DNA-Strang aus Tabletten.© Petmal / iStock / Getty Images

Dokumentation

SICHERHEIT GEHT VOR!

Es geht um Thalidomid, Lenalidomid und Pomalidomid – zum Schutz des ungeborenen Lebens stehen teratogene Substanzen in der Arzneimitteltherapie unter besonderer Beachtung. Es gelten strenge Regeln.

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Geschichtlicher Hintergrund ist der Contergan-Skandal in den 1960er Jahren. Contergan®, das den Wirkstoff Thalidomid enthielt, war für Schlafstörungen, insbesondere auch für Schwangere und bei morgendlicher Schwangerschaftsübelkeit in der frühen Schwangerschaft zugelassen. Unter der Therapie traten allerdings schwere Missbildungen bei den Ungeborenen auf. Es häuften sich neurologische Defekte sowie schwere Fehlbildungen an den Gliedmaßen oder diese fehlten bei Neugeborenen gänzlich.

Diese Embryopathien wurden nachweislich von Thalidomid verursacht, dessen teratogenes Potenzial leider für viele Betroffene zu spät entdeckt wurde. Der Arzneimittelskandal rüttelte die Welt auf. Bis dahin war gar nicht bekannt, was Arzneistoffe in der Schwangerschaft anrichten können. Die Zulassungskriterien für Arzneimittel wurden daraufhin grundlegend überarbeitet und der Einsatz von Arzneimitteln in der Schwangerschaft wird seitdem sehr viel kritischer beurteilt.

Das T-Rezept Die drei Wirkstoffe Thalidomid, Lenalidomid und Pomalidomid dürfen nur auf einem Sonderrezept verordnet werden. Das „T“ im Wort T-Rezept steht für teratogen (und nicht etwa für Thalidomid). Teratogen bedeutet fruchtschädigend, das heißt, dass eine Substanz Missbildungen beim Ungeborenen auslösen kann. Thalidomid wird natürlich nicht mehr als Schlafmittel eingesetzt, da gibt es unproblematischere Alternativen.

Thalidomid und die beiden verwandten Substanzen sind heute in Europa für die Behandlung einer bestimmten Form des B-Zell-Lymphoms, des Multiplen Myeloms, also einer Krebserkrankung, bei Männern und Frauen zugelassen. Wegen der teratogenen Wirkung müssen Frauen im gebärfähigen Alter besonders geschützt werden. Seit Februar 2009 gibt es das T-Rezept.

Drei Kreuze Das zweiteilige Rezeptformular besteht aus dem Original (Teil 1) und dem Durchschlag (Teil 2). Es besitzt eine fortlaufende T-Rezeptnummer. Die Verschreibung ist personengebunden, eine Verordnung als Sprechstundenbedarf ist also nicht möglich. Eine Co-Medikation, also die zusätzliche Verordnung anderer Arzneimittel, ist beim T-Rezept nicht erlaubt. Zum Sicherheitskonzept für Frauen im gebärfähigen Alter rund um diese Verschreibung gehören verschiedene Aufklärungsgespräche, für deren Dokumentation sich auf dem Rezept insgesamt vier Kästchen zum Ankreuzen befinden.

Wichtig ist, dass vom verschreibenden Arzt drei angekreuzt sein müssen. Mit den ersten beiden Kreuzchen bestätigt der Arzt die Aufklärung über das embryotoxische Potenzial des Wirkstoffs. Nun muss noch das dritte oder das vierte Kästchen angekreuzt werden (aber keinesfalls beide), damit Sie das Rezept beliefern dürfen. Hier geht es darum, ob das Arzneimittel in-label oder off-label eingesetzt wird. Das T-Rezept hat eine Gültigkeit von sieben Tagen, genauer: Ausstellungstag plus sechs Tage. Die Höchstmenge der auf der Verschreibung verordneten Arzneimittel darf pro Verschreibung für gebärfähige Frauen den Bedarf für vier Wochen nicht übersteigen. Hier ist ein Blick auf den vom Arzt vorgegebenen Einnahmehinweis doppelt wichtig!

Zu überprüfen, ob eine Frau gebärfähig ist, ist nicht Aufgabe der Apotheke. Dies obliegt dem Arzt. Dass er dieser Pflicht nachgekommen ist, bestätigt er mit dem ersten Kreuz: „Alle Sicherheitsbestimmungen gemäß der Fachinformation entsprechender Fertigarzneimittel werden eingehalten.“ Diese Sicherheitsbestimmungen arbeitet der Arzt anhand von Checklisten ab. Solche Checklisten gibt es für alle drei Patientengruppen, also gebärfähige Frauen, nicht gebärfähige Frauen und männliche Patienten. Die Patienten bestätigen diese ärztliche Aufklärung mit ihrer Unterschrift und erhalten Informationsmaterial zum teratogenen Potenzial ihres Arzneimittels. Dies bestätigt der Arzt mit dem zweiten Kreuz auf der T-Verordnung. Fehlen diese Kreuze, darf die Apotheke sie nicht ergänzen. Männer und nicht gebärfähige Frauen dürfen pro Rezept für drei Monate mit T-Arzneimitteln versorgt werden.

Dokumentation in der Apotheke Teil 1 des Rezeptes dient der Abrechnung mit der Krankenkasse (gesetzlich oder privat). Teil 2 ist anonymisiert und muss rückseitig gestempelt werden. Zu Auswertungszwecken wird Teil 2 wöchentlich an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte übermittelt. Da das Rezept nicht dreiteilig ist, empfiehlt es sich, für die Dokumentation eine Kopie zu machen. Zu notieren sind Name, Menge und Charge des Arzneimittels, das Datum des Erwerbs und der Abgabe, außerdem Name und Anschrift des Lieferanten, des Verschreibenden und des Patienten sowie Datum des Versands an das BfArM. Die Dokumentation erfolgt nach § 17 der Apothekenbetriebsordnung. Die Aufbewahrungsfrist beträgt fünf Jahre, wobei die Dokumentation auch papierlos erfolgen kann.

Und was ist mit Isotretinoin? Auch für Verordnungen über Isotretinoin gelten strengere Bestimmungen als bei anderen Arzneistoffen, denn Isotretinoin ist ebenfalls teratogen und bei schwangeren Frauen kontraindiziert. Ähnlich wie bei T-Rezepten darf eine Verordnung über Isotretinoin für Frauen im gebärfähigen Alter den Therapiebedarf hier von 30 Tagen nicht übersteigen, das Rezept ist nach dem Ausstellungsdatum sechs Tage gültig. Für männliche Patienten gelten diese Einschränkungen nicht. Dass Isotretinoin auf einem normalen Rezept verordnet wird und nicht auf einem T-Rezept wie Thalidomid und seine Derivate, hat vermutlich historische Gründe.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 06/2021 ab Seite 52.

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