© Andrey Maltsev / www.fotolia.com

Wirkstoffe – historisch beleuchtet

T – WIE TAMOXIFEN

Kommerziell wurde das „Anti-Estrogen“ seit Mitte der 1970er-Jahre genutzt. In den folgenden Jahrzehnten erhielt es regelrecht einen Kultstatus. Zeitweise wurde es als die Wunderdroge im Kampf gegen Krebs gefeiert.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Verschiedene Estrogene wurden in den 1960er-Jahren synthetisiert und erprobt. Tamoxifen ist dabei ein ideales Beispiel dafür, wie sich medizinisches Verständnis weiterentwickeln kann. Die Substanz wurde 1962 ursprünglich als „Pille danach” entwickelt und erfolgreich an Ratten getestet. Bei Menschen mussten die Forscher feststellen, dass der Stoff stattdessen wie eine Fruchtbarkeitspille wirkt.

Die Entdecker Harper und der britische Arzt Arthur L. Walpole kamen aber auf die Idee, Tamoxifen an Frauen mit Brustkrebs einzusetzen. Es war bekannt, dass viele Krebsarten empfindlich auf Estrogen reagieren. Walpole vermutete deshalb, dass ein Anti-Estrogen helfen könnte. Und das tat es tatsächlich. Zunächst erfolgten zwei kleinere Studien an Frauen mit Mammakarzinom in weit fortgeschrittenem Stadium. Ergebnis: Unter Tamoxifen bildeten sich Karzinome und Metastasen vorübergehend zurück, bei wesentlich geringeren Nebenwirkungen als unter Chemotherapie.

Die Wirkung dauerte jedoch nur so lange, wie die Substanz im Organismus zirkulierte. Erst bei Gabe über fünf Jahre hielt die Wirkung länger an. Dabei bewirkt Tamoxifen eine kompetitive Hemmung von Estrogenrezeptoren sowie eine Stimulation von Progesteronrezeptoren. 1973 erfolgte die Zulassung in Großbritannien als ergänzende Therapiemaßnahme bei Brustkrebs, etwa nach einer Operation, aber auch zur Behandlung eines schon metastasierenden Mammakarzinoms, 1976 in Deutschland und 1978 in den USA. Dort darf nach einer 1994 erfolgten großangelegten Gemeinschaftsstudie der USA und Kanada mit 13 388 Hochrisikopatientinnen das Mittel sogar zur Krebsprävention eingesetzt werden.

Dämpfer für das „Wundermittel” Als Ärzte Tamoxifen aber Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts recht häufig verschrieben, wurden sie erneut überrascht: Sie hatten geglaubt, es würde die Estrogenproduktion im ganzen Körper blockieren. Tatsächlich mussten sie aber feststellen, dass die Substanz die Hormonproduktion in Brust und Gehirn blockierte, sich aber in Knochen, Leber und Gebärmutter wie normales Estrogen verhielt. Untersuchungen stellten dann tatsächlich zwei Estrogenrezeptortypen fest.

Während die alpha-Rezeptoren von Tamoxifen blockiert werden, wirkt es bei den beta-Rezeptoren wie ein Estrogen. Die Folge davon ist: Die bei Brustkrebs scheinbar „Wunder” wirkende Substanz fördert wiederum die Ausbildung von Karzinomen, beispielsweise der Gebärmutterschleimhaut.

Selektive Beeinflussungder Estrogenrezeptoren im Körper hieß nun das Forschungsstichwort. Eine neue Kategorie von Medikamenten sollte Osteoporose, Herzerkrankungen und Brustkrebs verhindern, nicht aber im Gegenzug Gebärmutterkrebs verursachen. Der erste dieser neu entwickelten Wirkstoffe, Raloxifen, kam dann 1998 in Deutschland auf den Markt.

Missbrauch Im Leistungssport hingegen wird Tamoxifen immer wieder als Dopingmittel verwendet. Bei Männern bewirkt es einen Testosteronanstieg und fördert dadurch indirekt die Zunahme von Muskelmasse. Zudem unterdrückt es eine Gynäkomastie, also eine Brustdrüsenvergrößerung beim Mann, die eine häufige Nebenwirkung von Anabolikaeinnahme darstellt. Seit 2005 steht deshalb die Substanz als verbotenes Mittel auf der Dopingliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA).

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/12 auf Seite 26.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

×