© Jussi Pernaa / 123rf.com
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PTA-Fortbildung 06/14

HERPES: HEIMTÜCKISCHER SCHLÄFER

Schon Hippokrates kannte die Krankheit, die mit schmerzhaften Bläschen einhergeht. Am häufigsten macht sich der Lippenherpes unangenehm bemerkbar – für Betroffene auch psychisch eine Qual.

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Herpesviren treten weltweit auf und gehören zu der am meisten verbreiteten Virusfamilie. Von den weit über einhundert bekannten Herpesviren sind acht Typen für den Menschen infektiös: Herpes-simplex-Virus Typ 1 , Herpes-simplex- Virus Typ 2 (HSV 2), Varicella- Zoster-Virus (VZV), Zytomegalie- Virus (CMV), Humanherpes- Virus 6 und 7, Epstein- Barr-Virus (EBV) und Humanherpes- Virus 8.

Ein Leben lang im Körper Gemeinsame Eigenschaft der Herpesviren ist nach der Erstinfektion ihr „Verstecken“ im Körper. Dabei überdauern die Viren in einem inaktiven Stadium (Latenzstadium), ohne zu Beschwerden zu führen, um Wochen, Monate, Jahre oder gar Jahrzehnte später erneut aktiv und virulent zu werden. Dafür wandern sie von der Eintrittspforte über Nervenbahnen zu den -ganglien. Die Viren verharren dort symptomlos so lange ihr Wirt lebt.

Werden die schlafenden Viren – meist durch eine Belastung des Immunsystems – reaktiviert, vermehren sie sich explosionsartig und kriechen entlang der Nervenbahn wieder zurück an die Oberfläche und lösen je nach Virustyp äußerst unterschiedliche Erkrankungen aus. Auf diese schleichende Ausbreitung im Körper bezieht sich auch der Name Herpes, der vom griechischen Wort herpein = kriechen stammt.

Fast jeder hat sie Zu den verbreitesten Typen gehören die Herpes-simplex-Viren: Etwa 90 Prozent der Bevölkerung ist mit HSV 1 infiziert. Es löst typischerweise den Herpes labialis, den Lippenherpes aus. Die juckenden, mit Flüssigkeit gefüllten Bläschen können sich aber auch an anderen Stellen im Gesicht wie Augen, Nase oder Ohren ausbreiten. Zudem kann HSV 1 von der Lippe auf die Geschlechtsorgane übertragen werden und einen Herpes genitalis verursachen.

In der Mehrzahl der Fälle ist für diese Erkrankung, die sich mit einem schmerzhaften, nässenden Ausschlag im Genitalbereich, auf dem Gesäß oder im After zeigt, jedoch HSV 2 verantwortlich. Dieser Virustyp kann sich ebenso durch oro-genitalen Kontakt auf den Lippen manifestieren. Beim HSV 2 ist die Durchseuchung nicht ganz so groß: Nur 40 Prozent der Erwachsenen weisen das Virus auf.

Lippenherpes Die Erstinfektion eines Herpes labialis findet in der Regel bereits in den ersten Lebensjahren statt, verläuft meist symptomlos und wird somit nicht bemerkt. Selten äußert sich die Primärinfektion in Hautbläschen und Schwellungen oder auch als Mundfäule (Stomatitis aphthosa), bei der es zu einer sehr schmerzhaften und mit hohem Fieber einhergehenden Entzündung der Mundschleimhaut kommt.

Übertragen werden die Viren direkt durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion, wobei sie meist beim Schmusen mit den Eltern über die Schleimhautzellen des Mund-Rachen-Raumes in den kindlichen Organismus gelangen. Möglich ist auch eine indirekte Infektion durch die gemeinsame Benutzung von Besteck und Gläsern. HSV kann auch reaktiv sein, wenn der Überträger symptomlos ist. Das heißt, er überträgt die Viren, selbst wenn er die typischen Lippenbläschen nicht offensichtlich zur Schau trägt.

Wiederholte Rezidive Bevorzugt werden Bereiche am Übergang von Schleimhaut zu normaler Haut infiziert, sodass sich die Bläschen besonders am Übergang zum Lippenrot und in den Mundwinkeln präsentieren. Von der Eintrittspforte zieht sich das Virus nahe den Schläfen ins Trigeminusganglion zurück, dessen Nervenenden sich in der Mundregion befinden und wo es unbehelligt vom Immunsystem ein Leben lang in einem inaktiven Stadium verweilen kann.

Nur bei einem kleinen Teil der Betroffenen (20 bis 40 Prozent) bricht die Infektion wieder hervor. Allerdings weiß man nicht, warum einige der Infizierten von wiederholten Bläschenattacken verschont bleiben. Auch ist nicht vorhersehbar, wie schwer und wie häufig sich ein Rezidiv zeigt. Das Wiederaufflackern variiert individuell. Während einige der Betroffenen nur einmal mit einem erneuten Auftreten der Infektion zu kämpfen haben, werden bei anderen mehrmals im Monat Reaktivierungen ausgelöst. In der Regel nimmt die Rezidivrate mit zunehmendem Lebensalter ab.

Jederzeit reaktivierbar Sekundärinfektionen treten auf, wenn das Immunsystem geschwächt ist. Als typischer Auslöser, der das körpereigene Abwehrsystem belastet und Rezidive hervorrufen kann, gilt Stress. Stresshormone wie Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol lassen die virale Replikationsrate ansteigen. Zudem hemmen die Stresshormone die Aktivierung von Makrophagen und die Einwanderung natürlicher Killerzellen und damit die körpereigene Immunabwehr.

NEGATIVE EMOTIONEN
Auch wenn Komplikationen nicht die Regel sind, ist die psychische Belastung nicht zu unterschätzen. Betroffene erleben ihre Herpesepisode oftmals als äußerst bedrückend. Nicht die Schmerzen beeinträchtigen ihre Lebensqualität, vielmehr lösen die optischen Veränderungen Scham, Selbstekel und das Gefühl hervor, außerordentlich unattraktiv zu sein. Viele fühlen sich mit den Lippenbläschen so unansehnlich, dass sie die Blicke der Anderen auf die Läsionen nicht ertragen können. Manche sind derart verunsichert, dass eine soziale Isolation mit Rückzug aus dem Umfeld folgt. Sie können zudem in einen psycho-sozialen Teufelskreis geraten, bei dem der durch die Herpesbläschen ausgelöste Stress den Krankheitsverlauf unterhält.

Weitere Trigger sind körperliche Anstrengung, psychische Belastungen, negative Emotionen wie zum Beispiel Ekel, zudem Schlafmangel, intensive UV-Strahlung, extreme Temperatur- oder Hormonschwankungen (z. B. Menstruation), Traumata wie Operationen, Verletzungen oder Zahnarztbehandlungen oder Medikamente, die zur einer Immunsuppression führen. Auch fieberhafte Infektionskrankheiten sind wichtige Trigger, weshalb die Herpesbläschen auch Fieberbläschen genannt werden. Mit der Zeit identifizieren die meisten der Betroffenen ihre individuellen Auslösefaktoren.

Der typische Verlauf Die Infektion hat einen charakteristischen Verlauf, wobei Dauer und Schweregrad individuell unterschiedlich sind. Ein Rezidiv kündigt sich in der Regel mit einem Spannungsgefühl, Kribbeln und Jucken an. Die Lippenhaut ist in diesem als Promdromal- oder Erythemphase bezeichneten Krankheitsabschnitt zwar gerötet, aber völlig intakt. Nach etwa 24 Stunden blühen schmerzhafte Bläschen auf, die in Gruppen angeordnet sind. Nach dieser Papelphase füllen sich die Bläschen in der anschließenden Vesikelphase mit hoch infektiöser Flüssigkeit und schwellen an. Wenig später platzen sie in der Ulzerationsphase auf und verschmelzen.

Die dadurch entstehenden nässenden Wunden können sehr schmerzhaft sein und stellen eine gefährliche Infektionsquelle dar. In der folgenden bis zu sechs Tage andauernden Verkrustungsphase trocknen die Bläschen ein, was von starkem Juckreiz begleitet sein kann. Erst danach, wenn sich die Krusten in der letzten Phase, der Abheilungsphase, ablösen, lassen Rötungen und Schwellungen nach und die Läsionen heilen in der Regel ohne Narbenbildung ab.

Insgesamt dauert eine Lippenherpesepisode unbehandelt sieben bis zwölf Tage. In dieser Zeit hat das Immunsystem die Symptome bekämpft. Allerdings schafft es der Körper nicht, den Virus zu vernichten. Dieser zieht sich vielmehr nach der erfolgten Reaktivierung wieder in die Ganglien zurück, wo er auf die nächste Gelegenheit wartet, wieder aktiv zu werden.

Nicht immer harmlos Bläschen an den Lippen sind zwar sehr unangenehm und kosmetisch störend, aber in der Regel nicht gefährlich. Allerdings kann ein Lippenherpes bei einem extrem geschwächten Immunsystem (z. B. HIV-Erkrankte, Patienten, die eine Chemotherapie erhalten, Neugeborene, ältere multimorbide Menschen) sehr schwer verlaufen und teilweise lebensbedrohliche Komplikationen verursachen. Gefürchtet ist beispielsweise eine Augenbeteiligung (Herpes corneae) mit daraus resultierender Einschränkung des Sehvermögens oder eine Lungenbeteiligung (HSV-Pneumonie). Ebenso ist ein Befall der Gesichtsnerven riskant, der eine Lähmung (Facialparese) hervorruft.

»Eine kausale Therapie gegen Herpesviren gibt es nicht. Präparate können lediglich die Beschwerden lindern.«

Dringt das Herpesvirus über die Geruchsnerven ins zentrale Nervensystem ein, können eine Entzündung des Gehirns (Enzephalitis) oder der Hirnhaut (Meningitis) lebensgefährliche Folgen sein. Bei Neurodermitispatienten breiten sich die Herpesbläschen häufig auf der durch das Ekzem vorgeschädigten Haut aus und ziehen eine flächenhafte Hautinfektion (Ekzema herpeticatum) nach sich.

Viren bekämpfen Ein unkomplizierter Lippenherpes kann in der Regel mit lokalen Externa in Eigenregie behandelt werden. Allerdings sind die Arzneimittel lediglich in der Lage, die Vermehrung der Viren nach ihrer Reaktivierung zu reduzieren oder ihr Eindringen in die Wirtszellen zu unterbinden. Ihre vollständige Eliminierung aus dem Organismus ist nicht möglich. Bewährte Therapeutika lindern aber die Beschwerden und fördern den Heilungsprozess.

Es stehen verschiedene antivirale Wirkstoffe als Cremes oder Gele rezeptfrei zur Verfügung (z. B. Melissenextrakt, Aciclovir, Penciclovir, Docosan-1-ol, Zinksulfat). Zudem werden wirkstofffreie Herpespflaster mit dem Prinzip der feuchten Wundheilung angeboten. Sie sorgen in allen Phasen der Infektion für ein optimales Wundheilungsmilieu und können mit dekorativer Kosmetik überschminkt werden.

Von Hausmitteln wie Zahnpasta, Honig oder alkoholischen Lösungen ist abzuraten. Ihre Wirkung ist wissenschaftlich nicht belegt. Zudem können sie die Haut zusätzlich austrocknen oder reizen und sich damit unter Umständen negativ auf den Heilungsverlauf auswirken. Teebaumöl, das bei Lippenherpes angepriesen wird, birgt ein allergisches Potenzial und ist somit ebenfalls nicht empfehlenswert.

Replikation der Viren verhindern Klassiker unter den lokalen Herpesmitteln sind die synthetischen Nukleosidanaloga Aciclovir und Penciclovir. Während beim Einsatz von Ersterem keine Altersbeschränkung besteht, steht Pencilovir erst für Kinder ab zwölf Jahren zur Verfügung. Bei beiden Substanzen handelt es sich um Analoga der Nukleinbase Guanin. Sie dringen in die Herpesviren infizierten Zellen ein und werden nach Umbau in die Triphosphatform als falscher Baustein in den viralen DNAStrang eingebaut.

Folge ist eine Hemmung der DNA-Polymerasen, wodurch der Abbruch der Virusreplikation eingeleitet wird. Damit verkürzen sie nachweislich den Krankheitsverlauf und lindern die Symptome. Vorteil der Nukleosidanaloga ist, dass sie noch wirksam sind, wenn das Virus bereits in die Wirtszelle eingedrungen ist. Andererseits sind sie jedoch nicht in der Lage, den Eintritt der Viren in die Wirtszelle zu verhindern.

Daher sollte der Betroffene die Präparate möglichst gleich zu Beginn der Beschwerden – solange sich die Viren noch vermehren – regelmäßig (Aciclovir fünf Mal täglich, Penciclovir alle zwei Stunden) auftragen. Denn je früher Nukleosidanaloga zur Anwendung kommen, desto weniger Viren können sich bilden. Die Wirkstoffe sollen auch noch später helfen.

So liegen für Penciclovir Belege zur Wirksamkeit in der hoch ansteckenden Bläschenphase vor. Das Mittel steht zudem als gefärbte Creme zur Verfügung, mit der die Läsionen an der Lippe unauffällig kaschiert werden können. Von Nachteil ist eine potenzielle Resistenzbildung gegen die beiden Nukleosidanaloga, wobei es bislang beim Lippenherpes bei immunkompetenten Betroffenen noch nicht zu Problemen gekommen ist.

Vor Virusbefall schützen Eine Alternative ohne Resistenzproblematik ist ein Melissenextrakt, der zwei bis vier Mal täglich appliziert wird. Die darin enthaltenen polymeren glykosidischen Phenolcarbonsäuren erschweren über eine Rezepterblockade den Eintritt der Herpesviren in die Wirtszelle. Die Viren werden am Andocken an die Zellwand und damit am Eindringen in die Zellen gehindert, sodass sie sich nicht mehr vermehren können.

IMMER ZUM ARZT
Bei Verdacht auf einen Genitalherpes sollten Betroffene immer an den Arzt weitergeleitet werden. Dieser wird rezeptpflichtige orale Virustatika verordnen, die am besten helfen, wenn sie innerhalb der ersten 48 Stunden nach Auftreten der ersten Symptome zu Einsatz kommen. Bewährte Wirkstoffe sind Aciclovir, Valaciclovir oder Famciclovir, die mehrmals täglich eingenommen
werden. Gute Zusatzempfehlungen zur Linderung der schmerzhaften Beschwerden sind Sitzbäder mit jodhaltigen Lösungen oder Eichenrindenextrakt.

Aufgrund seines Wirkmechanismus muss das pflanzliche Präparat gleich beim ersten Spannungsgefühl aufgetragen werden. Sind die Erreger erst in die Zelle gelangt, kann es nicht mehr effektiv helfen. Vorteil des pflanzlichen Präparates ist sein Einsatz in Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern ab einem Jahr. Auch Produkte mit Zinksulfat sollen ein Eindringen der Viren in die Zellen verhindern. Seit Kurzem steht ein Lippenpflegestift mit Melissenextrakt und hohem UV-Filter zuer Verfügung, der speziell für Menschen entwickelt wurde, die immer wieder an Herpes leiden. Ein Zusatz von Heparin steigert den virustatischen Effekt. Die Präparate sind bei Kindern ab sechs Jahren einsetzbar.

Ebenso muss Docosanol, ein langkettiger gesättigter aliphatischer Alkohol, frühzeitig aufgetragen werden. Als natürlicher Bestandteil menschlicher Zellmembranen lagert sich der Wirkstoff in die Zellmembranen der Hautzellen ein. Dadurch werden die Zellen widerstandsfähiger und für die HSV undurchdringlich. Es gelingt ihnen nicht mehr, sich und ihr Erbmaterial in die Zellen einzuschleusen. Eine Vermehrung des Virus wird damit unterbunden.

Wird der Wirkstoff fünf Mal täglich aufgetragen, ist er in der Lage, den Krankheitsverlauf zu verkürzen und Symptome wie Schmerzen, Juckreiz und Brennen effektiv zu lindern. Das Präparat ist gut verträglich und für die Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit sowie für Kinder ab zwölf Jahren geeignet.

Genitalherpes Er ist kein Fall für die Selbstmedikation und muss immer systemisch behandelt werden. Typischerweise ist HSV 2 der Auslöser, der beim Geschlechtsverkehr übertragen wird. Aber auch HSV 1 kann verantwortlich sein, wenn er in die Genitalregion gelangt. Eine Infektion erfolgt meist ab der Pubertät, also mit Beginn der sexuellen Aktivität.

Im Gegensatz zum Lippenherpes verläuft die Primärinfektion beim Genitalherpes meist schwer, insbesondere, wenn der Betroffene noch keinen Lippenherpes hatte und dem Organismus somit kein HSV bekannt ist. Es bilden sich gruppiert angeordnete, sehr schmerzhafte, teilweise nässende Bläschen, die mit Lymphdrüsenschwellungen, Kopf- und Muskelschmerzen sowie Fieber einhergehen können und erst nach zwei bis drei Wochen abheilen. Schmerzen beim Wasserlassen und beim Geschlechtsverkehr sowie ein glasiger Ausfluss sind zudem typische Begleiterscheinungen.

Häufiges Wiederaufflammen Genitalherpes neigt zu Rezidiven, sogar häufiger als die Variante an den Lippen. Auch hier spielt ein geschwächtes Immunsystem eine große Rolle und vielfältige Auslöser veranlassen, dass die HSV 2 aus ihrem Ruhestadium in den Ganglien des Rückenmarks (bevorzugt in den Knotenpunkten im Bereich der Lendenregion und des Kreuzbeins) erwachen und entlang der Nervenzellen wieder zur Hautoberfläche wandern.

Durchschnittlich leiden Betroffene unter fünf bis sechs Sekundärinfektionen im Jahr, die allerdings zunehmend schwächer und kürzer verlaufen. Erste Vorboten sind ein unangenehmes Gefühl im Genitalbereich sowie ein schmerzhaftes Jucken, Kribbeln oder Brennen. Möglich ist auch ein asymptomatischer Verlauf, bei dem die Viren ohne sicht- und fühlbare Beschwerden ausgeschieden und weitergegeben werden.

Schwere Verläufe möglichHSV 2 kann durch analen oder oralen Geschlechtsverkehr von den Genitalien zudem in den Enddarm oder an die Lippen und die Rachenschleimhaut weitergegeben werden und dort Herpesbläschen blühen lassen. Auch greifen die Viren andere Hautareale an, beispielsweise Hauttraumata wie Tätowierungen. Zudem kann sich HSV 2 als Meningitis manifestieren, im ungünstigen Fall sogar mit chronischem Verlauf.

BESONDERS ÄLTERE BETROFFEN
Der VZV kann in jedem Lebensalter reaktiviert werden und sich als Gürtelrose manifestieren. Die Häufigkeit steigt aber ab dem fünften Lebensjahrzehnt an, was mit der mit zunehmendem Alter sinkenden Abwehrkraft korreliert. So haben weniger als ein Prozent der Bevölkerung unter 50 Jahren einen Zoster erlitten, bei Personen über 85 Jahren ist es hingegen jeder Zweite. Nach einer durchgemachten Zosterinfektion besteht in der Regel Immunität, sodass die Erkrankung meist nur ein Mal im Leben auftritt. Allerdings können Menschen mit einem geschwächten Immunsystem auch öfters eine Episode erleben.

Besondere Vorsicht ist in der Schwangerschaft geboten, da das Virus in dieser Zeit auf das Ungeborene übergehen und dessen Haut, Schleimhäute und innere Organe stark in Mitleidenschaft ziehen kann. In circa 50 Prozent der Fälle löst eine Erstinfektion mit Herpes genitalis während der Schwangerschaft eine Fehlgeburt aus. Zudem ist das Virus während der Geburt gefährlich. Leidet die Frau gerade zu diesem Zeitpunkt an einer genitalen Herpeserkrankung, kann das Virus das Neugeborene anstecken (Herpes neonatorum), sich im ganzen Körper ausbreiten (Herpessepsis) und eine Gehirnentzündung verursachen.

Erst Windpocken …Das Varicella-Zoster-Virus (VZV) ist auch ein Virus aus der Herpesfamilie. Es wird durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion übertragen, manifestiert sich bei Erstkontakt als Windpocken und ist hoch ansteckend. Fast jeder Kontakt zwischen einer ungeschützten Person und einem an Windpocken Erkrankten führt zu einer Ansteckung. Die Übertragung kann selbst über einen großen Abstand aerogen, das heißt durch den „Wind“ erfolgen, woher auch die Bezeichnung rührt.

Da die meisten schon in jungen Jahren eine Varizelleninfektion durchmachen, zählt die Erkrankung zu den klassischen Kinderkrankheiten. Bei 90 Prozent aller Erwachsenen lassen sich Antikörper gegen das Virus nachweisen. Typischerweise beginnen die Windpocken mit Fieber und Abgeschlagenheit. Bei 30 Prozent verläuft die Varicella- Zoster-Infektion allerdings symptomlos. Nach einem erkältungsähnlichen Vorstadium zeigt sich ein stark juckender Hautausschlag, der sich von Kopf und Rumpf über den ganzen Körper ausbreitet und auch Schleimhäute, Genitalien und Kopfhaut befallen kann.

Auf gerötetem Grund bilden sich hochinfektiöse flüssigkeitsgefüllte Bläschen, die später aufplatzen und zu Krusten eintrocknen. Da alle Stadien des Hautausschlages typischerweise zeitgleich auftreten, spricht man von einem Sternenhimmel. Die Bläschen heilen meistens nach drei bis fünf Tagen ab. Nach circa zwei Wochen fallen die Krusten ab. Dann ist die Erkrankung nicht mehr ansteckend. Durch starkes Kratzen oder eine bakterielle Infektion der Haut können Narben zurückbleiben.

Schwere Verläufe sind hauptsächlich bei Neugeborenen oder Menschen mit geschwächter Immunabwehr zu erwarten. Mögliche Komplikationen sind neben bakteriellen Superinfektionen vor allem Lungenentzündungen, die bei ungefähr jedem fünften Erwachsenen auftreten und schwer verlaufen können. Seltener kommt es zu einer Beteiligung des zentralen Nervensystems (z. B. Enzephalitis, Meningitis).

Die STIKO empfiehlt gegen Windpocken zu impfen, weil sie mit einer hohen Komplikationsrate behaftet sind. Zudem ist das VZV in der Schwangerschaft gefährlich, da es schwere Missbildungen, Augenschäden und neurologische Erkrankungen beim Embryo oder Feten bewirken kann. Wird das Virus während der Geburt übertragen, können Neugeborene eine lebensbedrohliche generalisierte Varizelleninfektion bekommen. Windpocken werden symptomatisch behandelt. Lotionen wie Lotio alba mit Lokalanästhetika wie Polidocanol kombiniert, Antihistaminika und Analgetika lindern Juckreiz, Schmerz und eventuell bestehendes Fieber.

… dann Gürtelrose Nach einer abgeklungenen Windpockenerkrankung zieht sich das VZV zumeist in das Dorsalganglion zurück, wo es viele Jahre oder gar Jahrzehnte vom Immunsystem unerkannt schlummert. Bei einer Abwehrschwäche wird das Virus reaktiviert und löst die Zweitinfektion der Windpocken aus. Sie wird Gürtelrose, Herpes zoster oder nur Zoster genannt. Man geht davon aus, dass 20 Prozent der Bevölkerung ein Mal im Leben an einer Gürtelrose erkranken.

Dabei zeigt sich, wie der Name andeutet, ein gürtelförmiger Hautausschlag, der in der Regel auf eine Körperhälfte beschränkt bleibt. Die Effloreszenzen treten meist am Rumpf oder im Gesicht auf, selten an den Extremitäten. Erste Anzeichen einer Gürtelrose ist ein allgemeines Krankheitsgefühl und Abgeschlagenheit, manchmal tritt leichtes Fieber hinzu. Wenig später verspüren die Betroffenen brennende Schmerzen im Versorgungsgebiet des befallenen Nervs, der auf die Reizung der Nervenbahn zurückzuführen ist.

VERMEHRT BEI IMMUNSCHWÄCHE
Das Zytomegalievirus (CMV) stellt in der Regel nur für Abwehrgeschwächte und Ungeborene eine Gefahr dar. Eine Erstinfektion kann in der Schwangerschaft schwere Fehlbildungen des Feten oder eine Fehlgeburt auslösen. Risikopatienten wie HIV-Erkrankte oder Organtransplantierte müssen mit einer schweren Entzündung der Netzhaut, des ZNS, der Leber oder der Lunge rechnen. Erwachsene mit intaktem Immunsystem eliminieren hingegen das Virus ohne schwer zu erkranken oder die Infektion überhaupt zu bemerken. Auch Infektionen mit dem Human-herpes-Virus 8 (HHV 8) tritt meist bei Personen mit einer Immunschwäche auf. Bekannt geworden ist besonders das Kaposi-Sarkom bei HIV-Patienten.

Schließlich schwillt die Haut in dem betroffenen Areal an und rötet sich. Es folgen kleine, mit seröser Flüssigkeit gefüllte Bläschen, die in Gruppen angeordnet sind. Wie bei den Windpocken platzen die Bläschen einige Tage später auf, trocknen ein und verkrusten. Nach spätestens drei bis vier Wochen fallen die Krusten ohne Narben zu hinterlassen ab. Rote Flecken bleiben noch einige Monate sichtbar.

Da eine Gürtelrose nur über eine Schmierinfektion weitergegeben werden kann, ist sie deutlich weniger infektiös als Windpocken. Personen mit Immunschwäche sowie Schwangere, die noch keinen Kontakt mit VZV hatten, sollten den Kontakt mit infizierten Personen dennoch unbedingt meiden, um nicht an Windpocken zu erkranken. In der Schwangerschaft kann eine Infektion zu Missbildungen des Kindes beziehungsweise lebensbedrohlichen Komplikationen führen.

Problem: Postzosterschmerzen Bei einem Teil der Betroffenen können die Schmerzen noch lange nach Abheilen des Hautausschlages fortbestehen. Mit dem Alter steigt das Risiko für eine postzosterische Neuralgie an, welche die eigentliche Schwierigkeit einer VZV-Infektion darstellt. Plötzlich einschießende Schmerzattacken ohne entsprechenden Reiz oder eine Überempfindlichkeit gegenüber leichtesten Berührungen können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.

Weitere Komplikation ist ein Zoster ophthalmicus, bei dem das Virus in Gehirnganglien überdauert hat und bei Reaktivierung das Auge befällt und zu bleibenden Sehstörungen führen kann. Ein Hörverlust oder eine Gesichtslähmung können Folge eins Befalls im Bereich der Ohren sein (Zoster oticus).

Zügig handeln Um Komplikationen zu vermeiden, wird heute in der Regel bei Personen unter 50 Jahren umgehend nach Ausbruch der Hautsymptome (spätestens nach 72 Stunden) eine Behandlung mit oralen Virustatika eingeleitet. Zudem wird ein Befall am Kopf oder Halsbereich oder ein schwerer Zoster an Stamm oder Extremitäten systemisch behandelt. Dafür stehen vier Nukleosidanaloga zur Verfügung, die von ihrer Wirkung nahezu gleichwertig einzustufen sind.

Während Aciclovir fünf Mal am Tag eingenommen werden muss, erfordern Valaciclovir und Famciclovir nur eine drei Mal tägliche und Biruvidin eine einmalige Gabe am Tag. Tritt dennoch eine postzosterische Neuralgie auf, kommen neben Analgetika (zum Teil Opioide), Antiepileptika wie Carbamazepin oder Antidepressiva wie Amitriptylin zum Einsatz.

Pfeiffersches Drüsenfieber Die infektiöse Mononucleose ist eine durch das Epstein-Barr-Virus (EBV) verursachte Rachenentzündung, die vorwiegend Kinder und Jugendliche trifft. Sie wird über den Speichel übertragen, weshalb sie auch als Kusskrankheit bezeichnet wird. Während bei Kleinkindern die Infektion häufig asymptomatisch verläuft oder nur Symptome einer leichten Erkältung auftreten, zeigen Jugendliche und junge Erwachsene in der Regel deutlichere Anzeichen.

Es kommt zu einer starken Schwellung der Lymphknoten im Halsbereich und die Betroffenen fühlen sich meist schwer krank. Auch Komplikationen sind nicht selten (z. B. bakterielle Superinfektion, Erschöpfungszustände, Leberoder Milzschwellung). Die Infektion kann sich über Wochen hinziehen, da nur eine symptomatische Behandlung mit desinfizierenden Lutschtabletten, Analgetika oder Halswickel möglich ist. Nach einer Infektion verbleibt der Erreger – wie alle Herpesviren – lebenslang latent in den B-Lymphozyten. Wird er reaktiviert, wird der Betroffene wieder infektiös.

Dreitagefieber Auch dieses wird durch Herpesviren verursacht, und zwar durch die humanen Herpesviren (HHV) Typ 6 und 7, wobei in Europa der Subtyp HHV 6B die Erkrankung auslöst. Es wird durch Tröpfcheninfektion hauptsächlich auf Kinder zwischen sechs Monaten und drei Jahren übertragen. Das Dreitagefieber beginnt mit einem plötzlich einsetzendem hohen Fieber von 39 bis 40 °C, das drei bis vier Tage lang anhält. Danach fällt es abrupt ab und es erscheint ein kleinfleckiger, blassroter Hautausschlag, der den ganzen Körper überzieht und nach ein bis zwei Tagen wieder verschwindet.

Seltene Komplikation sind Fieberkrämpfe. Einzige therapeutische Maßnahme besteht in der symptomatischen Linderung des Fiebers. Auch HHV6 persistiert nach überstandener Infektion im Körper und kann reaktiviert werden. Gesunde Menschen zeigen zwar keine Symptome, sind aber über ihren Speichel ansteckend.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/14 ab Seite 34.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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