PKA-Fortbildung 09-10/11

HILFE – HILFSMITTEL

„Viel Aufwand, kaum Gewinn“ – um ein Abwandern der Kundschaft zu verhindern, sollte die Hilfsmittelversorgung dennoch ein wichtiger Geschäftsbereich bleiben.

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Die Bestimmungen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes und des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) haben in der Hilfsmittelversorgung ihrer Versicherten für Leistungserbringer wie die Apotheke zu verschiedenen Neuerungen geführt.

Apotheken müssen eine im Vergleich mit der Vergangenheit komplexere Vertragssituation bewältigen. Dabei stehen höhere qualitative Anforderungen einer Nivellierung des Vergütungssystems gegenüber: Der allgemeine Kostendruck der Krankenkassen sowie die neuen gesetzlichen Vorgaben führen letztendlich zu einer vertraglichen Gleichbehandlung aller Leistungserbringer. Zur Versorgung sind lediglich die Apotheken berechtigt, die ein Vertragsverhältnis mit den jeweiligen Gesetzlichen Krankenkassen eingegangen sind. Kommt ein GKV-Versicherter mit einer Verordnung über ein Hilfsmittel in die Apotheke, stellt sich somit als erstes die Frage: Darf die Apotheke dieses Hilfsmittel beliefern?

Grundsätzliches In der offiziellen Definition sind Hilfsmittel sächliche medizinische Leistungen, die den Erfolg einer Heilbehandlung sichern, die Folgen von Gesundheitsschäden ausgleichen. Die für die GKV grundsätzlich leistungspflichtigen Hilfsmittel sind im „Hilfsmittelverzeichnis der GKV“ definiert (entsprechend § 139 SGB V) und als Einzelprodukte auf Herstellerantrag gelistet. Im diesem Hilfsmittelverzeichnis der GKV sind folgende (Produkt-) Gruppen aufgeführt:

Absauggeräte, Adaptionshilfen, Applikationshilfen, Badehilfen, Bandagen, Bestrahlungsgeräte, Blindenhilfsmittel, Einlagen, Elektrostimulationsgeräte, Gehhilfen, Hilfsmittel gegen Dekubitus, bei Tracheostoma, Hörhilfen, Inhalations- und Atemtherapiegeräte, Inkontinenzhilfen, Kommunikationshilfen, Hilfsmittel zur Kompressionstherapie, Krankenfahrzeuge, Krankenpflegeartikel, Lagerungshilfen, Messgeräte für Körperzustände/-funktionen, Mobilitätshilfen, Orthesen/Schienen, Prothesen, Sehhilfen, Sitzhilfen, Sprechhilfen, Stehhilfen, Stomaartikel, Schuhe, Therapeutische Bewegungsgeräte, Toilettenhilfen, Pflegehilfsmittel zur Erleichterung der Pflege, Pflegehilfsmittel zur Körperpflege/Hygiene, Pflegehilfsmittel zur selbständigeren Lebensführung/Mobilität, Pflegehilfsmittel zur Linderung von Beschwerden, zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel, sonstige Pflegehilfsmittel sowie „Verschiedenes“.

Verbandsstoffe, Medizinprodukte mit Arzneimittelcharakter oder Harn- und Blutteststreifen stehen interessanterweise nicht in dieser Hilfsmittelliste. Die meisten Belieferungs- und Abrechnungsfragen stellen Apotheken immer wieder zu Kompressionsstrümpfen, Inkontinenzprodukten, Krankenunterlagen, Inhalationsgeräten und Milchpumpen.

Fakt ist: Jedes Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis der GKV hat eine eindeutige Identifikationsnummer. Diese vierteilige, siebenziffrige Positionsnummer setzt sich aus von links nach rechts aus Produktgruppe (zwei Ziffern), Anwendungsort (zwei Ziffern), Untergruppe (zwei Ziffern), Bezeichnung der Produktart (eine Ziffer) zusammen. Die einzelnen Gruppen werden durch Punkte getrennt. Eine eventuell genaue Bezeichnung des Einzelproduktes kann durch weitere drei Ziffern ergänzt werden.

Anforderungen ans Rezept Hilfsmittelverordnungen sind für gesetzliche Krankenkassen 28 Tage nach Ausstellung gültig. Stellt der Arzt ein Mischrezept aus, verordnet er auf einem Formblatt also gleichzeitig Arznei- und Hilfsmittel, dürfen die Hilfsmittel nicht abgerechnet werden. Auch muss auf dem ärztlichen Verordnungsblatt mit Hilfsmittelverschreibung die Diagnose angegeben sein. Fehlt diese, besteht kein Zahlungsanspruch gegenüber der Krankenkasse. Gleiches gilt für die Empfangsbestätigung.

Der Empfang des Hilfsmittels ist durch den Versicherten oder seinen Empfangsberechtigten auf der Rückseite des Rezeptes zu bestätigen. Sofern dies nicht möglich ist, kann auch eine gesonderte Empfangserklärung ausgestellt werden.

Kostenvoranschläge Für einige Hilfsmittelgruppen gelten bundesweit einheitliche Festbeträge. Das sind von den gesetzlichen Krankenkassen (Spitzenverband Bund der Krankenkassen) festgelegte Obergrenzen für die Kostenübernahme. Einlagen, Hörhilfen, Inkontinenzhilfen, Hilfsmittel zur Kompressionstherapie, Sehhilfen und Stomaartikel gehören hierzu. Der Festbetrag versteht sich hierbei als Bruttobetrag, also inklusive gesetzlicher Mehrwertsteuer und umfasst sämtliche Kosten, die im Zusammenhang mit der Abgabe der Produkte entstehen (z. B. die Materialkosten, das Maßnehmen, die Einweisung in der Handhabung der Produkte, Nacharbeiten und andere Dienstleistungen).

Im Übrigen gilt der Vertragspreis, also der im Hilfsmittelliefervertrag mit der jeweiligen Krankenkasse vereinbarte Preis. Existiert dieser nicht, muss in der Regel ein Kostenvoranschlag gestellt werden – elektronisch oder auf herkömmlichem Weg mit amtlichem Formular, eventuell per Fax akzeptiert. Für Primärkassen kann hierzu ein Pauschalaufschlag von 10 Prozent plus Mehrwertsteuer (MWSt) zugrunde gelegt werden, bei Ersatzkassen (VdEK) 20 Prozent plus MWSt, wobei erst ab einem Zeilenwert von 50 Euro Apothekenverkaufspreis (AVK) ohne MWSt ein Kostenvoranschlag notwendig wird.

Bei Preisen ab 250 Euro pro Hilfsmittel AVK ohne MWSt verlangt die VdEK immer einen Kostenvoranschlag, bei den Primärkassen liegt die Grenze eher darunter. Auch gibt es Produkte, die nur genehmigungspflichtig bei Pflegeheimbewohnern sind. Produktgruppen, die vom jeweiligen Vertrag nicht erfasst beziehungsweise in dem Leistungs- und Preisverzeichnis nach § 127 SGB V nicht enthalten sind, bedürfen immer der Genehmigungspflicht. Bei den Primärkassen sind die vertraglichen Regelungen von Bundesland zu Bundesland durchaus unterschiedlich. Bei den Ersatzkassen besteht eine bundesweite Vertragsgültigkeit *.

HILFESTELLUNG
Diese bieten Apothekerverbände an, manche Rechenzentren und Apothekenkooperationen sogar das Dienstleistungsangebot „Hilfsmittelmanagement”. Sie überprüfen für die anfragende Apotheke auf Grundlage regionaler oder überregionaler Verträge, ob eine Belieferung möglich ist, die Notwendigkeit eines Genehmigungsverfahrens besteht, leiten herkömmliche und die immer häufiger geforderten elektronischen Kostenvoranschläge im Auftrag der Apotheke an die jeweilige Krankenkasse weiter. Weitere Serviceleistungen sind vielfach die Möglichkeit Hilfsmittelretaxierungen überprüfen zu lassen und auf Wunsch der Apotheke weiter zu bearbeiten sowie die Kommunikation mit den Krankenkassen, was Beitritt zu Verträgen, Fragen zum Vertragsabschluss angeht, zu übernehmen.

Zuzahlung & Co. Hilfsmittel sind grundsätzlich zuzahlungspflichtig mit zehn Prozent des Preises, mindestens fünf Euro, maximal zehn Euro, allerdings nicht mehr als das Hilfsmittel tatsächlich kostet. Sonderregelungen gelten für zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel. Bei Leihgebühren wird die Zuzahlung nur einmal für den gesamten Versorgungszeitraum fällig, auch bei Folgeverordnungen. Ausnahmen existieren: So sind beispielsweise Milchpumpen zum Wohl des Kindes zuzahlungsfrei.

Besteht laut Vertrag die Möglichkeit von Belieferungen auf Quartalsverordnungen, wird der Kunde jeweils monatlich mit dem Bedarf versorgt, jeden Monat die Zuzahlung eingezogen, jeden Monat die Empfangsbestätigung eingeholt. Abgerechnet wird die erste Versorgung mit dem Originalrezept, der zweite und dritte Monat jeweils mit einer Kopie dieses Originalrezeptes.

Für die Abrechnung gilt ferner: Wenn vorhanden, ist die Pharmazentralnummer (PZN) des Hilfsmittels aufzudrucken. Fehlt eine PZN, ist die meist zehnziffrige Hilfsmittelnummer des Hilfsmittelverzeichnisses zu verwenden. Sind weder PZN noch diese Hilfsmittelnummer vorhanden, wird von den Krankenkassen eine Pseudo-Hilfsmittelnummer vergeben. Um Nulltaxationen zu vermeiden, ist es hier auch empfehlenswert Hersteller und Einkaufspreis anzugeben. Das früher verwendete Sonderkennzeichen 9999028 wird von den Krankenkassen nicht mehr akzeptiert.*

Neu: Die Präqualifizierung Wollte eine Apotheke vor dem 31. Dezember 2010 eine Zulassung zur Abgabe von Hilfsmitteln erhalten, musste sie stets eine individuelle Prüfung durch die Krankenkassen durchlaufen. Noch laufen zahlreiche dieser alten Hilfsmittelverträge mit den Krankenkassen ohne eine einheitliche „Eintrittskarte zur Hilfsmittelversorgung“, die Präqualifizierung.

Apotheken, die sich jedoch an neuen Hilfsmittelverträgen beteiligen, müssen sich seit Anfang 2011 – wie alle anderen möglichen Leistungserbringer auf diesem Gebiet – präqualifizieren. Präqualifizierung bedeutet, dass die Apotheke ihre Eignung zur Hilfsmittelversorgung für Verträge mit Krankenkassen noch einmal nachweisen müssen. Das Prozedere ist im Sozialgesetzbuch festgeschrieben (§ 126 Abs. 1a Satz 3 SGB V). So ist für viele Versorgungsbereiche die Approbation als fachliche Qualifikation mehr als ausreichend.

In bestimmten Versorgungsbereichen ist aber ein Notdienst zu organisieren, bei Verleih von Milchpumpen müssen Prozesse beschrieben werden, wie die Geräte ausgegeben, zurückgenommen und gereinigt werden, bei Kompressionsstrümpfen muss sich der Patient in einem abgetrennten Bereich hinsetzen und die Strümpfe unbeobachtet anprobieren können.

Nach einem positiven Bescheid der Präqualifizierungsstelle erhält die Apotheke eine Bestätigung, die für fünf Jahre gilt und von allen Krankenkassen anzuerkennen ist. Nur mit dieser Präqualifizierungsbestätigung können neue Lieferverträge mit Krankenkassen geschlossen werden.

Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/11 ab Seite 80.

* Alle Abrechnungsangaben ohne Gewähr. Die Kostenübernahmen sind je Kostenträger unterschiedlich und laufend Änderungen unterworfen.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin, Journalistin

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