Blaue Tabletten liegen vor einer Tablettendose und in der Ecke liegt ein Kondom© nito100 / iStock / Getty Images Plus
Ende Januar berät der zuständige Sachverständigenausschuss des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über eine Entlassung des Wirkstoffs Sildenafil aus der Verschreibungspflicht.

Sildenafil

WIRD DIE BERÜHMTESTE NEBENWIRKUNG DER WELT REZEPTFREI?

Der Wirkstoff Sildenafil, der am 1. Oktober 1998 zunächst als Viagra® auf den Markt kam, könnte bald rezeptfrei werden. Denn im Januar berät der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht über einen OTC-Switch für das Medikament.

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Als Viagra® 1998 in den Apotheken erschien, wurde das Mittel schnell zum Kassenschlager und sorgte dafür, dass Erektionsstörungen nicht länger als Tabuthema behandelt wurden. Der Phosphodiesterasehemmer war das erste Produkt in seiner Indikation: Lilly kam mit Cialis® (Tadalafil) erst im Februar 2003 auf den Apothekenmarkt, Bayer mit Levitra® (Vardenafil) sechs Wochen später. Das Patent für Sildenafil lief 2013 ab, Tadalafil ist seit 2017 nicht mehr patentgeschützt. Generika mit Vardenafil gibt es seit 2018.

55 Prozent aller verkauften Packungen entfallen derzeit auf Sildenafil, führende Hersteller sind hier 1A Pharma mit einem Marktanteil von 24 Prozent sowie Aristo Pharma und AbZ mit elf beziehungsweise zehn Prozent. Nach Zahlen eines Marktforschungszentrums wurden im letzten Jahr bis November knapp 2,4 Millionen Packungen an Mitteln gegen Erektionsstörungen verkauft – ein Plus von sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr. In der Regel werden diese Mittel auf Privatrezept verkauft; nur in ganz seltenen Fällen übernehmen die Krankenkassen die Kosten. 

Ende der Verschreibungspflicht naht

Das alles könnte sich in diesem Jahr ändern. Denn Ende Januar berät der zuständige Sachverständigenausschuss des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über eine Entlassung des Wirkstoffs aus der Verschreibungspflicht. Stimmen die Experten dann dem Antrag zu, könnten die beiden Dosierungen 25 Milligramm (mg) und 50 mg auch ohne vorherigen Arztbesuch in der Apotheke gekauft werden. Dazu müsste das Bundesgesundheitsministerium (BMG) allerdings erst noch die Arzneimittelverschreibungsverordnung ändern.
 

Neue Vorgaben für Verkauf möglich

In diesem Fall lohnt ein Blick über die Landesgrenzen: In Großbritannien, Polen, Schweden und Norwegen können Sildenafil und Co. schon seit einigen Jahren ohne Rezept bezogen werden. Teilweise ist vorgeschrieben, dass die Apotheker speziell geschult sein müssen, sodass eine ausführliche Beratung durch das pharmazeutische Personal möglich ist. In Polen müssen Männer, die das Potenzmittel kaufen wollen, außerdem einen Fragebogen ausfüllen. Auch hierzulande könnte es Vorgaben für den Verkauf in der Selbstmedikation geben.
 

Eigentlich eine Nebenwirkung

Erstentwickler Pfizer war mehr zufällig über die vielleicht bekannteste Nebenwirkung der Welt gestolpert: Eigentlich war das Mittel nämlich gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickelt worden. 13 Jahre lang forschte man dafür mit 1500 Mitarbeitern. Als der Legende nach sogar ins Labor eingebrochen wurde, um an das Mittel zu kommen, nahm der Hersteller zur Kenntnis, dass Sildenafil bei den Studienteilnehmern wohl vor allem wegen seiner Tendenz zu stärkeren Erektionen beliebt war.

Dabei war das eigentlich längst bekannt; Bayer hatte schon in den frühen 1990er Jahren eine solche Entdeckung gemacht. Wahrscheinlich war man aber aus ethischen Gründen noch nicht für ein Potenzmittel bereit. Erst als Pfizer mit Viagra® um die Ecke kam, zog man in Leverkusen, dem Bayer-Standort, umgehend nach.

Schon 2008 hatte Pfizer einen Antrag auf Entlassung von Sildenafil aus der Rezeptpflicht bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA eingereicht, war aber auf Bedenken gestoßen und hatte ihn zurückgezogen. Der Wirkstoff ist ungefähr eine Stunde vor Geschlechtsverkehr einzunehmen; je nach Verträglichkeit liegt die Dosis zwischen 25 und 100 mg.

Quelle: Apotheke adhoc
 

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