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PTA-Fortbildung 12/11

SCHMERZEN

Schmerzen sind unangenehme Sinneswahrnehmungen, die sich in Qualität, Intensität, Dauer und Lokalisation unterscheiden. Wie entstehen die verschiedenen Schmerzarten und, vor allem, wie kann man sie optimal behandeln?

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Die Funktion des Schmerzes ist es, den Betroffenen dazu zu bringen, einen verletzten oder erkrankten Körperteil ruhig zu stellen und zu schonen. Zumindest trifft dies auf akute Zustände zu. Chronische Schmerzen haben diese Warnfunktion verloren. Sie werden als eigenständiges Krankheitsbild angesehen. Schmerz ist aber auch eine sehr subjektive Wahrnehmung, die nicht nur von den Signalen der Schmerznervenfasern an das Gehirn bestimmt wird. Er hat auch eine starke psychische Komponente.

Noch dazu sorgen Filterprozesse im Zentralnervensystem dafür, dass nicht jede körperliche Schädigung als schmerzhaft wahrgenommen wird. So ist beispielsweise die Stressanalgesie bekannt, durch die Verletzungen während eines Verkehrsunfalls oder in einem Kampf zunächst gar nicht bemerkt werden. Umgekehrt können Schmerzen auch ohne körperliche Schädigung auftreten. Man kennt dies vom Fibromyalgiesyndrom. Ähnlich wie für andere Sinneswahrnehmungen existiert für die Wahrnehmung von Schmerzen ein eigenes Sinnessystem spezifischer Rezeptoren, Nervenbahnen und vernetzter Hirnzentren – das nozizeptive System.

Es gibt allerdings kein spezifisches Schmerzzentrum im Gehirn. Die Verarbeitung der verschiedenen Aspekte der schmerzhaften Information, beispielsweise der Art der Stimulation, der Intensität des Reizes, der gefühlsmäßigen Reaktion und der gedanklichen Bewertung, findet in einem Netzwerk von Hirnzentren statt. Dies ist der Grund, warum Gedanken, Gefühle und andere Faktoren, wie Aufmerksamkeit oder Stress, das Empfinden von Schmerz mindestens ebenso stark beeinflussen wie der objektive Schmerzreiz.

Schmerzentstehung Schmerz ist ein sehr komplexes Gefühl, das aus den Komponenten Nozizeption, also Aufnahme des Schmerzreizes, Reizweiterleitung, Reizverarbeitung und letztlich Wahrnehmung besteht. Die letzte Stufe der Wahrnehmung findet im Zentralnervensystem statt. In der Großhirnrinde wird der Schmerz bewusst, im limbischen System wird er emotional bewertet. Die vorausgegangenen Komponenten alleine führen nicht zum Schmerz. Schmerz ist also das, was der Mensch als solchen empfindet.

Unter Nozizeption versteht man den physiologischen Prozess, einen schädigenden Reiz aufzunehmen. Dieser Vorgang findet in den meisten Fällen im peripheren Nervensystem, außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks, statt. Nervenzellen, die diese Art von Reiz aufnehmen, werden als Schmerzrezeptoren oder Nozizeptoren bezeichnet. Jede Nozizeptorzelle besitzt einen besonders langen Zellausläufer, das Axon. Es geht vom Zellkörper aus, der stets im Spinalganglion liegt. Dies ist eine Zellanhäufung, die sich in der Nähe der Wirbelsäule bzw. des Rückenmarks befindet, sodass sie durch die Querfortsätze der Wirbelkörper geschützt ist.

An jedem Wirbel befinden sich zwei Spinalganglien, eins auf der rechten und eins auf der linken Seite. Über das Axon wird die Information aus der Peripherie zum Zellkörper im Spinalganglion herantransportiert. Ein solches Axon kann beachtliche Längen erreichen. So sind Axone von etwa einem Meter bekannt, wie beispielsweise der Ausläufer, der von der Haut der großen Zehe zum Spinalganglion im Lumbalsegment der Wirbelsäule reicht. Das periphere Ende einer solchen Nervenfaser vom Typ eines Nozizeptors liegt als feie Nervenendigung vor. Es ist verzweigt wie ein Flussdelta.

Man findet diese freien Nervenendigungen vor allem in der Haut, aber auch in der Knochenhaut, der Gelenkhaut, der Muskulatur sowie in einigen Eingeweideorganen. Die schädigenden und später als schmerzhaft wahrgenommenen Reize werden von den freien Nervenendigungen des Nozizeptors aufgenommen und dann in Richtung des zentralen Nervensystems weitergeleitet. Man bezeichnet die Richtung der Reizweiterleitung als afferent. Der umgekehrte Weg, wenn also Nervenfasern Informationen vom ZNS an die peripheren Bereiche leiten, wird efferent genannt. Die freie Nervenendigung des Nozizeptors kann mechanische, thermische und auch chemische Reize sowie das Vorhandensein bestimmter Moleküle registrieren und in ein Aktionspotenzial umwandeln. Damit ist der Nozizeptor quasi geweckt und transportiert nun den Reiz in Form eines Aktionspotenzials über das Axon afferent in Richtung ZNS.

Verschiedene Schmerzfasern Zu den schmerzreizleitenden Afferenzen gehören drei Arten von Nervenzellen, die A-beta-Fasern, die A-delta-Fasern und die C-Fasern. Die beiden letztgenannten werden zum nozizeptiven System gerechnet und als Nozizeptoren bezeichnet. Sie haben eine hohe Reizschwelle und werden erst durch relativ starke und potenziell schädigende Reize aktiviert. A-beta- Fasern dagegen haben eine niedrige Reizschwelle und werden auch schon durch geringe, nichtschädigende Reize sensibilisiert.

Da dies schon normale Berührungen sein können, zählt man die A-beta-Fasern nicht zu den Nozizeptoren. Sie sind relativ dick und myelinisiert, das heißt, die Nervenfaser ist von einer schützenden und isolierenden Myelinscheide umgeben. Die Nervenleitgeschwindigkeit einer A-beta-Faser ist sehr schnell. Sie kann bis zu 100 Meter pro Sekunde betragen, da das Aktionspotenzial sich nicht entlang der Nervenfasermembran ausbreiten muss, sondern durch die Myelinscheide sprunghaft weitergeleitet wird.

Die anderen Schmerzfasern sind weniger oder gar nicht myelinisiert und dadurch deutlich dünner und in ihrer Nervenleitgeschwindigkeit entsprechend langsamer. A-delta-Fasern haben eine dünne Myelinschicht und leiten den Reiz mit 50 Meter pro Sekunde. C-Fasern sind am langsamsten, sie leiten das Aktionspotenzial nur mit einer Geschwindigkeit von maximal einem Meter pro Sekunde. Entsprechend sind nozizeptive Reize, die über A-delta-Fasern vermittelt werden, bis zu fünfzig Mal schneller im Rückenmark als jene Reize, die über C-Fasern geleitet werden.

Damit lässt sich erklären, dass es einen schnellen ersten Schmerz und einen langsameren zweiten gibt. Ersterer wird durch die A-delta-Fasern vermittelt, hat einen spitzen, schneidenden oder brennenden Charakter, während der langsame Schmerz der C-Fasern als dumpf und drückend wahrgenommen wird. Grundsätzlich können beide Typen von Nozizeptoren auf unterschiedliche Reize, beispielsweise Hitze oder Verletzungen, reagieren.

WARUM PUSTEN HILFT
Sensorische Afferenzen vom Nichtnozizeptortyp, also die A-beta-Fasern, reagieren bereits auf leichte Reize, die weit unterhalb der Schmerzgrenze liegen. Sie haben gleichzeitig einen hemmenden Einfluss auf die Schmerzweiterleitung im Rückenmark. Durch Stimulation dieser nichtnozizeptiven Afferenzen, wie man es bei Kindern, die sich weh getan haben, durch Bepusten der verletzten Stelle macht, kann man also das Geschehen schmerzhemmend beeinflussen. In der Schmerztherapie macht man sich dies zunutze, indem man A-beta-Fasern durch nicht schmerzhafte elektrische Impulse im schmerzhaften Gebiet aktiviert.

Natriumkanäle In der Zellmembran von Nervenzellen befinden sich Proteinstrukturen, die Poren bilden, welche durch die Membran reichen. Diese Poren können als Kanäle dienen, die es Elektrolyten erlauben, sich bei geöffnetem Zustand zwischen intra- und extrazellulär auszutauschen. Da diese Poren sehr klein sind, lassen sie nur den Austausch von kleinen Ionen zu – daher die Bezeichnung Ionenkanäle. In der Nervenzellmembran findet man Poren, die selektiv nur Natriumionen passieren lassen, die Natriumkanäle. Normalerweise sind sie geschlossen.

Auf einen entsprechenden Reiz hin werden sie geöffnet und Natriumionen strömen entsprechend ihres Konzentrationsgefälles von außen nach innen in die Nervenzelle hinein. Dadurch verändert sich die elektrische Ladung in der Zelle. Die zuvor polarisierte Zelle, die einen großen elektrischen Spannungsunterschied an der Zellmembran zwischen außen und innen aufwies, wird hierdurch depolarisiert. Diese Depolarisation entspricht dem Aktionspotenzial, was damit ausgelöst ist.

Schmerzstillende Medikamente, die hier angreifen, sind die Lokalanästhetika. Sie blockieren den Natriumkanal, sodass kein Natrium einströmen kann und kein Aktionspotenzial ausgelöst wird. Der Nozizeptor wird nicht sensibilisiert, das Sinnesphänomen Schmerz bleibt aus.

Reizweiterleitung zum zentralen Nervensystem Das Aktionspotenzial wird nun entlang der Nervenzellmembran des Nozizeptors afferent weitergeleitet, bis es am Ende der Nervenzelle im Spinalganglion ankommt. Hier gelangt das Aktionspotenzial an die präsynaptische Membran und damit an einen Spalt zwischen erstem und zweitem Neuron, den synaptischen Spalt. Der nozizeptive Reiz muss diesen Spalt überwinden, um an die postsynaptische Membran des zweiten Neurons zu gelangen. Da dies nicht mittels Aktionspotenzial, also auf elektrischem Wege möglich ist, bedient sich der Körper eines anderen Mechanismus.

An der präsynaptischen Membran befinden sich große Mengen von Neurotransmittern, die in kleinen Bläschen, den Vesikeln, gespeichert sind. Erreicht nun das Aktionspotenzial die präsynaptische Membran, kommt es an dieser Stelle zum Einstrom von Kalziumionen in die Zelle. Die mit Neurotransmittern gefüllten Vesikel setzen sich daraufhin in Bewegung, verschmelzen mit der präsynaptischen Membran und schütten die Neurotransmitter in den synaptischen Spalt.

Einer der wichtigsten Neurotransmitter an nozizeptiven Neuronen ist Glutamat. An der postsynaptischen Membran des zweiten nozizeptiven Neurons befinden sich Glutamatrezeptoren, an die das Glutamat nach Diffusion durch den synaptischen Spalt bindet. Hierdurch kommt es, wie bei der Sensibilisierung des Nozizeptors in der Peripherie, zur Öffnung von Natriumkanälen und damit zum Einstrom von Natrium in das zweite Neuron und zum Aktionspotenzial.

Jetzt ist das zweite Neuron, das bereits zum zentralen Nervensystem gehört und als Hinterhornneuron bezeichnet wird, sensibilisiert und der nozizeptive Reiz ist aus dem peripheren auf das zentrale Nervensystem übertragen. Von hier gelangt er zur Wahrnehmung und zur Bewertung ins Gehirn. Substanzen, die auf die Bewertung des Schmerzes einwirken, sind beispielsweise Antidepressiva. Aus diesem Grund werden sie häufig bei chronischen Schmerzzuständen, die nicht allein mit Analgetika behandelt werden können, eingesetzt.

Schmerzmediatoren Unabhängig davon, auf welche Art Gewebe geschädigt wird, in jedem Falle werden Körperzellen zerstört. Sie setzen beim Zerfall Neurotransmitter frei, die, weil sie im nozizeptiven System wirksam werden, als Schmerzmediatoren bezeichnet werden. Zu ihnen zählen unter anderem die Prostaglandine, aber auch Leukotriene, Bradykinin, Serotonin und Histamin. Prostaglandine entstehen mithilfe des Enzyms Cyclooxygenase aus Arachidonsäure, einer Fettsäure unseres Fettsäurestoffwechsels.

Die Prostaglandinsynthese ist der Angriffspunkt der nichtopioiden Analgetika. Werden die Neurotransmitter freigesetzt, treffen sie auf ihre spezifischen Rezeptoren. Durch Bindung an den Rezeptor wird eine intrazelluläre Kaskade ausgelöst, die am Ende zur Öffnung der Natriumkanäle führt. Es wird ein Aktionspotenzial ausgelöst und der Nozizeptor ist aktiviert. Die Sensibilisierung breitet sich dann afferent zum Rückenmark hin aus.

Schmerzarten Neben den beschriebenen Nozizeptorschmerzen, die durch Sensibilisierung von Nozizeptoren hervorgerufen werden, sind auch noch andere Schmerzarten bekannt. So sind neuropathische Schmerzen Ausdruck der Schädigung einzelner Nerven. Sie entstehen durch Amputation, virale Infektionen , Vitamin-B-Mangel oder Alkohol und werden bedingt durch ständig auftretende Aktionspotenziale am Ort der Nervenläsion. Der Schmerzcharakter solcher neuropathischer Schmerzen wird als einschießend, elektrisierend, schlagartig, kribbelnd und ausstrahlend bezeichnet. Behandeln lässt sich diese Schmerzart unter anderem mit Antidepressiva und Antikonvulsiva.

Chronische Rückenschmerzen sind häufig eine Kombination von Nozizeptor- und neuropathischen Schmerzen. Deafferenzierungsschmerzen treten auf, obwohl der Nerv, der den Schmerzimpuls überträgt, ausgeschaltet beziehungsweise durchtrennt ist. Im Zusammenhang mit dem Verlust eines Körperteils spricht man vom Phantomschmerz. Liegt eine Schädigung des zentralen Nervensystems vor, beispielsweise bei Rückenmarksverletzungen oder nach einem Schlaganfall, sind auch zentrale Schmerzen möglich.

Akuter & chronischer Schmerz Ersterer wird meist durch eine akute Erkrankung, Verletzung oder starke Beanspruchung hervorgerufen. Als chronisch gilt er, wenn er den Zeitraum überdauert, in dem normalerweise eine Heilung stattfinden müsste. Knapp ein Viertel der Bevölkerung in den Industrienationen leidet darunter. Viele von ihnen sind dadurch arbeitsunfähig. Je nachdem wie lange der Schmerz schon besteht, welche Medikamente der Patient einnimmt und welchen Schmerzverlauf er hinter sich hat, ordnen Schmerztherapeuten die Chronifizierung einer Stufe von 1 bis 3 zu.

Pathophysiologisch wird vermutet, dass ein sehr starker, möglicherweise dauerhafter nozizeptiver Reiz zu einer Veränderung der postsynaptischen Membran des Hinterhornneurons führt. Es werden nicht nur Natriumkanäle, sonder auch Kalziumkanäle geöffnet, die ihrerseits das Schließen der Natriumkanäle verhindern. Nun strömt noch mehr Natrium in die Zelle ein, was wiederum die Öffnung der Kalziumkanäle begünstigt. So wird ein Teufelskreis in Gang gesetzt, der zu einer lang anhaltenden dauerhaften Sensibilisierung der postsynaptischen Region führt. Letztlich kann dies zu einer Verselbstständigung des schmerzhaften Reizes und damit des Schmerzes führen. Man spricht vom Schmerzgedächtnis. Daher ist die konsequente Therapie starker akuter Schmerzen extrem wichtig. Sie kann der Entstehung chronischer Schmerzen vorbeugen.

Kopfschmerzen & Migräne Kopfschmerzen gehören zu den Symptomen, über die am häufigsten geklagt wird. Von der internationalen Kopfschmerzgesellschaft wurden über 220 verschiedene Kopfschmerzarten beschrieben. Die wichtigsten sind Migräne, Spannungskopfschmerz und Clusterkopfschmerz.

Die Migräne ist eine Erkrankung mit periodisch auftretenden Attacken von Kopfschmerzen und zahlreichen Begleiterscheinungen. Man unterscheidet zwischen Migräne mit und ohne Aura. Letztere ist ein neurologisches Symptom, unter dem 15 bis 20 Prozent der Migränepatienten leiden und das der Kopfschmerzphase in der Regel vorangeht. Sie kann allerdings auch ohne Kopfschmerzen auftreten. Charakteristisch sind Wahrnehmungsstörungen, die meist visueller oder sensorischer Art sind. Visuelle Störungen sind beispielsweise das Sehen gezackter Figuren, der Verlust des räumlichen Sehens oder unscharfes Sehen. Sensibilitätsstörungen, wie Kribbelempfindungen in Armen, Beinen oder dem Gesicht sind Beispiele für sensorische Störungen.

An Migräne leiden in Deutschland etwa 12 bis 15 Prozent der weiblichen und 6 bis 8 Prozent der männlichen Bevölkerung. Auch Kinder sind mit 5 bis 7 Prozent relativ häufig betroffen. Bei ihnen stehen jedoch gastrointestinale Beschwerden während einer Migräneattacke im Vordergrund. Sehr häufig tritt die Migräne während der Pubertät zum ersten Mal auf, der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Das quälendste an einem Migräneanfall ist für die meisten Betroffenen der anfallartige Kopfschmerz, der häufig mit Übelkeit, Erbrechen sowie Licht-, Geräusch- und Geruchempfindlichkeit einhergeht.

Der Kopfschmerz ist sehr heftig, pulsierend und pochend und meist halbseitig. Prinzipiell kann der Kopfschmerz aber auch beidseitig auftreten oder während eines Anfalls die Seite wechseln. Völlig aufgeklärt ist der Pathomechanismus des Migräneanfalls bis heute nicht. Es existieren verschiedene Hypothesen. Die vaskuläre Hypothese beruht auf der Beobachtung, dass die Blutgefäße während eines Migräneanfalls erweitert sind. In den Wänden dieser Blutgefäße sind Dehnungs- und Schmerzrezeptoren, die aktiviert werden, worauf bestimmte Bereiche im Gehirn reagieren.

MIGRÄNE & SCHOKOLADE
Schokolade und andere Süßigkeiten werden immer wieder als Auslöser für Migräneattacken genannt. Das liegt daran, dass sehr viele Patienten berichten, sie hätten vor der Migräneattacke Heißhunger auf Süßes verspürt und Schokolade oder ähnliches verzehrt. Eine Studie hat nun gezeigt, dass die Süßigkeiten nicht der Auslöser sind. Der Heißhunger ist lediglich ein Signal für den bevorstehenden Anfall, denn das Gehirn braucht Energie für die Attacke.

Spannungskopfschmerzen sind mit Abstand die häufigsten Kopfschmerzen. Anders als bei der Migräne ist hier das Geschlechterverhältnis fast ausgeglichen. Der Spannungskopfschmerz ist von dumpf-drückendem Charakter. Die Patienten beschreiben den Schmerz meist mit einem „Band, das um den Kopf geschnürt ist“. Anders als bei der Migräne sind die Begleitsymptome, wie Übelkeit und Erbrechen oder die Lichtempfindlichkeit, nur gering ausgeprägt. Spannungskopfschmerzen werden durch körperliche Anstrengungen nur unwesentlich verstärkt, sodass die Arbeitsfähigkeit meist kaum eingeschränkt ist.

Der Clusterkopfschmerz ist ein wiederholt (engl. Cluster = Bündel) auftretender Kopfschmerz, der die Betroffenen stets einseitig und attackenartig befällt. Die Schmerzen spürt man vor allem hinter dem Auge, charakteristische Begleiterscheinungen sind Augenrötung, Tränenfluss, Nasenschleimhautschwellung, Schwitzen im Gesicht und Pupillenverengung. Die Kopfschmerzen sind sehr stark, ein Anfall dauert zwischen zehn Minuten und drei Stunden. Die einzelnen Attacken wiederholen sich gebündelt in Episoden von meist wochenlanger Dauer im Mittel etwa 30 bis 45 Minuten.

Clusterkopfschmerzen sind seltener als Migräne und treffen hauptsächlich Männer. Sie beginnen häufig zwischen dem 20. und dem 40. Lebensjahr, können jedoch erstmals auch schon im Kindesalter oder in höherem Alter auftreten. Die genauen Ursachen sind nicht bekannt. Man weiß, dass die Schmerzen gehäuft im Frühling und im Herbst vorkommen. Wie bei anderen Kopfschmerzerkrankungen sind auch beim Clusterkopfschmerz Auslösefaktoren (Trigger) bekannt. Sie sind individuell verschieden, die häufigsten Triggerfaktoren sind allerdings Alkohol, Rauchen, Histamin und blendendes Licht. Nach einer allgemein anerkannten Klassifikation (IHS-Klassifikation) wird der Clusterkopfschmerz gemeinsam mit einigen anderen Kopfschmerzarten zu den trigemino-autonomen Kopfschmerzen gezählt.

Schmerztherapie nach dem WHO-Stufenplan Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 1986 Grundregeln zur Behandlung von Tumorschmerzen erarbeitet. Wegen des guten Erfolgs wird dieses Schema mittlerweile generell zur Behandlung von Schmerzen, insbesondere chronischer Schmerzzustände, empfohlen. Je nach Intensität und Qualität werden drei Stufen der Therapie unterschieden. Wenn die erforderliche Wirkung nicht erreicht wird, ist die jeweils nächst höhere Stufe indiziert.

SCHMERZMITTELINDUZIERTER KOPFSCHMERZ
Etwa ein Prozent der Kranken nimmt so häufig Schmerzmittel ein, dass dies Kopfschmerzen verursacht. Betroffen sind vor allem Patienten, die unter Migräne leiden. Werden die schmerzmittelinduzierten Kopfschmerzen wieder mit Analgetika behandelt, kann ein Teufelskreis entstehen. Entscheidend ist die Einnahmehäufigkeit. Als Faustregel gilt: Schmerzmittel nicht an mehr als zehn Tagen pro Monat und nicht länger als drei Tage hintereinander einnehmen. Wer häufiger Schmerzen hat, sollte einen Arzt aufsuchen.

Die erste Stufe zur Behandlung mäßiger Schmerzen beinhaltet Nichtopioidanalgetika, wie Metamizol, nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR) und Paracetamol. In Stufe zwei werden schwache, niedrig-potente Opioidanalgetika, die nicht der Betäubungsmittelverordnung unterliegen, mit Nichtopioidanalgetika kombiniert. Zum Einsatz kommen beispielsweise Codein oder Tilidin mit Naloxon.

Ist mit dieser Kombination keine zufriedenstellende Wirkung zu erzielen, wird in der dritten Stufe das schwachwirksame gegen ein starkwirksames Opioid ausgetauscht, etwa Morphin, Fentanyl, manchmal auch Methadon oder Buprenorphin, und andere morphinverwandte Substanzen wie Oxycodon oder Hydromorphon. Auf jeder der drei Stufen können ergänzende Therapieverfahren, wie Krankengymnastik, Psychotherapie oder Schmerzbewältigungsverfahren, und ergänzende Medikamente, wie Antidepressiva, auch in Kombinationen untereinander eingesetzt werden.

Nichtopioidanalgetika Im Gegensatz zu den Opioiden, die im ZNS wirken, wurden sie früher auch als periphere Analgetika bezeichnet. Für einige dieser Substanzen sind jedoch zentrale Wirkeigenschaften gesichert, sodass diese Bezeichnung inzwischen verlassen wurde. Nichtopioide Analgetika wirken hauptsächlich über eine Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase (COX) und hemmen somit die Synthese der Prostaglandine, die an der Entstehung von Schmerzen, Fieber und Entzündungen beteiligt sind.

Aus historischen Gründen werden die sauren nichtopioiden Analgetika auch als nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) beziehungsweise non steroidal antiinflammatory drug (NSAID) bezeichnet. Ursprünglich verwendete man nämlich Steroide, genauer Glukokortikoide, zur Behandlung der chronischen Entzündung bei Rheuma. Mit der Entdeckung der entzündungshemmenden Eigenschaft der sauren, nichtopioiden Analgetika erlangten diese eine wichtige Bedeutung in der Rheumabehandlung.

Da sich saure Analgetika in undissoziierter Form besonders in Geweben mit niedrigem pH-Wert anreichern, sind sie in hohen Konzentrationen in entzündetem Gewebe nachweisbar und können dort wirken. Hohe Konzentrationen ergeben sich aber auch in der Magenschleimhaut und in den Nieren. Das bedingt die wesentlichen Nebenwirkungen. So geht durch Blockade der lokalen Prostaglandinsynthese deren magenschleimhautschützende Wirkung verloren, was zu Magenblutungen und -geschwüren führen kann.

Die wichtigsten Stoffklassen der NSAR sind die Salicylate, wie ASS, die eng damit verwandten Anthranilsäurederivate, wie Flufenaminsäure, die Arylessig- und –propionsäurederivate, wie Diclofenac, Ibuprofen und Indometacin, sowie die Oxicame, wie Piroxicam. Die Acetylsalicylsäure wurde bereits 1899 als Arzneimittel eingeführt. Sie eignet sich zur Behandlung von Schmerzzuständen verschiedener Art sowie entzündlicher Prozesse. ASS ist für Kinder unter zwölf Jahren wegen des nicht auszuschließenden lebensbedrohlichen Reye-Syndroms kontraindiziert.

Nichtsaure Analgetika verteilen sich im Gegensatz zu den sauren gleichmäßiger im Organismus. Sie eignen sich daher besser zur Behandlung entzündungsunabhängiger Schmerzen. Beispiele sind Paracetamol und Metamizol. In der Kinderheilkunde und während der Schwangerschaft hat sich Paracetamol fest etabliert. Bei Überschreitung der Tageshöchstdosis kann es allerdings zu Leberzellnekrosen, Leberkoma und zum Tod kommen. Bei Lebervorschädigung treten diese Effekte eher auf, weshalb es sich hier um eine Kontraindikation für den Einsatz von Paracetamol handelt.

Metamizol gehört zur Gruppe der Pyrazolone, es besitzt eine gut spasmolytische Wirkung auf die glatte Muskulatur. Man schreibt Metamizol eine vergleichbare Analgesie zu wie Tramadol, wobei die Nebenwirkungen des Opioids fehlen. Die schwerwiegendste Nebenwirkung des Metamizols ist die Agranulozytose, eine zu etwa fünf Prozent tödlich verlaufende Blutbildveränderung. Die Angaben zur Häufigkeit der Agranulozytose differieren stark, das Risiko ist umso größer, je höher die Dosierung und je länger der Behandlungszeitraum ist. Bei einer längeren Therapie ist daher eine Blutbildkontrolle nötig.

Selektive COX-2-HemmerMan kennt zwei Arten der Cyclooxygenase, die für verschiedene Synthesewege der Prostaglandine stehen. Während die genannten Nichtopioidanalgetika beide Arten der Cyclooxygenase, die COX-1 und die COX-2 hemmen, wirken selektive COX-2-Hemmer oder Coxibe nur auf das Isoenzym, das für die Entzündungsreaktion verantwortlich ist. Damit wollte man die Nebenwirkung auf den Magen unterbinden und so die Langzeitanwendung vereinfachen.

Die Hoffnungen auf Nebenwirkungsfreiheit haben sich jedoch nicht erfüllt. Unter der Einnahme einiger Coxibe fand man eine Häufung von Hypertonie und Herzinfarkt. Ob es sich dabei um ein gruppenspezifisches Problem handelt oder nur einzelne Substanzen betrifft, wird zurzeit noch geklärt. Daher wurden einige Coxibe vom Markt genommen. Für Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen besteht eine Kontraindikation. Hier ist auf NSAR ggf. mit Magenschutz auszuweichen.

VORSICHT BEI MEHRFACHMEDIKATION
Paracetamol ist auch in einigen Kombinationsmitteln gegen Erkältungen enthalten, sodass es bei gleichzeitiger Einnahme verschiedener Arzneimittel zu einer unbeabsichtigten Überdosierung mit
Leberschäden kommen kann.

Kombinationspräparate In vielen Medikamenten sind verschiedene Nichtopioidanalgetika miteinander und/oder zusätzlich mit Koffein kombiniert. Die Kombination aus ASS, Paracetamol und Koffein ist am weitesten verbreitet und in der Fachwelt nicht ganz unumstritten. Einige Studien zeigen eine überadditive Wirkungsverstärkung. Auch die unerwünschten Arzneimittelwirkungen sollen weniger schwer ausfallen, da die Einzelsubstanzen niedriger dosiert sind als in Monopräparaten. Mehrere Fachgesellschaften für Kopfschmerz und Migräne haben daraufhin diese Kombination als Mittel der ersten Wahl in ihre Leitlinien aufgenommen. Gegner der Kombipräparate belegen, dass diese im Vergleich zu Monopräparaten häufiger missbräuchlich, das heißt, zu lange und zu oft, eingenommen werden.

Triptane Sie werden zur Therapie akuter Migräneanfälle mit und ohne Aura eingesetzt. Auch zur Behandlung des Clusterkopfschmerzes sind sie geeignet. Nach Naratriptan in einer Packungsgröße von zwei Tabletten mit jeweils 2,5 Milligramm wurde vor zwei Jahren auch Almotriptan in Form zweier Tabletten in einer Konzentration von 12,5 Milligramm aus der Verschreibungspflicht entlassen.

Triptane sind Agonisten an bestimmten 5-HT-Rezeptor-Subtypen. Sie führen zu einer Verengung der bei einem Migräneanfall erweiterten zerebralen Blutgefäße, hemmen die Ausschüttung entzündlicher Peptide und die Ausbreitung des Schmerzreizes über die Hirnrinde. Die verschiedenen Triptane unterscheiden sich in ihrer Wirkdauer. Sie haben keine prophylaktische Wirkung und helfen nur im Akutfall. Eine potenziell lebensbedrohliche Wechselwirkung ist das Serotoninsyndrom, das bei gleichzeitiger Einnahme von Triptanen uns SSRI (Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer) auftreten kann. Kontraindiziert sind Triptane bei der koronaren Herzkrankheit, Hypertonie und Gefäßerkrankungen.

Opioide Es sind dem Morphin verwandte Stoffe, die natürlich vorkommen oder synthetisch hergestellt werden können. Opioide wirken an verschiedenen Opiatrezeptoren, was körpereigene Stoffe, zum Beispiel Endorphine und Enkephaline freisetzt, die im ZNS eine stark schmerzhemmende Wirkung haben. Allerdings vermitteln diese Rezeptoren auch zahlreiche andere Wirkungen, woraus sich das umfangreiche Nebenwirkungsprofil der Opioide ergibt. Zu nennen sind hier unter anderem Sedierung, Obstipation und Hustendämpfung sowie bei Überdosierung Atemdepression.

Opioide sind die wirksamsten Schmerzmittel, die der Medizin zur Verfügung stehen. Die Wirkung ist jedoch von Patient zu Patient sehr unterschiedlich, wobei Opioide gerade im Alter sehr vorsichtig dosiert werden müssen. Morphin ist das bekannteste und am häufigsten verwendete Opioid. Die Stärke aller anderen Substanzen dieser Klasse wird am Morphin gemessen. Da die Abbauprodukte des Morphins ebenfalls wirksame Opioide sind, ist die Wirkdauer relativ lange. Die Abbauprodukte werden über die Nieren ausgeschieden, woraus sich ein Problem für Patienten mit Niereninsuffizienz ergibt.

Opioide wirken nicht immer nur als reine Agonisten am Rezeptor. Morphin, Fentanyl, Tilidin und Hydromorphon sind Vollagonisten an allen Opiatrezeptoren. Partialagonisten greifen nicht mit voller Kraft an jedem Rezeptortyp an, sie haben auch eine gewisse antagonistische Wirkung. Zu dieser Gruppe gehört beispielsweise Buprenorphin. Es kann als Sublingualtablette, TTS oder Injektion eingesetzt werden und bewirkt eine starke Analgesie bei gleichzeitig geringer Atemdepression.

Tramadol wird als schwach wirksames Opioid bezeichnet. Sein analgetischer Effekt kann nur zum Teil über die Opioidrezeptoren erklärt werden. Ein großer Teil der Wirkung beruht auf der Verminderung der Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin, die im ZNS die Schmerzleitung hemmen. Aus diesem Grund und wegen des anderen Nebenwirkungsspektrums untersteht Tramadol nicht dem Betäubungsmittelgesetz.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/11 ab Seite 39.

Sabine Bender, Apothekerin, Redaktion

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