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Diabetes Typ 2

SÜSSES BLUT MIT BITTEREN FOLGEN

Der Diabetes Typ 2 entwickelt sich schleichend und lange symptomlos. Eine rechtzeitige Diagnose und adäquate Therapie können helfen, diabetische Folgeerkrankungen zu minimieren.

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Hier zu Lande leiden rund acht Millionen Menschen an Diabetes mellitus, so lauten die Schätzungen. Davon haben circa 90 Prozent einen Diabetes mellitus Typ 2 – Tendenz steigend. Früher sprach man vom Altersdiabetes, da die überwiegende Zahl der Betroffenen älter war. Heute wird der Begriff nicht mehr verwendet, denn es erkranken zunehmend jüngere Menschen daran, sogar Kinder und Jugendliche.

So taucht vermehrt der Begriff „Wohlstandskrankheit” auf, da festgestellt wurde, dass der moderne Lebensstil, der sich durch eine falsche Ernährungsweise mit einer überhöhten Zufuhr an Nahrung und zu wenig Bewegung auszeichnet, mit einer steigenden Zahl an Übergewichtigen einhergeht, die auch mit der wachsenden Anzahl an Diabetespatienten vom Typ 2 korreliert.

Risikofaktor Übergewicht Der Diabetes Typ 2 tritt meistens bei übergewichtigen Personen auf, schlanke Menschen sind weitaus seltener betroffen. Grundsätzlich wird die Anlage zum Diabetes Typ 2 vererbt. Allerdings gibt es Risikofaktoren, die eine Krankheitsentstehung begünstigen können, wobei Übergewicht in Verbindung mit einem Bewegungsmangel eine entscheidende Rolle spielt. Viszerales Fett, also das Bauchfett, welches sich im Bauchraum um die inneren Organe ablagert, scheint dabei einen besonders schädlichen Einfluss zu haben. Frauen haben ab 88 Zentimeter Taillenumfang und Männer ab 102 Zentimetern ein stark erhöhtes Diabetesrisiko.

Zunächst unzureichende Insulinwirkung Übergewicht verursacht eine Insulinresistenz, das heißt, eine verminderte Ansprechbarkeit der Muskel- und Fettzellen auf Insulin. Das in der Bauchspeicheldrüse gebildete Hormon ist beim Diabetes Typ 2 also noch vorhanden, wirkt aber nicht richtig. Insulin wird von den Körperzellen benötigt, um die mit der Nahrung zugeführte Glukose aus dem Blut aufzunehmen und somit den Blutzuckerspiegel zu senken. Werden aber die Zellen unempfindlich auf Insulin, kann der Zucker nicht mehr in sie eingeschleust werden und der Blutzuckerspiegel steigt.

Dies ist im ersten Schritt ein Signal für die Bauchspeicheldrüse, vermehrt Insulin zu produzieren. Damit versucht der Körper, die Insulinresistenz zunächst zu kompensieren. Im Anfangsstadium des Diabetes Typ 2 lassen sich daher sogar erhöhte Insulinspiegel im Blut messen . Der Blutzuckerspiegel ist dabei nahezu im Normbereich.

Später erhöhte Blutzuckerspiegel Im weiteren Verlauf lässt die Insulinproduktion jedoch nach, da die insulinproduzierenden Betazellen auf Dauer allmählich erschöpfen und somit den erhöhten Bedarf nicht mehr decken können. Folglich beginnt der Insulinspiegel nach und nach zu sinken, bis die Bauchspeicheldrüse die Produktion ganz einstellt und schließlich ein absoluter Insulinmangel vorliegt. Gleichzeitig steigt der Blutzuckerspiegel an – ein Diabetes Typ 2 mit einer Hyperglykämie entwickelt sich.

Folgeschäden früh vorhanden Da diese Vorgänge anfangs unbemerkt verlaufen, kann ein erhöhter Blutzuckerspiegel schon jahrelang im Verborgen vorhanden sein, bevor er feststellt wird. Sich einstellende Symptome wie Konzentrationsmangel, allgemeine Abgeschlagenheit oder eine erhöhte Infektanfälligkeit sowie ein verstärktes Durstgefühl und vermehrtes Wasserlassen sind sehr unspezifisch und werden von den Betroffenen nicht immer mit einem sich manifestierenden Diabetes in Zusammenhang gebracht.

INSULINTHERAPIE
Für Diabetiker vom Typ 1 ist das Spritzen von Insulin unverzichtbar. Aber auch bei den meisten Typ-2-Diabetikern lässt die körpereigene Insulinproduktion im Laufe der Jahre so stark nach, dass im fortgeschrittenen Stadium eine Therapie notwendig wird. Dabei werden zunächst orale Antidiabetika mit dem blutzuckersenkenden Hormon kombiniert, wobei in der Regel ein langwirksames Basalinsulin zur Nacht injiziert wird, um die Nüchtern-Blutzuckerwerte zu regulieren. Falls die Blutzuckerwerte am Tage nicht im Zielbereich liegen, kann tagsüber die Injektion eines schnellwirksamen Insulins zum Essen erfolgen (prandiale Insulintherapie). Je nach Qualität der Blutzuckerwerte kann im weiteren Verlauf die Insulintherapie intensiviert werden.

Meist wird die Zuckerkrankheit rein zufällig bei Routineuntersuchungen entdeckt und häufig erst dann diagnostiziert, wenn schon schwere Schäden an Augen und Nieren, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und der Nerven aufgetreten sind. Beispielsweise weisen mehr als die Hälfte der Betroffenen bei der Erstdiagnose Veränderungen an den Herzkranzgefäßen auf.

Typische diabetische Folgeerkrankungen Ursache dafür ist eine irreversible Anlagerung des Zuckers im Blut an verschiedene Proteine. Durch diese Glykosylierung treten Gefäßerkrankungen mit nachfolgenden Durchblutungsstörungen auf. Je nach Größe der betroffenen Blutgefäße unterscheidet man die diabetische Mikroangiopathie, bei der die kleinen Gefäße in den Augen (Netzhautschäden) und Nieren (Nephropathie) Schaden nehmen, die diabetische Neuropathie mit Beeinträchtigungen der Nerven sowie die diabetische Makroangiopathie mit arteriosklerotischen Veränderungen an den mittleren und großen Arterien mit gefährlichen Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System wie Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Unheilvolle Kombination Nicht nur Übergewicht und ein Diabetes Typ 2 sind in der Regel miteinander gekoppelt. Kurz vor Ausbruch der Zuckerkrankheit oder nahezu zeitgleich entwickeln sich häufig ein Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen. Da die einzelnen Krankheiten eng miteinander assoziiert und alle über das Übergewicht miteinander verbunden sind, wird dieser Symptomkomplex unter dem Begriff metabolisches Syndrom (auch tödliches Quartett genannt) zusammengefasst. Es gilt heute als der entscheidende Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit gefährlichen Folgen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Außerdem ist problematisch, dass sich die einzelnen Krankheiten gegenseitig verstärken können und jede weitere Gesundheitsstörung wiederum das Risiko für einen Diabetes Typ 2 erhöht.

Blutzuckerwerte bestimmen Die Diagnose erfolgt anhand der Blutzuckerwerte. Nach den Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) sollte die Messung der Glukose im venösen Plasma, also durch Blutentnahme aus der Vene, erfolgen. Ein Diabetes liegt demnach vor bei:

  • Gelegenheits-Plasmaglukosewert >= 200 mg/dl (>= 11,1 mmol/l)
  • Nüchtern-Plasmaglukose von >= 126 mg/dl (>= 7,0 mmol/l)
  • oGTT-2-h-Wert im venösen Plasma >= 200 mg/dl (>= 11,1 mmol/l).

Für die Bestimmung des Nüchternblutzuckerwertes sollte vor der Blutentnahme eine mindestens zehn- bis zwölfstündige Nahrungspause liegen. Nüchternwerte zwischen 100 bis 125 mg/dl (5,6 bis 6,9 mmol/l) können auf eine Vorstufe des Diabetes (Prädiabetes) hindeuten, bei der schon erhöhte Blutzuckerspiegel zu messen sind, die aber noch unterhalb der Grenzen zum Diabetes liegen. Der oGTT (oraler Glukose-Toleranztest)- 2-h-Wert ist der Blutzuckerwert, der zwei Stunden nach Gabe eines definierten Zuckergetränks (75 Gramm Glukose in 250 bis 300 Milliliter Wasser innerhalb von 5 Minuten) gemessen wird.

Verlaufskontrolle mit dem HbA1c-Wert Neuerdings dient die Verwendung des HbA1c auch zur Diabetesdiagnose, wobei bei einem Diabetes der HbA1c über 6,5 Prozent liegt. Der HbA1c-Wert gibt an, wie viel Glukose sich im Blut an das Hämoglobin in den Erythrozyten angelagert hat. Alle drei Monate sollte der Arzt mit Messung des HbA1c-Wertes die Blutzuckereinstellung und somit den Behandlungserfolg überprüfen.

Während mit der Bestimmung des Blutzuckerwertes die aktuelle Stoffwechselsituation betrachtet wird, lässt der HbA1c-Wert Rückschlüsse über die Einstellung des Stoffwechsels in der Vergangenheit zu und wird daher auch als „Langzeit-Blutzucker“ oder „Blutzuckergedächtnis“ bezeichnet.

»Im Zuge der Zunahme an adipösen Menschen steigen auch die Erkrankungszahlen an Diabetikern vom Typ 2.«

Da die Lebensdauer der roten Blutkörperchen circa 120 Tage beträgt, kann mit der Bestimmung des glykosylierten Hämoglobins eine Aussage über den Blutzuckerwert der letzten drei Monate gemacht werden. In der Regel wird bei Diabetikern ein HbA1c-Wert unter 6,5 Prozent angestrebt. Werden höhere Werte gemessen, weist dies auf eine schlechte Einstellung des Blutzuckers hin und es wird eine Veränderung des Behandlungsregimes erforderlich.

Ernährungsumstellung, Bewegungssteigerung plus medikamentöse Therapie Basis jeder Behandlung eines Diabetes Typ 2 ist eine grundsätzliche Änderung des Lebensstils, die vor allem durch eine vermehrte körperliche Aktivität und eine Gewichtsabnahme gekennzeichnet ist. Ziel dabei ist, durch regelmäßige Bewegung und Abbau von Übergewicht die Insulinempfindlichkeit der Zellen zu verbessern, sodass wieder vermehrt Glukose in die Körperzellen geschleust werden kann und die Blutzuckerwerte sinken.

Darüber hinaus empfehlen die neuen Leitlinien zur Therapie des Diabetes Typ 2 der DDG, zeitnah eine Therapie mit oralen Antidiabetika zu beginnen. Vorzugsweise soll Metformin zum Einsatz kommen. Wird dies nicht vertragen oder liegen Kontraindikationen dagegen vor, wird die Behandlung mit einem Wirkstoff vorgeschlagen, der für die Monotherapie zugelassen ist, wie Arcabose, Pioglitazon, Repaglinid oder ein Sulfonylharnstoff. Können damit keine gewünschten HbA1c-Werte erzielt werden, sehen die Leitlinien eine Kombinationstherapie mit mehreren oralen Antidiabetika vor. Liegt der HbA1c-Wert über 7,5 Prozent, soll die Tabletteneinnahme mit Insulin ergänzt werden.

Orale Antidiabetika Der Wirkstoff Metformin wird schon seit 50 Jahren in der Diabetestherapie eingesetzt. Metformin ist das orale Antidiabetikum der Wahl, sofern keine Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten vorliegen. Das Biguanid verbessert die Insulinempfindlichkeit und die Glukoseaufnahme ins Fettgewebe und der Skelettmuskulatur. Daneben hemmt Metformin die hepatische Neubildung von Glukose und verzögert die Aufnahme des Zuckers aus dem Darm. Von Vorteil sind die geringe Hypoglykämiegefahr und ein günstiger Effekt auf das Körpergewicht. Außerdem soll es die kardiovaskuläre Mortalität senken.

Auch Pioglitazon verbessert die Insulinempfindlichkeit der Zellen im Fettgewebe, in der Skelettmuskulatur und wirkt somit der Insulinresistenz entgegen. Zudem hemmt es die Glukoseproduktion in der Leber. Andere Glitazone sind wegen kardiovaskulärer Risiken (Rosiglitazon) vom Markt genommen oder aufgrund ihrer Lebertoxizität (Troglitazon) in Deutschland nicht zugelassen worden.

insulinspritze und zuckerstückchen
Vor einer Insulintherapie sollten Versuche mit Ernährungsumstellung, Bewegungssteigerung und oralen Antidiabetika unternommen werden

Pioglitazon darf nur noch in begründeten Ausnahmefällen verordnet werden, da ein erhöhtes Risiko für Blasenkarzinom diskutiert wird. Die Alpha-Glucosidasehemmer Acarbose und Miglitol verzögen die Spaltung von Stärke und Disacchariden im Dünndarm in Einzelzucker über eine Hemmung der Alpha-Glucosidasen und bewirken damit einen langsameren Blutzuckeranstieg nach den Mahlzeiten. Allerdings gelangen so die unverdauten Mehrfachzucker in tiefere Abschnitte des Darms, was mit Blähungen, Durchfall und Bauchschmerzen verbunden ist.

Orale Sulfonylharnstoffe binden an einen spezifischen Rezeptor auf der Betazelle und stimulieren so die Insulinausschüttung, was allerdings nur bei einer noch funktionstüchtigen Bauchspeicheldrüse funktionieren kann. Zu den wichtigsten Vertretern zählen Glibenclamid und Glimepirid. Da diese Wirkstoffe zu einer Gewichtszunahme führen, sind sie weniger für adipöse Menschen geeignet und werden vorzugsweise bei schlanken Patienten eingesetzt. Nachteil dieser Substanzgruppe ist das Risiko für Hypoglykämien. Außerdem sollen sie die Erschöpfung der Betazellen beschleunigen.

Auch Glinide stimulieren die endogene Insulinsekretion. Dabei setzt die Wirkung von Repaglinid und Nateglinid schneller als bei den Sulfonylharnstoffen ein und hält kürzer an. Daher können sie besser an den physiologischen Bedarf angepasst werden. Sie werden unmittelbar vor den Mahlzeiten eingenommen beziehungsweise bei Nahrungsverzicht können sie auch weggelassen werden, womit das Unterzuckerungsrisiko geringer als bei den Sulfonylharnstoffen ausfällt.

BLUTZUCKERMASSEINHEITEN
Die Angabe der Blutzuckerkonzentration soll eigentlich nach dem Internationalen Einheitensystem (SI) in Millimol pro Liter (mmol/l) erfolgen. In Deutschland ist allerdings die Einheit Milligramm pro Deziliter (mg/dl) verbreitet. Beide Maßeinheiten können durch eine einfache Formel ineinander umgerechnet werden:
mg/dl x 0,0555 = mmol/l oder mmol/l x 18,0182 = mg/dl.

Die Gliptine Sitagliptin, Vildagliptin und Saxagliptin verstärken den Effekt blutzuckersenkender Inkretine. Diese Darmhormone regulieren den Blutzuckerspiegel, indem sie die Insulinfreisetzung stimulieren und die Neubildung von Glukose reduzieren. Gliptine werden auch als DPP4-Hemmer bezeichnet, da sie eine Verlängerung der Inkretinwirkung über Hemmung des inkretinabbauenden Enzyms Dipeptidyl-Peptdidase 4 (DPP4) erzielen. Da die Wirkung nur so lange anhält, wie der Blutzucker erhöht ist, rufen sie keine Unterzuckerungen hervor.

Die Inkretin-Mimetika Exenatid und Liraglutid verstärken die Inkretinwirkung, indem sie an den Rezeptor des Inkretinhormons binden. Allerdings zählen sie nicht mehr zu den oralen Antidiabetika, sondern müssen als Peptide subkutan gespritzt werden. Ihr Vorteil gegenüber dem auch zu spritzenden Insulin besteht darin, dass sie nicht an den Blutzuckerspiegel angepasst werden müssen, sondern ihre Applikation zu festgelegten Zeiten erfolgt.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/12 ab Seite 14.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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