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Hyposensibilisierung bei Kindern

SPEZIFISCHE IMMUNTHERAPIE – TEIL 2

Bei einer Allergie handelt es sich nicht nur eine Befindlichkeitsstörung, sondern um eine Erkrankung. Ohne Therapie droht zudem eine Verschlechterung. Sie sollte daher konsequent behandelt werden.

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Ziel der Hyposensibilisierung ist es, den Körper durch wiederholte Konfrontation an den allergieauslösenden Stoff zu gewöhnen und so die überschießende Immunreaktion einzudämmen. Ursprünglich wurden die Allergene dafür unter die Haut gespritzt seit einigen Jahren gibt es auch Präparate, die man als Tabletten beziehungsweise als Tropfen unter der Zunge zergehen lässt (Sublinguale Spezifische Immuntherapie, SLIT).

Vielen Eltern scheint die SLIT die attraktivere Variante zu sein, weil sie ohne Spritzen auskommt und man sie zuhause durchführen kann. So einfach ist es allerdings nicht. Umfangreiche Daten zur Wirksamkeit der SLIT bei Kindern gibt es nur für Allergien gegen Gräserpollen. Zudem sollte sie nur bei Patienten mit allergischer Rhinokonjunktivitis eingesetzt werden. Bei Asthma bronchiale ist die Wirksamkeit der SLIT nicht ausreichend belegt.

Auch in Bezug auf andere Allergene (Hausstaubmilben, Tierepithelien, Schimmelpilzsporen) existieren für die SLIT bislang widersprüchliche Studienergebnisse, sodass hier primär eine SCIT in Erwägung gezogen werden sollte. Die Langzeitwirksamkeit sowie die präventiven Effekte in Bezug auf die Verringerung von allergischem Asthma und Ausweitung des Allergenspektrums sind bislang nur für die SCIT belegt.

Aufgrund der unterschiedlichen verwendeten Allergenextrakte, Untersuchungs- und Messmethoden ist es nicht möglich, die Wirksamkeit der SCIT und der SLIT bei Kindern direkt miteinander zu vergleichen. Zudem ist die Studienlage für die einzelnen Präparate verschieden. Grundsätzlich gilt deshalb, dass die Wirksamkeit für das einzelne angewendete Präparat nachgewiesen sein muss.

Allergenextrakte Die eingesetzten Allergenextrakte stammen aus natürlichen Quellen, sind aber von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich. Während für die SCIT sowohl native als auch chemisch modifizierte Extrakte (Allergoide)verwendet werden, kommen bei der SLIT überwiegend nicht-modifizierte Extrakte zum Einsatz. Bezüglich der Verträglichkeit scheint es zwischen diesen Gruppen keine Unterschiede zu geben.

Alle für die SCIT verwendeten Präparate enthalten Adjuvanzien, die zum einen den schnellen Abstrom der Allergene in den Kreislauf verhindern (Depoteffekt) und zum anderen die Immunantwort verstärken sollen. Für alle Stoffe gilt, dass sie bei zwei bis 8 °C zu lagern sind und nicht eingefroren werden dürfen.

Dauer der Therapie Im Normalfall dauert die Hyposensibilisierung drei Jahre. Falls dann noch eine störende Restsymptomatik besteht, kann sie auf fünf Jahre ausgedehnt werden. Eventuell kann es sinnvoll sein, die Frequenz und/oder die Dosis zu ändern.

Therapieformen Prinzipiell werden drei Behandlungsarten unterschieden. Wegen der höchsten kumulativen Dosis werden mit der ganzjährigen (perennialen) Behandlung möglicherweise die besten Langzeitergebnisse erzielt. Bei dieser Form werden 16 wöchentliche Injektionen verabreicht, während derer die Dosis immer weiter gesteigert wird. Danach folgen monatliche Injektionen mit der Erhaltungsdosis.

Ethisches Dilemma
Aus wissenschaftlicher Sicht wäre es wünschenswert, die Langzeiteffekte für alle Präparate in doppelblinden, placebokontrollierten Studien über drei Jahre mit einem Nachbeobachtungszeitraum von weiteren zwei Jahren zu testen. Allerdings würde das bedeuten, dass den Kindern in der Studiengruppe, die das Placebo erhält, über fünf Jahre eine wirksame Behandlung vorenthalten wird. Dies stellt ein ethisches Dilemma dar und wird unter Experten kontrovers diskutiert.

Bei saisonalen Allergenen kann die Dosis während der Beschwerdesaison reduziert werden. Die präsaisonale Therapieform unterscheidet sich dadurch von der ganzjährigen Behandlung, dass der Patient während der Pollensaison keine Injektionen erhält. Bei der Kurzzeittherapie schließlich erhält der Patient lediglich vier bis sieben Injektionen vor Beginn der saisonalen Beschwerden.

Die Leitlinien empfehlen jedoch, das Kurzzeitschema nur einzusetzen, wenn der Patient für eine ganzjährige oder präsaisonale Therapie keine Geduld aufbringt oder nur noch wenig Zeit bis zum Beginn der Pollensaison zur Verfügung steht. Die meisten Präparate der SLIT werden täglich und ganzjährig verabreicht.

Aufdosierungsschemata Beim konventionellen Aufdosierungsschema wird die Anfangsdosis bei wöchentlichen Injektionen über drei bis vier Monate auf die Erhaltungsdosis gesteigert. Dieses Schema wird vor allem bei unmodifizierten Allergenen eingesetzt. Bei Allergoiden wird die Erhaltungsdosis in drei bis sechs Wochen erreicht.

Zudem stehen, je nach Präparat, verschiedene Schemata zur Verfügung, mit denen die Erhaltungsdosis deutlich schneller erreicht werden kann (Cluster-, Rush- und Ultrarushschema). Bei der sublingualen Therapie existieren sowohl Präparate, bei denen die Einnahme sofort mit der Erhaltungsdosis beginnt als auch solche, die über einige Tage aufdosiert werden.

Praktische Durchführung Die subkutane Therapie wird immer vom Arzt verabreicht. Soll eine Hyposensibilisierung gegen verschiedene Allergene erfolgen, so sind Injektionen in beide Oberarme möglich. Nach der letzten Injektion muss der Patient eine halbe Stunde unter Aufsicht des Arztes bleiben. Am Tag der Injektion dürfen die Patienten keinen Sport treiben oder in die Sauna gehen. Auch Alkohol ist tabu. Planbare Schutzimpfungen sollten am besten während der Erhaltungsphase in der Mitte zwischen zwei Injektionen erfolgen.

Bei der sublingualen Therapie nimmt der Patient nur die erste Tablette unter Aufsicht des Arztes ein. Typisch ist, dass lokale Nebenwirkungen vor allem in den ersten Tagen und Wochen auftreten und dann nachlassen – man sollte also die Therapie nicht vorschnell abbrechen. Wichtig ist auch, dass die Eltern über das richtige Verhalten in speziellen Situationen Bescheid wissen: Bei fieberhaften Erkrankungen, Entzündungen und Verletzungen der Mund- und Rachenschleimhaut sollte die Einnahme unterbrochen werden. Das gilt auch bei einer Verschlechterung des Asthmas. Der Beipackzettel gibt Auskunft darüber, was eventuell bei der Wiederaufnahme der Therapie zu beachten ist.

Nach zwei Jahren sollte überprüft werden, ob eine Besserung eingetreten ist. Ist dies nicht der Fall, sind die Diagnose sowie eine Belastung mit veränderten Allergenen zu überprüfen. Bei eindeutiger Diagnose und guter Adhärenz sollte die Behandlung abgebrochen werden. Besonders bei Kindern sind die Aussichten auf Erfolg der Therapie jedoch gut. 

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/13 ab Seite 76.

Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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