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Krebserkrankungen

RÜCKGANG UND BESSERE CHANCEN

Gesündere Ernährung, die Entdeckung wichtiger Risikofaktoren und die Weiterentwicklung der Therapien haben zu größeren Fortschritten in der Prävention und Behandlung von Magenkrebs geführt.

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Erkrankten vor 20 Jahren in Deutschland etwa 25 000 Menschen jährlich an Magenkrebs, sind es heute noch etwa 16 000. Männer sind dabei fast doppelt so häufig betroffen wie Frauen und erkranken mit 72 Jahren im Schnitt auch vier Jahre früher. Dass Magenkrebs in Deutschland und anderen westlichen Industrienationen seltener wird, liegt einerseits daran, dass sich viele Menschen mittlerweile gesünder ernähren. Zum anderen entdeckte man, dass eine Infektion mit dem Bakterium Helicobacter pylori diese Krebserkrankung begünstigen kann – ein Keim, der mit Antibiotika gut behandelbar ist.

Leistungsstarker Hohlkörper Unser Magen kann etwa eineinhalb bis zwei Liter Nahrung aufnehmen. Er ist mit einer Schleimhautschicht ausgekleidet, die unterschiedliche Drüsenzellen enthält. Einige davon produzieren Schleim, der den Magen vor der Eigenverdauung schützt. Wieder andere scheiden Salzsäure aus, die Keime abtötet, aber auch das von anderen Drüsen ausgeschüttete Pepsinogen zum eiweißspaltenden Enzym Pepsin aktiviert. Die aus solchen Drüsenzellen hervorgehenden Adenokarzinome sind die mit Abstand häufigsten Magentumore. Deutlich seltener sind zum Beispiel Plattenepithelkarzinome oder Weichteilkarzinome, die von Bindegewebs- oder Muskelzellen ausgehen.

Risikofaktoren durch falsche Lebensführung Adenokarzinome entstehen in mehreren Schritten durch jahrelange Schädigung der Magenschleimhaut und der im Alter abnehmenden Fähigkeit des Körpers zur Zellreparatur. Alles, was die Schleimhaut reizt, gilt daher als Risikofaktor. Dazu gehören vorangegangene Magenoperationen oder eine Autoimmunerkrankung, die eine chronische Gastritis auslöst (Typ-A-Gastritis). Einige seltene erbliche Syndrome erhöhen ebenfalls das Risiko zu erkranken.

Gleiches gilt für Fälle von Magenkrebs bei Verwandten ersten Grades, wobei nicht klar ist, ob dies genetisch bedingt oder eher auf eine ähnliche familiäre Lebensführung zurückzuführen ist. Unbestritten ist, dass der Lebensstil und insbesondere die Ernährung wichtige Risikofaktoren sind. Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum und der Verzehr stark gesalzener oder gepökelter Lebensmittel wie Grillfleisch oder Wurst gelten als besonders gefährlich, da sie die Magenschleimhaut nachhaltig reizen.

Krank machende Keime In den letzten Jahrzehnten ist zunehmend auch der Befall des Magens mit Bakterien und Viren als Risikofaktor erkannt worden. Etwa fünf bis zehn Prozent der Tumoren führen Ärzte auf eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus zurück. Noch gefährlicher ist das Magenbakterium Helicobacter pylori. Der Verzehr von rotem Fleisch mit hohem Eisengehalt fördert die Vermehrung dieses Bakteriums im Magen. Auch hier haben Fleischesser also wieder ein größeres Risiko, an Magenkrebs zu erkranken. Denn Helicobacter pylori siedelt sich in der Magenschleimhaut an und verursacht dort chronische Schädigungen. Ein Großteil der Magenkrebs-Patienten weist eine starke Besiedlung mit diesem Keim auf.

Unspezifische Symptome In der Frühphase verläuft die Erkrankung meist symptomlos. Die ersten Anzeichen sind eher diffus und können andauernde Schmerzen im Oberbauch, Schluckstörungen, Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme umfassen. Magenblutungen können sich in einem schwarzgefärbten Stuhl (Teerstuhl) äußern. Spätestens dann sollte man die Symptome abklären lassen. Tumormarker im Blut können erste Hinweise geben, allerdings sind ihre Werte auch bei anderen, gutartigen Magenerkrankungen erhöht.

Erst eine Magenspiegelung, die eine direkte Entnahme von Gewebeproben ermöglicht, kann eine Verdachtsdiagnose erhärten. Ergibt die histologische Untersuchung dann die Diagnose „Magenkrebs“, hängt die Therapie von der Art und dem Stadium des Tumors ab. Ein endoskopischer Ultraschall zeigt, ob der Tumor bereits ins umgebende Gewebe hineingewachsen ist, eine Sonografie oder ein CT des Bauchraumes kann Metastasen nachweisen.

Immer noch schlechte Prognose Magenkrebs wird meist zu spät erkannt, bei einem Drittel der Diagnostizierten hat er bereits gestreut. Früh erkannt ist er jedoch gut heilbar. So können etwa kleine Tumoren noch endoskopisch entfernt werden. Ist der Tumor größer, aber noch auf den Magen begrenzt, werden die betroffenen Magenteile entfernt und der Restmagen direkt mit dem Darm verbunden. Muss im schlimmsten Fall der ganze Magen entfernt werden, vernähen die Ärzte die Speiseröhre direkt mit dem Darm, sodass die Nahrung den Körper weiterhin passieren kann.

Meist kommt noch eine Chemotherapie vor der Operation hinzu, um den Tumor zu verkleinern sowie eine weitere nach der Operation, um das Risiko für einen Rückfall zu minimieren. Bestrahlungen spielen hingegen kaum eine Rolle, da Magenkarzinome hierauf nicht gut ansprechen. Liegen bereits Metastasen vor, ist eine Heilung in der Regel nicht mehr möglich. Hier versucht man mithilfe verschiedener Therapien das Wachstum der Tumoren möglichst zu bremsen, um Symptome zu lindern und das Überleben zu verlängern.

„Targeted therapies“ auf dem Vormarsch Auch beim Magenkrebs spielen zielgerichtete Therapien eine immer größere Rolle. So wird man direkt bei Diagnosestellung untersuchen, ob die Tumorzelloberflächen vermehrt HER-2-Rezeptoren aufweisen, die nach dem Andocken eines bestimmten Wachstumsfaktors eine schnellere Teilung der Krebszellen veranlassen. Patienten mit solchen Tumoren können von einer Antikörpertherapie mit dem HER-2-Hemmer Trastuzumab profitieren. Er blockiert diese Rezeptoren und kann so das Zellwachstum verlangsamen, manchmal sogar vorübergehend stoppen. Trastuzumab kann bei metastasiertem, HER-​2-positivem Magenkrebs zusammen mit einer Chemotherapie eingesetzt werden.

Doch der Antikörper hat Nebenwirkungen: Vor allem muss unter der Therapie regelmäßig die Herzfunktion überprüft werden, da HER-2-Rezeptoren auch auf Herzgewebe- zellen vorkommen. Ein anderer Antikörper hungert die Tumorzellen quasi aus, indem er ihre Blutversorgung blockiert. Damit Tumoren wachsen können, schütten sie den Wachstumsfaktor VEGF (vascular endothelial growth factor) aus, der bewirkt, dass Blutgefäße in sie hineinwachsen und sie mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Der Antikörper Ramucirumab verhindert dies, indem er an den VEGF-Rezeptor der Blutgefäße andockt und ihn so für VEGF blockiert.

Ramucirumab ist zugelassen für Patienten mit metastasiertem Magenkrebs, bei denen eine erste Chemotherapie nicht mehr angeschlagen hat. Zurzeit wird in klinischen Studien untersucht, ob Checkpoint-Hemmer, die bei anderen Krebsarten bereits sehr erfolgreich eingesetzt werden, auch bei Magenkrebs sinnvoll sein könnten. Diese Hemmer richten sich gegen spezielle Bremsen („checkpoints“), die die Tumorzellen einsetzen, um die Immunantwort des körpereigenen Immunsystems zu unterdrücken. Checkpoint-Hemmer heben diese unterdrückte Immunantwort wieder auf, sodass die Immunzellen die Krebszellen nun erkennen und bekämpfen können.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 07/2020 ab Seite 100.

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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