Der Apotheker Sigismund Hermbstädt
© Wikimedia Commons / Sigismund Friedrich Hermbstädt. PRAXIS BERÜHMTE APOTHEKER Line engraving by G. A. Lehmann, 1808, after himself

Berühmte Apotheker

TECHNOLOGE UND „UNTERNEHMENSBERATER“

Er hat die Pharmazie und die chemische Technologie, aber auch die gewerbliche Entwicklung Preußens zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein gutes Stück voran gebracht: Sigismund Friedrich Hermbstädt.

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Hochgradig durch die Prüfung geflogen! So könnte man das Ergebnis werten, das der damals 27- jährige Sigismund Friedrich Hermbstädt am Collegium Medico-Chirurgicum (Vorläufer der Charité, Berlin) am 12. März 1788 ablieferte. Er habe „keine systematisierten Kenntnisse in der materia medica gezeigt“ und sei „für die Stelle eines Professors beym ... Collegio nicht qualificiert“ ist im Prüfungsprotokoll zu lesen. Mag es für so manchen angehenden Apotheker tröstlich sein, dass auch ein später so bedeutender Wissenschaftler ein Examen mal nicht bestanden hat, so gilt es hier doch die Umstände zu berücksichtigen: Der frisch vermählte Sigismund Friedrich Hermbstädt, bemüht um ein geregeltes Einkommen, hatte nämlich nur sechs Tage zuvor – durch einflussreiche Gönner ermutigt –, den neuen preußischen König Friedrich Wilhelm II (1714 bis 1797) gebeten, den bisherigen Professor der Chemie, Heinrich Christian Pein (1745 bis nach 1792) durch ihn zu ersetzen. Und just dieser Professor hatte ihn nur sechs Tage später zu prüfen ...

So kam es, dass er nach dem Vorbild Johann Christian Wieglebs (1732 bis 1800) statt der erhofften Professur 1789 erst einmal eine private „Chemische Pensionsanstalt für Jünglinge“ eröffnete. Professor wurde er allerdings doch noch – wenige Jahre später: 1791 erhielt er die Berufung als ordentlicher Professor für Chemie und Pharmazie an das Collegium-Medico- Chirurgicum, hielt seine Antrittsvorlesung „Ueber den Zweck der Chemie“ – als Nachfolger gerade jenes Christian Peins. Und sein Auskommen sicherte ab 1790 zudem das Amt des Hofapothekers am Königlichen Hof, das ihm – ebenfalls als Nachfolger Peins, der wegen Veruntreuung in Festungshaft genommen wurde – schon 1790 übertragen worden war. Er verfügte damit über eines der am besten ausgestatteten Laboratorien seiner Zeit. So konnte sich Hermbstädt neben der Lehre seinen zahlreichen Forschungen und deren Veröffentlichung widmen.

Anfangs holprig Sigismund Friedrich Hermbstädt entstammte einer durchaus wohlhabenden Familie: Geboren am 14. April 1760 in Erfurt als Sohn des Kaufmanns Hieronymus Friedrich Hermbstädt (1728 bis 1788) sowie dessen Frau Martha Justina, geborene Preußerin, erhielt er früh Privatunterricht. Nur ein kurzer Schulbesuch von Herbst 1773 bis Frühjahr 1774 in der Tertia des örtlichen Realgymnasiums lässt sich nachweisen.

Bereits 1774 begann er eine Apothekerlehre, vermutlich in der Schwan-Apotheke bei Wilhelm Bernhard Trommsdorff (1738 bis 1782), der zusätzlich Arzt und Professor der Medizin an der Universität Erfurt war. Im Übrigen war dies der Vater von Johann Bartholomäus Trommsdorff (1770 bis 1837), einem der bekanntesten Apotheker und Pharmazeuten seiner Zeit. Nicht von ungefähr besuchte Hermbstädt deshalb wohl auch Vorlesungen in Medizin und Chemie an der örtlichen Universität. 1779, nach beendeter Apothekerlehre, wechselte er nach Langensalza als Assistent zu Johann Christian Wiegleb (1732 bis 1800), der dort das erste private pharmazeutische Institut eröffnet hatte. Doch schon 1781 trat er eine Stelle als Gehilfe in der Rats-Apotheke in Hamburg an, wo er die nötige Zeit fand, seine eigenen wissenschaftlichen Studien fortzusetzen und in den „Chemischen Annalen“ zu veröffentlichen.

#Da die Rats-Apotheke aufgrund eines Rats-Beschlusses jedoch schon 1782 geschlossen wurde, ging er in seine Heimatstadt Erfurt zurück, studierte dort weiter und promovierte wahrscheinlich auch dort. 1783 konnte er als Verwalter die Berliner Apotheke „Zum weißen Schwan“ des verstorbenen Valentin Rose des Älteren (1736 bis 1771) übernehmen, als Nachfolger von Martin Heinrich Klaproth (1743 bis 1817), der dort als Verwalter und Vormund der Kinder neun Jahre tätig gewesen war. Grund von Hermbstädts Verwaltertätigkeit: Der älteste Sohn, Valentin Rose der Jüngere (1762 bis 1807), ging von 1783 bis 1785 zwei Jahre auf Wanderschaft. Mit dessen Rückkehr war demzufolge auch diese Tätigkeit für Hermbstädt wieder beendet.

Er unternahm eine Studienreise auf der er zahlreiche namhafte Personen seiner Zeit, etwa in Göttingen den Begründer der Technologie als Wissenschaft, Johann Beckmann (1739 bis 1811), in Freiberg den Mathematiker, Physiker und Schriftsteller Georg Christoph Lichtenberg (1742 bis 1799), in Halle und Leipzig den Statistiker und Nationalökonom Johann Gottfried Hoffmann (1765 bis 1847) kennenlernte. 1786 zurück in Berlin bat er den preußischen König Friedrich II. (1712 bis 1786), um die Erlaubnis „chemische Collegia lesen zu dürfen“ (Privatvorlesungen) und schlug zugleich vor, „an der Erfindung von Produkten zu arbeiten, welche bisher nicht in S[ei]n[er] Majestät Landen gewonnen, aber [...] gebraucht worden sind“.

Dies zeigt sein Bemühen um die gewerbliche Entwicklung im damals noch rückständigen Preußen. Intensiv widmete Helmbstädt sich nun wissenschaftlichen Arbeiten, gab Zeitschriften heraus, verfasste Rezensionen zu pharmazeutischen, chemischen, mineralogischen und technologischen Werken, arbeitete als „Farbenlaborant und Arcantist“ in einer Fabrik. Doch seine Einkünfte blieben gering, weshalb er den neuen König Friedrich Wilhelm II. eben um jene – anfangs missglückte – Festanstellung als Professor am Collegium Medico-Chirurgicum bat.

Ämter und Verdienste Nach Hofapotheke und Professur ging es mit Ansehen und Ämterangeboten steil bergauf: 1794 wurde er zusätzlich Obersanitätsrat am Obercollegium Sanitas, kostenlos übernahm er Vorlesungen zur Experimentalphysik an der Bergakademie Berlin, 1795 wurde er zudem Professor beim „Manufacturund Commerz-Collegium“. Daneben war er Mitglied der Technischen Deputation und Salzadministration und setzte sich für die Industrialisierung Preußens ein. 1798 wurde er Generalstabsapotheker der Armee, war damit der ranghöchste Militärapotheker Preußens. 1800 erfolgte seine Aufnahme in die Königliche Akademie der Wissenschaften, zunächst als außerordentliches, ab 1808 als ordentliches Mitglied. 1811 nach Auflösung des Collegium medico-chirurgicum erhielt er eine Professur für Technologie an der neugegründeten Berliner Universität. 1817 übernahm er nach Klaproths Tod sogar noch dessen Chemievorlesungen.

Hermbstädt übersetzte Antoine Laurent de Lavoisiers (1743 bis 1794) Anti-Phlogiston-Theorie aus dem Französischen, bewies anhand gemeinsamer Experimente mit Klaproth 1792 im Beisein des Naturforschers Alexander von Humboldts (1769 bis 1859) die Richtigkeit des neuen Theorien- und Methodengebäudes der Chemie (Oxidationstheorie), modernisierte die pharmazeutisch-chemische Nomenklatur, veröffentlichte 1792 den „Katechismus der Apothekerkunst“, quasi als erstes Lehrbuch für Pharmazeuten. Auch der Pflanzenanalyse, Klassifizierung der Pflanzenstoffe, Verbesserung der Arzneimittelherstellung sowie der Verbesserung chemischtechnologischer Verfahren widmete er sich intensiv. So entstand nicht nur 1799 zusammen mit Klaproth und Rose die „Pharmacopoea Borussica“, 1805 die Militärpharmakopöe „Pharmacopoea Castresis Borussica“ sondern er veröffentlichte auch gut 19 Lehrbücher über Bierbrauerei, Ledergerberei, Bleich- und Färbekunst, Essig-, Likör- und Zuckerherstellung, Destillierkunst sowie Butterherstellung. Sein „Handbuch der allgemeinen Fabrikenkunde“ (1807), das „Compendium der Technologie“ (1814 und 1831) waren wichtige Nachschlagewerke. So war er letztlich nicht nur Apotheker, sondern auch „Unternehmensberater“, Entwickler von industriellen Herstellungsprozessen und natürlich Professor. Hermbstädts Ziel war es, seine Kenntnisse und Fertigkeiten tatsächlich zum Nutzen der Bevölkerung einzusetzen. Am 22. Oktober 1833 starb er an den Folgen eines Schlaganfalls.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/17 auf Seite 94/95

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin

 

 

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