© bowie15 / iStock / Getty Images Plus
© bowie15 / iStock / Getty Images Plus

Kolumne | Holger Schulze

SCHLAFENSZEIT

Das Umstellen der Uhren zu Sommer- und Winterzeit ist nicht nur lästig, es wirkt sich auch negativ auf unseren Schlaf und damit die Gesundheit insgesamt aus.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Kennen Sie das auch? Dieses Gefühl des leichten Genervtseins, wenn es wieder einmal ansteht, die Uhren auf die Sommerzeit umzustellen und dabei eine Stunde wertvollen Schlafs herzugeben? Falls ja gehören Sie möglicherweise auch zu den knapp vier Prozent der Deutschen, die sich bei der Online-Abstimmung der EU im Jahre 2018 mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen hatten, die Umstellung zwischen Sommer- und Winterzeit abzuschaffen. Doch auch wenn Sie nicht zu diesem Personenkreis gehören und Ihnen das Uhrenumstellen relativ egal ist, so gibt es tatsächlich ganz objektive medizinische Gründe, die gegen eine Beibehaltung der derzeitigen Praxis des Wechsels zwischen Sommer- und Winterzeit sprechen.

Um dies zu verstehen muss man sich zunächst einmal klarmachen, dass der Begriff „Zeitumstellung“ im Grunde irreführend ist: Man kann die Zeit nicht umstellen, sondern nur die Uhren! Das wäre freilich nicht weiter problematisch, würde unsere Physiologie nicht einer zirkadianen Rhythmik folgen, die von einer „Inneren Uhr“ gesteuert wird, welche sich im Nucleus suprachiasmaticus des Gehirns befindet und täglich neu durch äußere Zeitgeber eingestellt werden muss.

Entsprechend verschiebt man durch eine Uhrenumstellung die sozialen Zeitgeber wie etwa den an die Uhrzeit geknüpften Arbeitsbeginn oder Mahlzeiten relativ zu den deutlich stärkeren, natürlichen Zeitgebern, also Sonnenauf- und -untergang, welche die Innere Uhr durch besondere Blaulichtrezeptoren in den Augen täglich nachjustieren. Dies ist auch der fundamentale Unterschied zwischen der saisonalen Uhrenumstellung und einem Jetlag: Bei letzterem begibt man sich in eine andere Zeitzone, wodurch natürliche und soziale Zeitgeber synchron verschoben werden und nicht asynchron wie bei einer Uhrenumstellung. Entsprechend kann sich der Körper auch deutlich besser an einen Jetlag anpassen, da es keinen Widerspruch zwischen den verschiedenen Zeitgebern gibt.

»Man kann Uhren umstellen, aber nicht die Zeit!«

Die Folgen einer Umstellung auf die Sommerzeit sind daher vergleichbar derer von Patienten mit chronischen Schlaf-Wach-Rhythmus-Störungen oder Frühschicht-Arbeitern, die dauerhaft nicht ihrer Inneren Uhr folgen können: Der veränderte Blaulichtzeitgeber gibt chronobiologisch das Signal zu einer Verzögerung der zirkadianen Rhythmik, welchem aber wegen der unveränderten sozialen Zeitgeber nicht gefolgt werden kann. Das Ergebnis sind Einschlafstörungen und daraus resultierend Schlafmangel mit entsprechenden Konzentrations-, Gedächtnis- und allgemeinen Leistungseinbußen sowie erhöhten Fehlerraten.

Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin empfiehlt daher auch eine Abschaffung der Sommerzeit und somit konstante Beibehaltung der Normalzeit (Winterzeit). Darüber hinaus sollte die Europäische Union sich dazu durchringen, drei, den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmen entgegenkommende Zeitzonen einzuführen, zur weiteren Verbesserung des Schlafs und damit der Gesundheit der Menschen in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Sehr sinnvolle Empfehlungen, finden Sie nicht auch?

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/20 auf Seite 12.

Zur Person

Prof. Dr. Schulze Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de 

Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg sowie auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg. Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens.
www.schulze-holger.de 

×