mRNA Strang auf blauem Hintergrund© libre de droit / iStock / Getty Images Plus
Der einzige therapeutische Ansatzpunkt, der eine Heilung bei Muskeldystrophie mit sich bringen könnte, liegt an der DNA.

Stammzellenreparatur

MRNA SCHLEUST GENSCHERE EIN

Nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie existiert eine ausgeprägte mRNA-Forschung. Diese zellulären Botschafter könnten künftig eine Schlüsselrolle in der Therapie zahlreicher Krankheiten innehaben – so auch gegen Muskelschwund. 
 

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Ein kleiner Fehler kann Großes auslösen. Dieser Satz hat gerade in Bezug auf Muskeldystrophie einen wahren Kern. Denn fast alle der 50 Bekannten Formen der Muskeldystrophie werden durch eine einzelne Genmutation ausgelöst. Aufgrund dieser Defekte im Dystrophin-Gen werden die degenerativen Muskelerkrankungen auch als Dystrophinopathien zusammengefasst.

Einmal diagnostiziert ist der prophezeite Weg ein unschöner: Die fortschreitende Muskelschwäche macht es Betroffenen zunehmend schwerer, ihre beeinträchtigten Körperteile selbstständig zu bewegen. Hinzu können Verformungen an Gelenken oder Knochenwuchs kommen, sowie damit einhergehende Schmerzen. Je nach Form der Krankheit kann die Lebenserwartung stark reduziert sein. Und die Therapie? Symptomatisch. Muskeldystrophie ist bislang unheilbar. 

Mit einem Schnipp Fehler beheben

Der einzige therapeutische Ansatzpunkt, der eine Heilung mit sich bringen könnte, liegt demnach am Ursprung: an der DNA. Ein Team um Christian Stadelmann vom Experimental and Clinical Research Center (ECRC) des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) und der Charité Berlin wollen genau an dieses defekte Gen und es reparieren. „Wir verfolgen schon seit Jahren die Idee, erkrankten Menschen Muskelstammzellen zu entnehmen, die veränderten Gene mithilfe der Genschere CRISPR/Cas9 zu reparieren und die so behandelten Zellen zurück in die Muskeln zu injizieren, damit sie sich dort vermehren und neues Muskelgewebe bilden“, sagt Stadelmanns Kollegin Helena Escobar. An gespendeten Muskelstammzellen versuchten die Forschenden ihr Glück. Doch wie soll die Genschere an ihren Zielort gelangen? Im Mausmodell beluden sie Plasmide mit den Informationen, die der Körper braucht, um die Genschere vor Ort korrekt zusammenzubauen. Doch die ringförmige DNA ist ebenso wie die menschliche DNA doppelsträngig – das Risiko, das sie ungewollt ins menschliche Erbgut eingebaut würde, wäre zu hoch.
 

mRNA spielt den Boten

Wie beim Corona-Impfstoff auch, kann mRNA als perfekter Bote herhalten: Die Baupläne kommen sicher an ihr Zeil und nicht mehr benötigte mRNA wird einfach abgebaut. „Somit bietet die mRNA-vermittelte Einbringung eine Plattform, um zeitlich begrenzt und ohne das Risiko einer Integration ins Genom die Zelle dazu zu bringen, genverändernde Enzyme für therapeutische Genome Editing-Anwendungen zu produzieren“, schreiben die Forschenden. Damit ein so großes Molekül wie mRNA in die Stammzellen vordringen kann, wurden die Zellwände kurzzeitig mit Hilfe eines elektrischen Feldes so verändert, dass die mRNA passieren konnte. Farbmarkeierte mRNA detektierte den Erfolg der Methode. So gelang es dem Team gezielte Änderungen am Genom der Stammzellen durchzuführen, ohne deren Funktionalität zu beeinträchtigen. „Wir planen jetzt, gegen Ende des Jahres eine erste klinische Studie mit fünf bis sieben Patientinnen und Patienten zu starten, die an Muskeldystrophie leiden“, sagt Stadelmanns Kollegin Simone Spuler. Entnommene Muskelstammzellen sollen so punktgenau repariert und wieder transplantiert werden. „Erkrankte, die im Rollstuhl sitzen, werden auch nach unserer Therapie nicht einfach aufstehen und loslaufen“, sagt Spuler. Doch für viele der Betroffenen sei es schon ein großer Fortschritt, wenn ein kleiner Muskel, der beispielsweise fürs Greifen oder Schlucken wichtig sei, wieder besser funktioniere. 

Der nächste Schritt bestünde für die Wissenschaftler*innen darin, nicht nur isolierte Stammzellen zu reparieren, sondern direkt am Muskel agieren zu können. So könnten dann auch größere Muskeln, wie sie zum Stehen oder Gehen benötigt werden, repariert werden. 

Quelle: www.wissenschaft.de
 

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