Schwangere Frauen sind besondere Kunden und bedürfen daher auch einer besonderen Beratung. © NataliaDeriabina / iStock / Getty Images Plus

Schwangerschaft | Beratung

SCHWANGERE UND INFEKTE – ALLES KONTRAINDIZIERT?

Eine schwangere, erkältete Kundin betritt die Apotheke – viele Ihrer Empfehlungen fallen direkt einmal weg, kontraindiziert. Keine Sorge, auch viele Ärzte sind im Umgang mit dieser besonderen Patientengruppe unsicher. Hier ein paar Tipps.

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Bei der Beratung von Schwangeren tun sich eigentlich direkt mehrere Baustellen auf: Zumeist ist sowohl die Schwangere selbst als auch die beratende Person verunsichert. Man möchte schließlich kein ungeborenes Leben gefährden. Dazu ist die Datenlage vieler Arzneistoffe einfach zu dünn – klar, welche Schwangere wird schon zu Medikamentenstudien zugelassen. Die meisten Zahlen kommen von Erfahrungsberichten oder durch im Anschluss an eine Studie entdeckte Schwangerschaften zustande. Hersteller sichern sich außerdem in der Regel durch den Satz ab: „XY soll wegen nicht ausreichender Untersuchungen in Schwangerschaft und Stillzeit nicht angewendet werden“. Manchmal wird auch die vorherige Absprache mit dem Arzt empfohlen. Und wenn Sie unsicher sind oder eine komplizierte Infektion vor Ihnen steht, sollten Sie das auch tun! Als Orientierung bei unkomplizierten Infekten kann die Seite www.embryotox.de helfen. Dort kann man sowohl nach Krankheiten als auch nach Wirkstoffen suchen und die aktuelle Datenlage checken.

Die amtierende DEGAM (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin)-Präsidentin Prof. Dr. Erika Baum gibt in einem Interview mit der Medical Tribune Tipps und Ratschläge aus ihrer langjährigen Erfahrung als Hausärztin. So empfiehlt sie bei akuten Atemwegsinfekten vor allem eins: Ruhe. Krankschreiben und ins Bett legen, ausschlafen und Zeit für die Genesung nehmen. Kann ein bakterieller Infekt ausgeschlossen werden, können Salbeitee mit Honig (in Maßen oder zum Gurgeln, da Salbei sich auf Gebärmutter und Hormonhaushalt auswirken und im schlimmsten Fall Frühwehen auslösen kann), Nasenduschen oder Thymianhustensaft bei schleimigem Husten empfohlen werden. Generell aber Vorsicht bei Phytotherapeutika: Nur, weil es ein pflanzliches Arzneimittel ist, ist es nicht zwangsläufig unbedenklich für Schwangere und Kind.

Schwangere Kundinnen mit Blasenentzündung sollten Sie immer zum Arzt schicken, die Infektion muss schnell behandelt werden, sonst könnte sie sich weiter ausbreiten und im schlimmsten Fall zu einem frühzeitigen Abbruch der Schwangerschaft führen. Die unangenehme Geschichte betrifft schwangere Frauen leider häufiger, hormonelle Veränderungen und eine Verschiebung des Scheiden-pHs machen sie anfälliger für die Erreger. Der Arzt wird eine gründliche Anamnese durchführen, nach Flankenschmerz, Fieber, Ausfluss, vorausgegangenen Infekten, Übelkeit fragen, eine Urinkultur anlegen und sich auch nach reduzierten Kindsbewegungen erkundigen. Bei Alarmzeichen, wie zum Beispiel einer Veränderung der Herzfrequenz des Kindes außerhalb von 100 bis 160 Schlägen die Minute, sollte die Patientin in eine Klink verwiesen werden. Fosfomycin ist Mittel der Wahl bei der Behandlung, aber auch eine konsequente Einnahme von Cefalexin, Amoxicillin, Pivmecillinam und ab dem zweiten Trimester auch Trimetoprim am besten über sieben Tage ist möglich.

Lippenherpes ist ebenfalls ein häufig gesehener Gast in der Schwangerschaft. Prof. Baum rät ihren Patientinnen zu Honig, aber auch eine Melissen-Creme kann eingesetzt werden. Vorsicht bei Infektionen kurz vor dem Geburtstermin. Der Herpes sollte dann systemisch mit Aciclovir behandelt werden, um das Neugeborene nicht direkt mit dem Virus zu konfrontieren. Bei anderen Hauterkrankungen wie Mykosen kann lokales Clotrimazol helfen, aus der Hausmittelkiste zudem Umschläge mit schwarzem Tee (adstringierend) oder Kamille (austrocknend). Bei stärkeren, juckenden Ausschlägen können lokale Corticoide (nicht auf verletzter Haut, kleinflächig, dünn auftragen) angewendet werden. Kleinere Reizungen lassen sich gut mit rückfettenden, feuchtigkeitsspenden Cremes oder Lotionen behandeln.

Generell lässt sich sagen, dass immer eine erhöhte Komplikationsrate beachtet und die Kundin lieber einmal zu häufig als zu selten zum Arzt geschickt werden sollte. Besonders wachsam sollte man dabei bei Bauchbeschwerden sein, dann am besten an den Gynäkologen verweisen.

Farina Haase,
Apothekerin, Volontärin

Quelle: Medical Tribune, 53. Jahrgang, Nr. 47, 23. November 2018;6

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