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Kolumne | Holger Schulze

TELEPATHIE FÜR ALLE?

Die Fähigkeit zur Gedankenübertragung von Mensch zu Mensch konnte wissenschaftlich nie nachgewiesen werden. Aber könnte Telepathie technisch realisierbar sein?

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Kennen Sie das auch? Sie sitzen im Zirkus und ein Wahrsager ist gerade dabei, Ihnen auf den Kopf zu zu sagen, an welche Zahl sie gerade denken? Und vermutlich hat er mit seiner Antwort sogar recht und begeistert damit das Publikum. Handelt es sich hierbei nun tatsächlich um telepathische Gedankenübertragung, die die übersinnlichen Fähigkeiten des Zauberers belegt? Nun, höchstwahrscheinlich ist dies nicht der Fall, was dem Unterhaltungswert der Show freilich keinen Abbruch tut. Tatsächlich aber sind die unzähligen Studien, in denen versucht worden ist, Telepathie wissenschaftlich sauber nachzuweisen, noch niemals erfolgreich gewesen. Telepathie, also die direkte Gedankenübertragung zwischen Gehirnen zum Zwecke der Kommunikation, bleibt damit eine unerfüllte Wunschvorstellung der Parapsychologen.

Neuere Studien lassen allerdings vermehrt die Hoffnung aufkommen, dass eine solche Gedankenübertragung mittels technischer Hilfsmittel, den sogenannten Brain-to-Brain Interfaces (BBI, zu Deutsch: Hirn-zu-Hirn Schnittstelle), doch realisierbar sein könnte. Die Grundidee ist dabei ziemlich simpel: Das BBI misst auf der einen Seite die Hirnaktivität eines Individuums und übersetzt diese dann in ein Muster, mit dem das Gehirn eines anderen Individuums stimuliert wird. Die Fähigkeit zur Gedankenübertragung von Mensch zu Mensch konnte wissenschaftlich nie nachgewiesen werden. Aber könnte Telepathie technisch realisierbar sein? »Ist Gedankenübertragung technisch realisierbar?« danken des einen Gehirns könnten so direkt in ein anderes übertragen werden.

Wenngleich dieser Ansatz zunächst einfach erscheint, ist seine Umsetzung technisch freilich äußerst anspruchsvoll. Zunächst einmal muss die Hirnaktivität möglichst detailreich gemessen werden, und noch schwieriger stellt sich die gezielte und vor allem sinnvolle Stimulation des anderen Hirns dar. Dennoch sind erste Ansätze in diese Richtung bereits im Tiermodell gelungen: So wurde etwa bei Ratten mittels implantierter Elektroden die Hirnaktivität während einer Lernaufgabe gemessen, bei der die Tiere eine Taste drücken mussten, wenn eine entsprechende Lampe aufleuchtete, um eine Belohnung zu bekommen. Die gemessenen Aktivitätsmuster dienten dann dazu, das Hirn einer zweiten Ratte zu stimulieren, die damit tatsächlich in der Lage war, ebenfalls die richtige Taste zu drücken, ohne die Lampe selbst gesehen zu haben.

Am Menschen konnte bereits mittels EEG-Messung bei Person 1, die einen Bildschirm sieht und Magnetstimulation des Gehirns von Person 2, die einen Joystick bewegt, ein Computerspiel gesteuert werden. Werden wir also bald Helme kaufen können, die uns echte Gedankenübertragung ermöglichen? Wohl kaum, denn alle Gehirne sind durch die unterschiedlichen Erfahrungen während ihrer Entwicklung so individuell, dass ein Aktivierungsmuster eines Gehirns in einem anderen Gehirn zunächst einmal gar nichts bedeuten würde. Um die richtige Übersetzung zu finden, müsste man beide Gehirne extrem gut kennen. Dies ist technisch genauso Science Fiction wie die nötige hochaufgelöste Stimulation. Aber für die Steuerung zum Beispiel von Prothesen reichen die neuen Techniken bereits aus, und das ist doch schon was – finden Sie nicht auch?

ZUR PERSON

Prof. Dr. Schulze
Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de

Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg sowie auswärtiges wissenschaftliches MItglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg. Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens.

www.schulze-holger.de

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/17 auf Seite 12.

Prof. Dr. Holger Schulze

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