem Polyacrylatkern, der vor dem Aufbringen auf die Wunde mit Ringerlactatlösung getränkt wird. Im Austausch gegen Exsudat, Gewebeteile und Bakterien gibt das Quellmaterial kontinuierlich Ringerlösung an die Wunde ab. Je nach Tiefe der Wunde wird die Auflage mit einem Fixierverband mit oder ohne Saugkompresse angelegt. Ein Verbandswechsel erfolgt alle 12 bis 24 Stunden. Hydrogele sind dreidimensionale Netzwerke, die aus einem Polymergerüst und einem Wasseranteil von bis zu 96 Prozent bestehen. Hydrogele wirken kühlend und beruhigend.

Hydropolymere Schaumstoffverbände Diese Wundauflagen bestehen aus einer Schaumgrundsubstanz zum Beispiel Polyurethan, in Verbindung mit einer semipermeablen Polyurethanoberfläche. Sie müssen immer noch zusätzlich fixiert werden, können aber auch als Tamponade in Wundhöhlen eingebracht werden. Ihr quellfähiger Kern ist in der Lage, große Flüssigkeitsmengen, abgestorbene Zellen und Bakterien ohne große Massenzunahme zu binden. Außerdem sorgen sie für eine kontrollierte Verdunstung von überschüssigem Wundsekret ohne Austrocknung der Wunde. Dabei wird auf die Wunde eine leichte Sogwirkung erzeugt, die die Granulation stimuliert.

Bei geringer Sekretbildung können hydropolymere Verbände bis zu einer Woche auf der Wunde verbleiben. Bei starker Exsudation sollte ein Wechsel entsprechend häufiger erfolgen. Die Schaumstoffverbände sind wegen ihres polsternden Effektes auch für die Behandlung von Druckgeschwüren gut geeignet.

ALTERNATIVE METHODEN
Bei therapieresistenten Wunden werden vermehrt alternative Maßnahmen eingesetzt, um die Wundheilung in Schwung zu bringen. Bisher mangelt es aber noch an ausreichenden evidenzbasierten Studien. Bei der Therapie des offenen Beines ist zum Beispiel die Vakuumversiegelungstherapie eine Möglichkeit, die Granulationsphase zu fördern. Diese Methode soll die Durchblutung des Wundbodens verbessern und den Abtransport des Sekrets beschleunigen. Die Wundbehandlung erfolgt in einem geschlossenen System mit großflächiger Ableitung über einen Schaumstoffverband, bei der eine Vakuumsaugpumpe den für die Drainage nötigen Unterdruck erbringt. Unter Einfluss des Vakuums zieht sich die Wunde zusammen.

Die Behandlung wird über vier Wochen durchgeführt. Bei der Hochdruck-Sauerstofftherapie (Hyperbare Oxygenierung) atmet der Patient in speziellen Druckkammern reinen Sauerstoff ein. Diese Behandlung wird Menschen mit diabetischem Ulcus oder einer arteriellen Verschlusskrankheit empfohlen. Weitere Forschungen beschäftigen sich mit Wachstumsfaktoren, die die Gewebebildung fördern und Gewebetransplantationen.

Aktivkohleverbände Aufgrund seiner extrem großen Oberfläche kann Aktivkohle Sekrekt, Zelldetritus und Keime binden. Außerdem nehmen diese Wundauflagen Geruchsstoffe auf. Dehalb eignen sich Aktivkohleverbände, eventuell auch mit Silberimprägnierung, besonders zur Versorgung mäßig sezernierender übelriechender Wunden. Wichtig ist der Hinweis, dass diese Auflagen nicht zerschnitten werden dürfen, da sonst Kohlepartikel in die Wunde gelangen könnten. Aktivkohleverbände müssen noch zusätzlich fixiert werden.

Silberhaltige Wundauflagen Antibakteriell und nur wenig gewebetoxisch wirken Silberionen. Deshalb werden silberimprägnierte Wundauflagen zur Versorgung infizierter und stark bakteriell kontaminierter Wunden eingesetzt. Ein weiterer Vorteil ist die Hemmung der Geruchsbildung. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl verschiedener Auflagen, die mit Silberionen versetzt sind. Wichtig ist es, immer auf eine ausreichende Befeuchtung der Auflagen zu achten, da sich sonst auf der Wundoberfläche Silberbeläge niederschlagen können. Wie alle anderen Wundauflagen können sie bei einer größeren Sekretbildung zusätzlich noch mit einer Saugkompresse abgedeckt werden.

Folienverbände sind semipermeable Membranen, die einen Gasaustausch gewährleisten. Sie bestehen aus einem dünnen Polyurethanfilm und einer selbsthaftenden Klebeschicht. Da diese Verbände keine hydroaktive Wundauflage aufweisen gehören sie eigentlich nicht zu den interaktiven Systemen, obwohl auch sie ein feuchtes Klima unterstützen.

Folien werden zur Abdeckung oberflächlicher Wunden mit geringer Wundflüssigkeit oder zur Fixierung anderer Wundauflagen eingesetzt. Sie bieten der Wunde einen Schutz gegenüber Bakterien und verhindern das Austrocknen. Für infizierte Wunden eignen sie sich nicht. Die durchsichtigen Produkte ermöglichen jederzeit eine Wundkontrolle unabhängig vom Verbandwechsel und können bis zu einer Woche auf der Wunde verbleiben. Ihre Klebefläche haftet nur auf gesunder intakter Haut.

Fazit Wundversorgung ist sehr komplex. Ob akut oder chronisch, die Apotheke sollte ein Ort für eine kompetente Beratung sein. Die heutigen modernen interaktiven Wundtherapeutika bieten für jede Phase der Wundheilung – Reinigung, Granulation und Epithelisierung – angepasste Bedingungen. Dennoch sollte bei der Therapie von chronischen Wunden immer daran gedacht werden, auch die Ursache oder Grunderkrankung zu behandeln.

Eine kausale Herangehensweise ist die beste Vorraussetzung für einen erfolgreichen Heilungsverlauf. Für die Arbeit in der Apotheke gilt, hellhörig zu werden, wenn Risikopersonen, zum Beispiel Diabetiker, Wund- und Heilsalben kaufen wollen. Viele Patienten warten zu lange, bis sie professionelle Hilfe von Arzt oder Apotheker erfragen. Frühzeitige effektive Wundbehandlung kann Komplikationen und langwierige Heilungsprozesse vermeiden.

Zusatzinformationen
Die vollständige Tabelle zu interaktiven Wundauflagen finden Siehier.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 07/12 ab Seite 34.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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