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Aktionstage

TAG DER DEPRESSION

16 bis 20 von 100 Personen erkranken schätzungsweise irgendwann in ihrem Leben mindestens einmal an einer Depression. Die Kombination aus Medikamenten und psychotherapeutischen Maßnahmen hilft Betroffenen, ins Leben zurückzufinden.

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Jährlich findet am ersten Sonntag im Oktober der Europäische Depressionstag statt, diesmal ist es der 3. Oktober 2021. Seit 2004 setzt sich die European Depression Association (EDA) dafür ein, das Bewusstsein der Bevölkerung für die Volkskrankheit Depression zu stärken, und zwar europaweit. Eine Depression lässt sich nicht mit einem „Reiß dich mal zusammen“ therapieren. Gut gemeinte Tipps aus dem Freundes- und Bekanntenkreis oder aus der Familie helfen Menschen mit depressiven Verstimmungen reichlich wenig. Hingegen ist es für Depressive äußerst wichtig, ernst genommen zu werden.

Gut zuhören Kunden mit Depressionen klagen im Anfangsstadium oft über Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Lustlosigkeit, Leistungseinschränkungen, körperliche Symptome sowie über den Verlust von Freude und Interesse. Sie beschreiben eine tiefe Traurigkeit oder klagen über eine generelle Gleichgültigkeit. Wird die Depression frühzeitig erkannt, ist sie mithilfe von Medikamenten oder psychotherapeutischen Maßnahmen gut behandelbar. Meist tritt die Depression im jungen Erwachsenenalter zum ersten Mal auf. Mögliche Trigger sind Trennungen, der Eintritt ins Berufsleben, die Familiengründung oder der Verlust des Jobs. Bei älteren Menschen gehören Krankheiten, eine gefährdete finanzielle Existenz, der Tod des Partners oder Einsamkeit zu den möglichen Auslösern. Bei Krebserkrankungen, COPD, Demenz, Alzheimer, Diabetes oder Parkinson kommen unipolare Depressionen oft als Sekundärerkrankung vor. Man differenziert zwischen einer unipolaren und einer bipolaren Depression.

Die erste Variante ist die häufigste Verlaufsform der Depression. Die bipolare Störung kennzeichnet sich zum einen durch Phasen mit Traurigkeit, Antriebslosigkeit und niedergeschlagener Stimmung (Minussymptomatik), zum anderen durch Phasen mit einer hohen Aktivität, Größenwahn und Ruhelosigkeit (Plussymptomatik), die sich abwechseln. Sind die depressiven Beschwerden schwächer ausgeprägt und dauern über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren an, spricht man von einer Dysthymie.

Einfluss auf die Psyche Die Corona-Krise stellt für Menschen mit Depressionen eine besondere Herausforderung dar, denn die Sorgen, die wegen des Virus oder aufgrund von Existenzängsten auftreten, belasten Betroffene zusätzlich. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe gab anhand ihrer Daten bekannt, dass sich die Erkrankung bei fast der Hälfte aller Menschen mit Depressionen durch die Corona-Maßnahmen verschlechtert habe – bis hin zu Suizidversuchen. Die geregelte Alltagsstruktur ist ausgefallen, familiäre Belastungen haben zugenommen und zahlreiche Menschen haben um ihre Arbeitsstelle gebangt.

Bei vielen Depressiven ist es daher zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes gekommen, sie haben sich ins Bett zurückgezogen und vermehrt geschlafen, gleichzeitig weniger sportliche Aktivitäten betrieben. Zudem war es im Shutdown nicht möglich, aufgrund der Kontaktbeschränkungen alle (physischen) Kontakte aufrechtzuerhalten oder seinen Interessen und Hobbys nachzugehen. Auch Termine bei Ärzten oder Psychotherapeuten sind ausgefallen oder wurden aus der Sorge, sich mit dem Virus anzustecken, nicht wahrgenommen. Weisen Sie betroffene Kunden darauf hin, dass mittlerweile viele Psychotherapeuten auch Online-Sprechstunden anbieten.

Wo finden Kunden Hilfe? Erster Ansprechpartner bei Depressionen ist der Hausarzt, der seine Patienten dann an einen psychologischen Psychotherapeuten oder an einen Psychiater überweist. Bei akuten Suizidgedanken wendet man sich entweder an den Notarzt oder an eine psychiatrische Klinik. Der Sozialpsychiatrische Dienst bietet am Wohnort Beratung für Personen mit psychischen Erkrankungen und deren Angehörige an.

Hinweise für die Beratung Grundsätzlich haben Depressive eine negative Grundhaltung gegenüber vielen Dingen, beispielsweise auch gegenüber einer möglichen Medikation oder Ratschlägen. Dies kann für Sie im Beratungsgespräch schwierig sein. Wichtig ist, eine professionelle Einstellung zu bewahren und die Ablehnung nicht persönlich zu nehmen. Das Apothekenpersonal sollte im Beratungsgespräch erfragen, ob Kunden das verordnete Antidepressivum zum ersten Mal erhalten.

Es ist wichtig, sie darauf hinzuweisen, dass die Medikamente nicht sofort wirken, sondern eine gewisse Anlaufzeit bis zum gewünschten Effekt benötigen. Zwar sind in der Regel Nebenwirkungen möglich, ein Teil davon klingt aber mit der Zeit wieder ab. Welcher Patient auf welchen Wirkstoff besonders gut anspricht, kann man nicht vorhersagen. Daher sollten Personen mit Depressionen unbedingt mit dem Arzt darüber sprechen, wenn das Arzneimittel nicht anschlägt, sodass die Medikation umgestellt werden kann.

Überblick über die gängigen Präparate Für die Selbstmedikation von depressiven Verstimmungen eignen sich Präparate mit Johanniskraut. Sein Wirkstoff Hyperforin wirkt antidepressiv, indem er die Aufnahme von Serotonin und Noradrenalin aus dem synaptischen Spalt in die Zelle verhindert. Es gibt zahlreiche Antidepressiva, die bei mittelschweren und schweren Depressionen vom Arzt verordnet werden können. Häufig erhalten Betroffene bei der Erstverordnung einen selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI). SSRI erhöhen die Konzentration des Serotonins im synaptischen Spalt, indem sie die Wiederaufnahme des Neurotransmitters an der präsynaptischen Membran verhindern.

Zu dieser Gruppe gehören die Wirkstoffe Fluoxetin, Paroxetin, Citalopram, Sertralin oder Fluvoxamin. SSNRI wirken dual über die Hemmung der Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin. Venlafaxin und Duloxetin sind dieser Gruppe zuzuordnen. Der Wirkstoff Reboxetin ist ein Beispiel für einen selektiven Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) und beeinflusst lediglich den Neurotransmitter Noradrenalin. Monoaminoxidasehemmer (MAO-Hemmer), wie der Wirkstoff Moclobemid, blockieren das Enzym Monoaminoxidase, welches an dem Abbau von Serotonin und Noradrenalin beteiligt ist. Trizyklische Antidepressiva gelten als Antidepressiva der ersten Generation, zu dieser Medikamentengruppe zählen die Substanzen Imipramin, Trimipramin, Amitriptylin, Clomipramin, Doxepin, Desipramin, Nortriptylin.

Als zweite Wahl gelten tetrazyklische Antidepressiva, sie unterscheiden sich von den trizyklischen Antidepressiva nur marginal in ihrer Wirkung. Eine weitere Gruppe stellen die noradrenergen und spezifisch serotonergen Antidepressiva (NaSSA) dar. Sie unterstützen die Freisetzung von Noradrenalin und Serotonin, indem sie die Alpha-2-Rezeptoren blockieren. Die unterschiedlichen Wirkstoffe kann man des Weiteren hinsichtlich ihrer Wirkung in aktivierende/antriebssteigernde oder dämpfende Substanzen einteilen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/2021 ab Seite 102.

Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie, Fachjournalistin

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