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Sterbehilfe

SELBSTBESTIMMT BIS ZUM SCHLUSS

Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland verboten. Auch die geschäftsmäßige Hilfe beim Suizid, etwa durch Bereitstellung eines tödlichen Medikaments, steht seit 2015 unter Strafe. Kritiker halten das für unmenschlich und klagten.

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Unter Sterbehilfe werden in Deutschland verschiedene Begrifflichkeiten zusammengefasst, oft synonym oder ungenau verwendet. So kann damit Hilfe im Sterbeprozess verstanden werden, sprich: Sterbebegleitung (mehr dazu finden Sie im Artikel ab Seite 56). Aber auch die Hilfe bei der selbstbestimmten Beendigung eines Menschenlebens. Doch gerade bei Sterbehilfe ist Genauigkeit wichtig, manches ist in Deutschland verboten, manches erlaubt.

Passive Sterbehilfe: Ärzte und Pfleger verzichten auf lebensverlängerte Maßnahmen, sofern der Betroffene das in einer Patientenverfügung so festgehalten hat. Ein begonnener Sterbeprozess wird damit lediglich nicht hinausgezögert, daher wird auch oft von „Sterbenlassen“ gesprochen, was nicht verboten ist.

Indirekte Sterbehilfe: Dem Betroffenen werden Medikamente in einer Dosierung gegeben, bei der man in Kauf nimmt, dass sie den Sterbeprozess beschleunigen; steht ebenfalls nicht unter Strafe.

Aktive Sterbehilfe: Nach deutschem Recht handelt es sich um eine Straftat. Beim „Töten auf Verlangen“ wird der Tod nicht nur in Kauf genommen, sondern absichtlich auf Wunsch des Betroffenen herbeigeführt, zum Beispiel durch Verabreichen einer tödlichen Substanz.

Beihilfe zum Suizid: Dies liegt beispielsweise vor, wenn einem Schwerkranken drei Päckchen Schlaftabletten auf den Nachttisch gelegt werden. Verlässt man das Zimmer und der Betroffene nimmt alle auf einmal selbsttätig ein und verstirbt, ist das zunächst kein Strafbestand. Doch hier wird es knifflig.

Verbotsgesetz zur Sterbehilfe Ende 2015 hat die Mehrheit des deutschen Bundestages den Paragraf 217 des Strafgesetzbuches beschlossen: „Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ (§ 217 StGB Absatz 1) Das Gesetz soll eine Lücke schließen, mit der es Sterbevereinen vorher möglich war, Mitgliedern Sterbehilfe anzubieten. Angehörige und „Nahestehende“, die beim Suizid unterstützen, bleiben nach wie vor straffrei. Im Grunde richtet sich der Paragraf gegen den in Deutschland aktiven Verein Sterbehilfe Deutschland. Der Gesetzgeber möchte verhindern, dass Sterbehilfe „geschäftsmäßig“ betrieben wird, kein Ausnahmefall mehr ist, sondern Normalität wird – sich dadurch vielleicht sogar Betroffene gedrängt fühlen, ihr Leben zu beenden. Und genau an dem Wort „geschäftsmäßig“ stören sich einige Kläger.

Wann macht man sich strafbar? Juristisch gesehen umfasst „geschäftsmäßig“ nicht nur kommerzielle, sondern alle Angebote, die wiederholt geschehen. Sind damit bereits Gespräche gemeint, in denen es um den Sterbewunsch des Patienten geht? Mache ich mich strafbar, wenn ich einen Patienten nicht vom Sterbefasten abhalte? Palliativmediziner und Pflegepersonal befürchten das und erhoffen sich vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts Klarheit. In einer Stellungnahme unterstreicht die Bundesärztekammer, dass Ärzte keine Strafe fürchten müssen, wenn sie sich mit ihrem Patienten über Sterbewünsche unterhalten. Dies sei Teil der Sterbebegleitung und einer vertrauensvollen Kommunikation. Laut einer Statistik sei es zudem bis Ende 2017 noch zu keinem Verfahren gekommen.

Recht auf den eigenen Tod Das Bundesverfassungsgericht hörte sich in einem zweitägigen Verfahren im April die Argumente der Kläger und Befürworter des Paragrafen 217 an. Es wurden Einzelfälle vorgestellt, unter die Kläger fallen auch schwerstkranke Menschen, die ihrem Wunsch nach assistiertem Suizid durch den Verein Sterbehilfe Deutschland nicht mehr nachkommen können. Sie sehen sich in ihrem Selbstbestimmungsrecht beschnitten – einem menschenrechtlichen Gedanken, der in Deutschland vorrangig durch Artikel 2 des Grundgesetztes geschützt wird. In einem Gerichtsurteil von 2010 wurde dieses Recht dahingehend weiter gestärkt, auch durch die Verankerung der Patientenverfügung im Bürgerlichen Gesetzbuch.

Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle betonte das Grundrecht auf Selbsttötung und sagte während der Verhandlung: „Sie werden im Augenblick wahrscheinlich keinen Arzt finden, der Sie dabei unterstützt.“ So sagten einige der anwesenden Ärzte aus, dass sie im Einzelfall gerne mehr tun würden. Die Bundesärztekammer hält den Entwurf jedoch für richtig und wichtig. Präsident Frank Ulrich Montgomery erklärte: „Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten ist es, das Leben zu erhalten. Die Tötung des Patienten, auch wenn sie auf dessen Verlangen erfolgt, sowie die Beihilfe zum Suizid gehören nach den Berufsordnungen aller Ärztekammern in Deutschland nicht zu den Aufgaben von Ärztinnen und Ärzten.“ Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird frühestens in einigen Monaten erwartet.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/19 ab Seite 72.

Farina Haase, Apothekerin/Redaktion

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