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Drogen

TECHNODROGEN FÜR DEN RHYTHMUS

Die Feierdroge Ecstasy gibt den Tanz- und Feierwütigen, was sie wollen: Love, Peace und Energy, als Nebenwirkung aber auch Kreislaufzusammenbrüche, Psychosen und in manchen Fällen sogar den Tod.

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Anfang der 1990er-Jahre etablierte sich in Deutschland die Raver- und Technobewegung. Was sie ausmachte, waren ekstatischer Tanz zu elektronischer Musik und eine hedonistische Lebenseinstellung, aber auch eine Philosophie von Toleranz, Liebe, Frieden und Einigkeit.

Es war, als würde die Hippiekultur der Woodstockära wieder aufleben – nur höher, schneller, weiter und diesmal in Designerklamotten. Passend dazu tauchte eine neue Droge auf: Ecstasy. Die synthetischen Amphetaminpillen boten all das, was die Technojünger wollten, verschafften sie einem doch das Gefühl von allumfassender Liebe und gaben gleichzeitig die Energie für durchtanzte Nächte.

Gefährliche Glückspille Ecstasy wird meist als farbenfrohe Tablette angeboten. Aufdrucke oder Prägungen auf den Tabletten spiegeln die Philosophie hinter der Droge wider. Es sind Smileys, Love- und Peacezeichen, Hanfblätter, aber auch Tiere oder Buchstaben. Zusammen mit der bunten Färbung sehen die Tabletten dadurch harmlos und eher wie Bonbons aus. Wie diese wurden sie anfangs auch konsumiert, Raver „schmissen“ auf Partys und in Clubs fünf oder mehr Pillen pro Nacht. Nicht selten brachen sie dann zusammen, häufig aufgrund von massiver Dehydrierung oder Überhitzung. Denn die Wirkstoffe, die im Ecstasy stecken, führen dazu, dass die Konsumenten weit über ihre körperlichen Grenzen gehen. Neben der Tablettenform gibt es Ecstasy auch als Kapsel oder Pulver.

Was wirklich drin ist, weiß niemand Der Name Ecstasy wird häufig synonym mit dem psychoaktiven Amphetaminderivat MDMA verwendet. Diese Substanz wurde bereits 1912 von der Arzneimittelfirma Merck patentiert und in den 1960er- und 70er-Jahren sporadisch in der experimentellen Psychotherapie eingesetzt. Als jedoch der Missbrauch als Szenedroge bekannt wurde, verbot man es in immer mehr Ländern.

In Deutschland gilt MDMA durch die Aufnahme in Anlage 1 des Betäubungsmittelgesetzes seit August 1986 als illegale Substanz. Zwar ist MDMA in einigen Pillen der Hauptwirkstoff, korrekt handelt es sich bei Ecstasy jedoch um einen Sammelbegriff für Tabletten oder Pulver auf Amphetaminderivatbasis, das heißt, es können auch andere Amphetamine enthalten sein. Einige von ihnen wirken bewusstseins-, wahrnehmungs- und antriebssteigernd, andere wiederum lösen starke Halluzinationen aus.

Oft wird die Droge mit zusätzlich aufputschenden Mitteln wie Ephedrin versetzt. Niemand weiß, was in einer einzelnen Pille genau enthalten ist – und dies macht sie so gefährlich. Auch die Aufdrucke oder Prägungen, die ursprünglich als Qualitätsmerkmal gedacht waren, haben keine Aussagekraft, denn sie können leicht nachgeahmt werden.

Man will die ganze Welt umarmen Ecstasy wirkt entaktogen und empathogen, das heißt, man nimmt Eindrücke intensiver wahr und hat gleichzeitig das Gefühl, mit anderen zu verschmelzen, eine Einheit zu bilden. Die Amphetaminderivate wie MDMA wirken über das Zentralnervensystem, wo sie zu einer vermehrten Ausschüttung von Botenstoffen wie Serotonin und Noradrenalin führen. Hierdurch wird der Körper in eine Stresssituation versetzt, die in unserer Evolution ursprünglich dem Überleben diente – der blitzschnellen Reaktion, vor einem Feind zu flüchten oder ihn anzugreifen.

Ecstasy selten die einzige Droge
Ungefähr zwanzig Minuten nach dem Einnehmen der Droge beginnt die Rauschwirkung, die bis zu sechs Stunden anhält. Danach erleben viele Konsumenten eine „Come-down“-Phase, die durch depressive Verstimmung und Antriebslosigkeit gekennzeichnet ist. Grund dafür ist zum einen die körperliche Erschöpfung, zum anderen leidet das Gehirn nach der schlagartigen Entleerung der Speicher unter Serotoninmangel. Um diese Phase abzumildern, konsumieren viele Ecstasyuser zusätzlich Cannabis. Häufig werden aber auch andere Feierdrogen wie Speed, Pep oder LSD eingenommen. Die Kombination von Ecstasy und Schmerzmitteln ist ebenfalls nicht selten, denn viele Pillen sind mit Paracetamol gestreckt. Dazu kommen in Clubs noch Alkohol und Energy-Drinks. Die Gefahr bei jeder Form des Mischkonsums besteht in einer unkontrollierbaren Verstärkung der Rauschwirkung und Gesundheitsrisiken.

Dazu steigern die ausgeschütteten Botenstoffe wichtige Körperfunktionen wie Puls, Blutdruck und Kerntemperatur, unterdrücken jedoch momentan unwichtige Funktionen wie Hungergefühl oder Darmtätigkeit.

Konsumenten empfinden daher nach dem „Einwerfen“ einer Pille einen Bewegungsdrang, der häufig dazu führt, dass sie bis zur Ekstase tanzen. Hierdurch kommt es zu einem großem Flüssigkeitsverlust, der aufgrund des verminderten Hunger- und Durstgefühls nicht ausgeglichen wird. Gleichzeitig wird das körpereigene Warnsystem ausgeschaltet. Ein Schlaf- oder Ruhebedürfnis gibt es nicht mehr und auch Wärme- oder Kälteempfinden sind nicht mehr einschätzbar.

Da gleichzeitig die Kerntemperatur selbst im Ruhezustand extrem ansteigt, kann der Körper sich bei exzessivem Tanzen leicht auf bis zu 42 °C erhitzen. Tatsächlich ist ein Hitzschlag die häufigste Todesursache nach Ecstasykonsum. Leicht sind auch Überdosierungen möglich, zum Beispiel, wenn die Tablette den Phenolether PMA enthält, der extrem zeitverzögert, aber nicht so stark wie das MDMA wirkt. Außerdem nimmt die Rauschwirkung mit häufigem Konsum ab, was ebenfalls dazu verleitet, immer mehr Pillen einzunehmen.

Überdosierungen können zu Muskelkrämpfen, Augenzittern, Atemnot und schlimmstenfalls zu Organversagen führen. MDMA kann, da es ein Kalziumkanalblocker ist, in seltenen Fällen auch Herzversagen auslösen. Doch Ecstasy birgt nicht nur akute Gefahren. Studien haben gezeigt, dass der Konsum auch Spätfolgen wie depressive Verstimmungen, anhaltende Konzentrationsstörungen oder Psychosen auslösen kann. Ein erhöhtes Risiko für Schlafapnoe wurde ebenfalls beobachtet. Leberschäden sind nicht selten, da Ecstasy über die Leber abgebaut wird; ebenso Nierenschäden, die aufgrund des gestörten Flüssigkeitshaushaltes auftreten können.

Psychische Abhängigkeit Ecstasyuser fühlen sich oft nicht als Drogenkonsumenten, weil die Pillen nicht zu einer körperlichen Abhängigkeit führen. Die psychische Abhängigkeit ist jedoch sehr groß, zumal der soziale Druck bei Szene-Drogen immer enorm hoch ist. Durch gezielte Aufklärung verringerte sich der Konsum seit dem Jahr 2000 stetig, der BMG-Drogen- und Suchtbericht 2013 stellt jedoch fest, dass die Verbreitung von Ecstasy auf Partys wieder leicht gestiegen ist. Zudem sind im vergangenen Jahr Pillen mit höherem MDMA-Gehalt auf dem Markt aufgetaucht.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/13 ab Seite 108.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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