Kundengruppen© MicrovOne / iStock / Getty Images

Besondere Kundengruppen

SO BUNT WIE UNSERE GESELLSCHAFT

Der große Vorteil der Apotheke vor Ort ist der persönliche Kontakt zu den Menschen. Im direkten Kundengespräch können individuelle Bedürfnisse erkannt werden und maßgenaue Beratung stattfinden.

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Die Teilnehmer eines meiner Seminare habe ich gefragt: „Warum arbeiten Sie in der öffentlichen Apotheke?“ Eine häufig genannte Antwort war: „Die Arbeit in der Apotheke macht mir Freude, weil es nie langweilig wird, weil ich jeden Tag so viele verschiedene Menschen berate und jedes Kundengespräch unterschiedlich ist.“ So sieht die Realität in öffentlichen Apotheken aus – so bunt wie unsere Gesellschaft. Die öffentliche Apotheke ist Hauptanlaufstelle rund um die Gesundheit für alte und junge Menschen, für Familien mit Säuglingen, Schwangere, Menschen mit und ohne Krankheiten, Menschen mit Behinderungen oder Menschen mit Sprachbarrieren.

Und Sie müssen auf jede Situation bestmöglich reagieren und die Kunden individuell beraten. In der neuen Serie „Besondere Kundengruppen“ werde ich Ihnen jeden Monat eine Gruppe anhand einer Beratungssituation vorstellen. Ich möchte Sie dafür sensibilisieren, welche Kundengruppen welche Bedürfnisse haben könnten, wie im Beratungsgespräch die Fragen gestellt werden und welche Zusatzleistungen die Apotheke vor Ort anbieten kann.

Mit einer älteren schwerhörigen Dame muss das Gespräch anders geführt werden als mit einer jungen Mutter, die mit ihren drei kleinen Kindern in der Apotheke ist und die Anwendung des Antibiotika-Trockensaftes erklärt bekommen soll. Ein Kunde, der unter Arthrose leidet, braucht Unterstützung, wenn er Tabletten verordnet bekommt, die nur sehr schwer aus dem Blister herauszudrücken sind und eine übervorsichtige Schwangere wünscht einfühlsame und kompetente Beratung.

Immer wichtig Grundlage eines jeden Beratungsgesprächs sind die Basics der verbalen und nonverbalen Kommunikation. Der Kunde, der in die Apotheke kommt, muss sich in seiner individuellen Situation angenommen fühlen. Der klassische Gesprächsverlauf lässt sich in drei Phasen aufteilen: Die Gesprächseröffnung, den Dialog und den Gesprächsabschluss. Die Weiche zum Erfolg eines Gespräches wird schon in den ersten Sekunden der Gesprächseröffnung gestellt.

Eine freundliche Begrüßung mit Blickkontakt und aufgeschlossener Mimik und Gestik ebnet den Weg in die eigentliche Beratung. Dieser Moment dient auch dazu, als Beratender einen ersten Eindruck vom Kunden zu erhalten: Ist er in Eile, wirkt er krank, sind äußere Anzeichen eines Schmerzgeschehens zu erkennen – das lässt sich mit dem ersten Blick direkt erfassen.

Der Kunde selbst soll in dem Moment das Gefühl bekommen, dass Sie ihm mit voller Aufmerksamkeit zugewandt sind. Dazu sollte die Körperhaltung offen und entspannt, die Gestik ruhig und der Blick auf den Kunden gerichtet sein. Wenn der Kunde in der Apotheke bekannt ist, sollte er möglichst mit seinem Namen angesprochen werden. So fühlt sich der Kunde persönlich erkannt und nicht wie ein x-beliebiger Kunde. Die Eingangsfrage „Wie geht es Ihnen?“ schafft die Brücke von der Begrüßung hin in die Beratung.

An der Antwort des Kunden entscheidet sich, ob er ein ausgiebiges Beratungsgespräch wünscht oder nicht. Hier ist Ihr Einfühlungsvermögen gefordert. Einem Kunden, der in Eile ist und nur kurze Antworten gibt, sollten Sie keinen ausführlichen Vortrag über seine Medikamente halten. Genauso erfordern manche Kunden, die Gesprächsbedarf andeuten, ein behutsames Fragen nach den eigentlichen Problemen.

Bedarfsanalyse Mit geschlossenen Fragen lässt sich kein informatives Gespräch führen. Der Dialog lebt von den „offenen oder W-Fragen“. Wer, Wie, Was, Wann und Wie lange leiten offene Fragen ein, die Ihnen Informationen über den Betroffenen, die Beschwerden, die sonstigen Medikamente, die bisherigen Maßnahmen und die besonderen Bedürfnisse des Kunden geben können. Aus den Antworten lässt sich ableiten, ob die Beschwerden zur Behandlung in der Selbstmedikation geeignet sind und welche Arzneimittel in welcher Darreichungsform sinnvoll sind. So kann eine maßgeschneiderte individuelle Empfehlung gemacht werden.

Auf Augenhöhe Fremdwörter, die Ihr Fachwissen demonstrieren, wirken auf den Kunden belehrend und können meist vermieden werden. Schwierige Sachverhalte sollten so einfach und eingängig wie möglich ausgedrückt werden, insbesondere bei Kunden mit Sprachschwierigkeiten oder Kognitionseinschränkungen. Dazu sollte die wichtigste Botschaft kurz und knapp formuliert werden. Findet die Beratung auf einer partnerschaftlichen Ebene statt, fühlt sich der Kunde ernstgenommen. Das bedeutet auch, dass eine eventuelle Ablehnung einer Empfehlung akzeptiert wird.

Begleiten Sie den Kunden kompetent, aber überlassen Sie ihm die Entscheidung. So entwickelt sich eine vertrauensvolle Kundenbindung, die einen erfolgreichen Abschluss erzielt. Die Phase des Dialogs kann mit beratungsunterstützenden Maßnahmen beendet werden. Dazu gehören zum Beispiel die Abgabe von Broschüren und die Wiederholung einer abschließenden Empfehlung. Um ein Gespräch zu beenden, eignen sich geschlossene Fragen („Habe ich Ihnen so weiterhelfen können oder bekommen Sie sonst noch etwas?“). Eine nachhaltige Kundenbindung kann mit dem Angebot: „Wenn noch Fragen auftreten sollten, können Sie mich jederzeit wieder aufsuchen“, erreicht werden. Die besondere Kundengruppe, mit der die neue Serie im nächsten Heft beginnt, sind „Kinder und ihre Eltern“.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 01/2022 ab Seite 68.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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