Denkerpose © bowie15 / iStock / Thinkstock

Was können wir gegen das Altern unternehmen?

BLUTJUNG

Die Kolumne wird 50! Was läge näher, als nachzudenken, was der Alterungsprozess im Gehirn bewirkt!

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Kennen Sie das auch? Man wird älter und stellt irgendwann fest, dass manches nicht mehr so selbstverständlich funktioniert wie noch ein paar Jahre zuvor. Die Sehschärfe oder die körperliche Leistungsfähigkeit nimmt ab – oder vielleicht bemerken Sie auch erste Gedächtnislücken. Haben Sie sich da nicht auch schon gefragt, woran dies eigentlich liegt?

Was verändert sich im alternden Körper und führt so die erwähnten Defizite herbei? Zumindest für die neurodegenerativen Erkrankungen kristallisiert sich hier in den letzten Jahren eine heiße Spur heraus: Veränderungen der Immunreaktionen des Körpers scheinen für viele dieser Erkrankungen ursächlich zumindest mitverantwortlich zu sein.

Die zentrale Aufgabe des Immunsystems ist nicht nur die Abwehr von pathogenen Stoffen, sondern auch das Aufspüren und Eliminieren von geschädigten körpereigenen Zellen. Ist eine solche potenzielle Gefahr erkannt, so reagiert es darauf mit Entzündungsreaktionen. Dabei werden Immunzellen wie zum Beispiel Makrophagen aktiviert, die durch Phagozytose geschädigte Zellen beseitigen und zusätzlich durch Freisetzung bestimmter Botenstoffe (z. B. Zytokine) die Immunantwort weiter anregen.

Bei vielen neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson scheinen nun überschießende, vom Immunsystem hervorgerufene Entzündungsreaktionen mit verantwortlich für die Entstehung dieser Krankheitsbilder zu sein – und diese verstärkten Entzündungsreaktionen nehmen offenbar mit dem Alter zu. So spielt ein Zytokin, der Tumornekrosefaktor alpha (TNF-alpha), eine zentrale Rolle bei kognitiven Defiziten, erhöhte TNF-alpha-Werte im Gehirn führen zu systemischen Entzündungen und zum Verlust von Dopamin-produzierenden Zellen in der Substantia nigra, was Parkinson bedingt.

Umgekehrt beugt das jahrelange Einnehmen vom Entzündungsblockern wie Ibuprofen oder auch die Entzündungen entgegenwirkende Stimulation des Vagusnerven Alzheimer und Parkinson vor. Interessanterweise scheinen für die erhöhte Entzündungsbereitschaft im Alter Veränderungen im Gesamtmilieu des Organismus verantwortlich zu sein: So löst Blutplasma älterer Mäuse in jungen Mäusen Lern- und Gedächtnisdefizite aus, umgekehrt führt aber junges Blut in älteren Gehirnen zu entsprechenden Leistungssteigerungen! Forscher sind derzeit dabei, die dafür verantwortlichen Blutfaktoren zu identifizieren. Das im alten Blut verstärkt vorkommende Chemokin CCL11 wurde hier als erstes neurodegenerativ wirkendes Zytokin identifiziert.

Die Aufklärung aller hier relevanten, zwischen jung und alt unterschiedlichen Blutfaktoren wird es in der Zukunft ermöglichen, Alzheimer und Parkinson wirksam vorzubeugen, neue Therapien für deren Behandlung zu entwickeln und uns vielleicht sogar insgesamt zu verjüngen – und das wollen Sie doch sicher auch …

ZUR PERSON

Prof. Dr. Holger Schulze
Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de

Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg
sowie auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg.
Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens.
www.schulze-holger.de

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 07/12 auf Seite 12.

 


Die beliebten Kolumnen von Prof. Dr. Schulze finden Sie
inzwischen auch gesammelt in einem Buch!
Streifzüge durch unser Gehirn
34 Alltagssituationen und ihre neurobiologischen Grundlagen.

Weitere Informationen und Bestellmöglichkeit...  




Holger Schulze

×