Pockenvirus auf schwarzem Hintergrund© gaetan stoffel / iStock / Getty Images Plus
Mit Tecovirimat wurde nun ein Wirkstoff gegen Pocken in Europa zugelassen.

Tecovirimat

ARZNEIMITTEL GEGEN POCKEN NUN AUCH IN EUROPA ZUGELASSEN

Gut, dass es sie praktisch nicht mehr gibt: die Pocken. Falls jedoch jemand auf die Idee kommen sollte, die häufig tödlich verlaufende Infektionskrankheit als biologische Waffe einzusetzen, gibt es nun ein Medikament dagegen: Tecovirimat heißt der Wirkstoff.

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Die Pocken, auch Blattern genannt, begleiten die Menschheit schon lange; die erste handschriftliche Überlieferung gab es am Ende des neunten Jahrhunderts. Durch die Jahrhunderte irrlichterte die hochinfektiöse und mit einer Letalität von zirka 30 Prozent potenziell tödliche Erkrankung über alle Kontinente, bis schließlich der englische Landarzt Joseph Lister entdeckte, dass ein Impfen mit den Kuhpocken den Menschen vor einer Erkrankung mit den echten Blattern schützte. Da Kuh auf lateinisch „vacca“ heißt, bekam der Impfstoff den Namen Vakzin und der Vorgang hieß von nun an Vakzination.

Heute sind die Pocken offiziell ausgestorben. Am 26. Oktober 1979 erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO den Globus für pockenfrei. Nur in Hochsicherheitslaboren, deren Lage geheim ist, hat man das Orthopoxvirus eingelagert, zu Studienzwecken. 

Tecovirimat SIGA 

Damit niemand auf dumme Gedanken kommt, hat die amerikanische Firma SIGA Technologies, die auf die Entwicklung von Medikamenten gegen chemische, biologische und atomare Kampfstoffe sowie neue Infektionskrankheiten spezialisiert ist, einen neuen Wirkstoff entwickelt. Er hemmt die Aktivität des peripheren Membranproteins von Orthopoxviren, das diese für die Bildung der Virushülle und Virusfreisetzung aus der Wirtszelle benötigen. 

Unter dem Namen Tpoxx® ist der Wirkstoff bereits seit 2018 in den USA zugelassen, in Europa trägt das Arzneimittel in Kapselform künftig den Namen „Tecovirimat SIGA“. Da die EU-Kommission es nun zugelassen hat, darf es bei einer Infektion mit Pocken, Affenpocken oder Kuhpocken bei Erwachsenen und Kindern, die mindestens 13 Kilogramm (kg) wiegen, eingesetzt werden. Zudem ist das Mittel indiziert zur Behandlung von Komplikationen nach einer Lebendimpfung gegen Pocken, wenn sich das Impfvirus replizieren sollte.

Auf Basis von Tiermodellen für Menschen berechnet

Natürlich wurde das Medikament nur an infizierten Tieren getestet. Und da wirkte es: Mehr als 90 Prozent der Versuchsaffen und –kaninchen überlebte, wenn sie 10 Milligramm (mg) beziehungsweise 40 mg pro kg Körpergewicht bekamen. Auf Basis der Tiermodelle wurde dann die Dosis für Menschen berechnet und die Verträglichkeit und Sicherheit in einer placebokontrollierten Studie bei nicht infizierten Menschen getestet. 

Bislang hat lediglich eine Pocken-infizierte Person Tecovirimat erhalten (in Kombination mit den Antikörpern, die die Grundlage des Pockenimpfstoffs bilden): eine ungeimpfte US-amerikanische Forscherin, die sich 2018 bei der Laborarbeit mit einer infizierten Nadel in den Finger stach. Sie entwickelte an der Einstichstelle zunächst Bläschen, dann eine Nekrose, zudem verschlechterte sich ihr Gesamtzustand zunehmend. Die meisten Symptome klangen 48 Stunden nach Therapiebeginn ab, bloß die Nekrose benötigte drei Monate, um zu heilen.

Die empfohlene Dosis für Erwachsene und Kinder ab 40 kg im Fall der Fälle wäre dann zweimal täglich 600 mg über 14 Tage (für leichtere Kinder wird sie angepasst). Nebenwirkungen sind auch möglich: Die reichen von Kopfschmerzen über Übelkeit bis hin zu Bauchschmerzen und Erbrechen.

Ob und in welcher Menge Deutschland Tecovirimat einlagern wird, ist nicht bekannt.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/eu-zulassung-fuer-antiviralen-wirkstoff-gegen-pocken-130707/
https://www.focus.de/gesundheit/news/absterbendes-gewebe-labormitarbeiterin-infiziert-sich-mit-pocken-virus-galt-seit-1980-als-ausgerottet_id_11401552.html 
 

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