Warnschild auf Boden.© kynny / iStock / Getty Images

Pflanzliche Inhaltsstoffe

RUTSCHGEFAHR MIT MEDIZINISCHEM NUTZEN

Schleimig wird in der Regel nicht direkt mit der hohen Kunst der pharmazeutischen Beratung assoziiert. Und doch gibt es einige Indikationen, wo Schleimstoffe sich als Mittel der Wahl etabliert haben.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Die Erkältungszeit neigt sich zwar dem Ende zu, aber die Sommergrippe wird auch in den wärmeren Monaten immer mal wieder Kunden mit typischen Erkältungssymptomen in die Apotheke führen. Neben Reizhusten können auch Reizdarm oder eine zusätzliche Hilfe beim Abnehmen Indikationen für Schleimstoffe sein.

Chemisch gesehen sind Schleimstoffe große Polysaccharide, die vom Körper nur schlecht bis gar nicht resorbiert werden können.

Die hochmolekularen Verbindungen verschiedener Zuckermoleküle wie Galactose, Rhamnose, Mannose oder anderen sind über glykosidische Verbindungen miteinander verknüpft.

Es werden verschiedene Arten von Polysacchariden unterschieden. Die strukturgebenden Polysaccharide wie Cellulose sind nicht wasserlöslich und dienen bei der Nahrungsaufnahme als natürliche Ballaststoffe. Sie wirken über ihr Quellvermögen und werden sowohl bei Diarrhoe als auch bei Obstipation eingesetzt. Detaillierter wurden diese schon in der Augustausgabe 2021 besprochen. Nachfolgend gehen wir auf die löslichen Schleimstoffe ein.

Arzneilich verwendete Schleimdrogen
die Blätter und Wurzeln des echten Eibischs
+ die Blüten des Hibiscus
+ die Blätter der Malve
+ die Blätter des Huflattichs
+ die Blätter der Linde
+ Isländisch Moos

Lösliche Schleimstoffe Ist es möglich, Schleimstoffe in Wasser zu lösen, haben diese nach der Einnahme einen einhüllenden Charakter und wirken, indem sie eine schützende Schicht bilden, beruhigend auf Schleimhäute und die äußere Haut. Mittlerweile obsolet, wurden sie früher auch in der Wundheilung eingesetzt. In der Pflanze selbst dienen sie als Reservestoffe oder Wasserspeicher. Wie so oft bei pflanzlichen Inhaltsstoffen bestehen auch Schleimstoffe aus einer Mischung verschiedener Komponenten, die auch zwischen verschiedene Vertretern derselben Gattung leicht variieren können.

Eine exakte chemische Bestimmung ist grundsätzlich durch hochkomplexe, analytische Methoden möglich. In der Apotheke stehen hier aber Aufwand und Nutzen in keinem akzeptablen Verhältnis. Um trotzdem eine Charakterisierung zu ermöglichen, schreibt das europäische Arzneibuch die Bestimmung der sogenannten Quellungszahl vor. Somit wird eine einfache physikalische Eigenschaft bestimmt, die für den späteren Einsatz wichtig ist.

Die Quellungszahl ist definitionsgemäß das Volumen in Milliliter, welches ein Gramm Droge nach vier Stunden einnimmt. Das heißt: Ein Gramm der zu bestimmenden Droge wird in einem Messzylinder mit einem Milliliter Ethanol und 25 Millilitern Wasser versetzt. Nach einer definierten Zeit wird mehrfach kräftig geschüttelt und am Ende das Volumen der Droge am verwendeten Messzylinder abgelesen. Verfälschungen oder Verunreinigungen können so einfach erkannt werden. Danach kann die Schleimdroge schon zum Einsatz kommen.

Eingedampft

Eine wichtige Eigenschaft ist der einhüllende Charakter der Schleimstoffe. Die Qualität der einzelnen Schleimdrogen wird durch die Quellungszahl bestimmt. Bei Reizhusten können Schleimstoffe Abhilfe schaffen, indem sie eine schützende Schicht über den gereizten Mechanorezeptoren bilden. Besonders Eibisch hat sich hier einen Namen gemacht. Gele auf der Basis von Schleimstoffen können eingesetzt werden um Blutzuckerspitzen zu vermeiden.

Indikation Bei trockenem Reizhusten kommt es durch äußere Einflüsse erst zur Reizung und dann zur Entzündung der Schleimhaut. Mechanorezeptoren, die in den Schleimhäuten sitzen, lösen reflektorisch über das Hustenzentrum Husten aus, um den Reizstoff auf physiologischem Wege zu entfernen. Da in dieser Situation meist weniger oder zähflüssigerer Schleim produziert wird, lässt dieser sich nicht abhusten. Die langen Ketten der Polysaccharide legen sich über diese Mechanorezeptoren und schützen sie vor dem Reiz.

Die Anwendung kann in der Initialphase einer Infektion stattfinden, wenn das nasale Sekret mit Virusbestandteilen auf die Rezeptoren trifft und diese übermäßige stimuliert. Eine andere Ursache für Reizhusten ist, dass Viren die Epithelzellen beschädigen können, was die körpereigene Schleimproduktion verringert. Bei gesunden Menschen sollte bei längerem Reizhusten nach der Einnahme eines Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmers gefragt werden. Die Einnahme kann mit einer Überproduktion von Bradykinin zusammenhängen, zu Entzündungsreaktionen unter anderem der Atemwegsschleimhäute führen und so den Dauerreizhusten auslösen.

Im Gastrointestinaltrakt gibt es gleich mehrere Möglichkeiten lösliche Schleimstoffe einzusetzen. In isolierter Form werden beispielsweise arabisches Gummi oder Tragant in der pharmazeutischen Industrie eingesetzt. Bei Arzneimitteln mit hohem Reizpotenzial verbessert der Zusatz dieser Schleimstoffe die Verträglichkeit, da diese die Exposition des Wirkstoffs an Mechanorezeptoren herabsetzen.

Eibisch, Lindenblätter oder auch Malventee helfen nicht nur bei Reizungen der Mundschleimhäute, sondern auch bei leichten Gastritiden. Wie bei Reizhusten auch, kleiden die mucoadhäsiven Polysaccharide die Darmschleimhaut aus und schützen so die gereizten Rezeptoren. Andere Produkte nutzen die hydrokolloidalen Eigenschaften der Schleimstoffe aus um hochviskose Lösungen zu bilden.

Als Pulver eingenommen, quellen sie im Darm zu einem Gel, welches die Aufnahme von Fetten und Kohlenhydraten verlangsamt. Blutzuckerspitzen werden vermieden, da die Kohlenhydrate langsamer aufgenommen werden. Insulin wird bedarfsgerecht produziert und das Mittagstief soll ausbleiben. Zu beachten ist hierbei die Einnahme weiterer Medikamente. Wie auch die Kohlenhydrate und Fette werden diese langsamer aufgenommen, was bei bestimmten Therapiemaßnahmen die Compliance gefährden kann.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 05/2022 ab Seite 70.

Manuel Lüke, Apotheker und PTA-Lehrer für Gefahrstoffkunde

×