Auf einem Baumstamm wachsen Pilze, die wie Ohren aussehen.© Igor Kramar / iStock / Getty Images Plus
Manchmal sehen Pilze aus wie Ohren und manchmal hat man einen Pilz im Ohr. Bei letzterem helfen antimykotische Wirkstoffe.

Rezeptur – Mischen possible

WENN ES DEN OHRWURM JUCKT

Neben dem Beratungsgespräch im Handverkauf gehört die Rezeptur für PTA zum wichtigsten pharmazeutischen Handwerkszeug. Lea Brachwitz leitet das Rezeptur-Team der Engel Apotheke in Darmstadt. In unserer Serie „Rezeptur – Mischen possible“ gibt sie Tipps, wie Sie mit schwierigen Rezepturen umgehen können.

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Ich habe schon über die Herstellung diverser Augentropfen berichtet, aber die Fenster zur Seele sind nicht die einzigen Orte, die Tropfen benötigen: Auch unsere Ohren haben sie manchmal nötig. Vielleicht sind Ihnen die so genannten Taucherohrentropfen bekannt, eine Kombination aus 70-prozentigem Ethanol zu gleichen Teilen mit Glycerin gemischt. Die Tropfen sind in der Herstellung wenig aufwendig, retten aber so mancher Wasserratte den Urlaub.

Was ist aber, wenn der Juckreiz im Ohr bleibt? Wenn man andauernd mit einem Wattestäbchen (nicht empfehlenswert) im Gehörgang bohren möchte, oder (noch schlimmer) einen Schlüssel dazu benutzt?! Spätestens jetzt ist der Gang zum Arzt fällig, denn durch diese starke mechanische Belastung der feinen Haut im Gehörgang kommt es schnell zu Ekzemen und Irritationen durch Bakterien und Pilzsporen.

Miconazol-Ohrentropfen: Was ist die Herausforderung?

So oder so ähnlich muss dem Kunden ergangen sein, der mit folgendem Rezept aus der Sprechstunde entlassen wurde:

Verordnete Rezeptur
Miconazol-Base 50 mg
Cremophor® EL 1,2132 g
Methyl-4-Hydroxybenzoat 5 mg
Propyl-4-Hydroxybenzoat 0,5 mg
Wasser für Injektionszwecke ad 10 ml

Gestolpert bin ich direkt über den Wirkstoff: Miconazol als Base. Meines Wissens liegt Miconazol doch nur als Nitrat vor, oder? Dann Cremophor® EL, der Lösungsvermittler und Emulgator, der mal wieder nicht lieferbar ist. Von den Kleinstmengen der Konservierungsmittel ganz zu schweigen. Wobei ich zumindest teilweise Alternativen fand: Für den Emulgator Cremophor® RH 40 statt Cremophor® EL. Und statt der Konservierungsmittel und Wasser für Injektionszwecke nehmen wir konserviertes Wasser – es ist ohnehin mit den gewünschten PHB-Estern konserviert. Bleibt nur noch die Herausforderung mit Miconazol.

Hinweise im NRF

Als kleinen Impulsgeber bemühte ich mal wieder das Neue Rezeptur Formularium (NRF) und schlug nach, ob sich da nicht etwas findet, das mir weiterhelfen könnte. Des Weiteren habe ich meine Rezeptur-Apothekerin gefragt, ob sie bei Gelegenheit den Handverkauf mal kurz unterbrechen und mir beim Denken helfen könne. Derweil fand ich im NRF tatsächlich Miconazoltropfen, allerdings wich die Zusammensetzung ziemlich ab. Vor allem ist die NRF-Rezeptur nicht konserviert, was der verschreibende Arzt aber ja offensichtlich wollte.

Doch jetzt erstmal die Zusammensetzung:

NRF 16.6. Miconazollösung 5 mg/ml
Miconazolnitrat 0,5757 g
Macrogol-35-glycerolricinoleat 12 g
Trometamol 0,02 g
Natriumchlorid 0,69 g
Wasser für Injektionszwecke zu 101,4 Gramm

Laut den vorliegenden Angaben soll alles in ein tariertes Becherglas gegeben und mit Hilfe von Wärme unter Rühren gelöst werden. Zwischendurch darf die Lösung eine Opaleszenz zeigen, die bei Abkühlen aber verschwinden sollte. Diese ganze Information war schon mal hilfreich für das weitere Vorhaben.

Hilfe aus Heidelberg

Außerdem habe ich noch einen weiteren verwendbaren Vorschlag gefunden, eine Rezeptur des Universitätsklinikums Heidelberg. Dankenswerterweise stell die Apotheke des Uniklinikums viele Rezepturen ins Netz, so dass auch die öffentliche Apotheke vom Klinikwissen profitieren kann. Natürlich entbindet dies uns nicht von der Prüfpflicht und alledem, was die Apothekenbetriebsordnung vorsieht, aber es ist eine große Hilfe. Die Klinikrezeptur für Miconazol-Ohrentropfen lautet wie folgt:

Miconazol-Ohrentropfen 10 ml, Apotheke des Universitätsklinikums Heidelberg
Miconazol-Base 0,05 g
Cremophor® EL 1,21 g
konserviertes Wasser, entweder selbst hergestellt oder das Fertigprodukt, 8,74 g

Sie geben sogar eine Firma an, welche kleine Mengen der Miconazol-Base liefern könnte, wenn die Rezeptur ein paar Tage Zeit hat. Um den Tag noch schöner zu machen, liefern die Kollegen aus der Klinik auch noch eine Herstellungsanweisung mit, so dass noch nicht einmal nachgeschaut werden muss, in welcher Phase sich das Miconazol am besten löst, in der öligen, hier also dem Emulgator, oder in der wässrigen.

Miconazol-Base in Nitrat umrechnen

Mittlerweile war auch meine Kollegin dazu gestoßen, ich erklärte ihr das Dilemma des Wirkstoffes. Mit Sicherheit kann man da was umrechnen, aber molare Masse berechnen und ich waren noch nie gute Freunde. Meine Kollegin bestätigte meine Vermutung und rechnete nochmal nach. So kamen wir zu folgendem Ergebnis: 0,05 Gramm (g) Miconazol-Base entsprechen 0,05757 g Miconazolnitrat. Ich zeigte ihr noch die Rezeptur des Uniklinikums Heidelberg und wir kamen überein, dass ich mich bei der Herstellung daran orientieren kann. Allerdings wird eben an Stelle von Cremophor® EL Cremophor® RH 40 verwendet.

Kann man Base und Nitrat wirklich einfach austauschen?
Bestimmt haben auch Sie während Ihrer Ausbildung in Fachrechnen besprochen, wie man über die molare Masse Stoffmengen umrechnet, wenn man statt des einen Wirkstoffderivats ein anderes verwendet. Das ist aber nicht bei jeder Substanz erlaubt! Es macht beispielsweise einen großen Unterschied, ob Sie Betamethason oder den Ester Betamethason-17-valerat verwenden: Das Valerat penetriert die Haut besser und wirkt entsprechend stärker. Recherchieren Sie deshalb immer, ob der Austausch möglich ist.
In unserem Fall ist es in Ordnung, das bestätigt das NRF. Dort heißt es: „Miconazol-Base kann nicht ohne Weiteres als Rezeptursubstanz bezogen werden, eingesetzt wird Miconazolnitrat in entsprechender Menge.

Miconazol-Ohrentropfen herstellen

Bevor sie wieder in den Handverkauf verschwand, fragte ich noch, welches Gefäß sie sinnvoller findet, zur Wahl standen eine klassische Pipettenflasche und eine sterile Augentropfenflasche – zwei, genauer gesagt, weil die Gesamtmenge nicht in eine Flasche passt. Wir haben uns dann auf die sterile Variante geeinigt, da das Ohr verletzt oder das Trommelfell in Mitleidenschaft gezogen sein könnten.

Kommen wir jetzt zur Vorbereitung und Herstellung unsere Rezeptur, die wie folgt lautet:

Hergestellte Rezeptur
Miconazolnitrat 0,05757 g
Cremophor® Rh 40 1,2132 g
Konserviertes Wasser zu 10,00 g

Laut der Herstellungsanweisung aus Heidelberg wird der Wirkstoff mit Emulgator und wässriger Phase direkt zusammen auf dem Wasserbad oder auf der Heizplatte auf 60 Grad Celsius (°C) erwärmt, bis alles homogen ist. Da ich mir aber unsicher war, ob sich das Nitrat nun genauso verhalten würde wie die Base, habe ich es erst in den Emulgator eingearbeitet, dann das konservierte Wasser dazu gegeben und alles gemeinsam noch einmal erwärmt. Da Wasserbäder immer etwas unberechenbar sind, verwende ich am liebsten die Heizplatte. Die organoleptische Prüfung hat eine klare Lösung ergeben, ohne Schwebeteilchen. Wenn man die Lösung kräftig rührt oder schüttelt, darf ein fester Schaum entstehen.

Steril filtrieren: Laminarflow und Bubble-Point-Test

Nachdem dies alles schon mal so funktioniert hatte und aussah wie von den Heidelbergern beschrieben, traf ich jetzt die Vorbereitungen zur Sterilfiltration. Die Laminarflow-Werkbank wird mit Ispopropanol ausgesprüht und angestellt, damit sie die empfohlene halbe Stunde vorlaufen kann. Dann werden die benötigten Utensilien mit Ispopropanol angesprüht und unter die Bank gestellt: zwei sterile Augentropfenflaschen aus Glas, zwei Sterilfilter mit einer Porengröße von 0,2 Mikrometern, zwei Kanülen und ein Paar sterile Handschuhe in passender Größe.

Als die Lösung abgekühlt war zog ich sie, außerhalb des Laminarflows, in eine Spritze auf. Auch diese wird mit Alkohol abgesprüht, genauso wie meine Hände, und dann unter die Werkbank befördert.

In zwei Ansätzen oder auf einmal filtrieren?

Das Prozedere ist das gleiche wie bei der Augentropfenherstellung: Luft aus der Spritze drücken, Filter aufsetzten, Kanüle auf den Filter stecken und die erste Hälfte der Lösung in Flasche eins geben. Filter und Kanüle wechseln und das gleiche noch einmal. Natürlich kann man auch die gesamten zehn Milliliter (ml) über einen Steril Filter geben, dann spart man sich den zwischenzeitlichen Wechsel. Wenn dann allerdings der Bubble-Point-Test nicht bestanden wird, müssen beide Flasche erneut filtriert werden, so nur eine.

Nach dem Bubble-Point-Test werden die Flaschen etikettiert und zu den abholbereiten Rezepturen gestellt. Die Haltbarkeit kann mit zwölf Monaten angegeben werden, es sei denn, ein Bestandteil ist deutlich kürzer haltbar, dann gilt natürlich dieses als Haltbarkeitsdatum für die Rezeptur.

Kleiner Steckbrief Miconazol

Nachdem ich mich solange mit dieser Rezeptur beschäftigt hatte, wollte ich doch noch etwas mein Wissen auffrischen. Was kann Miconazol eigentlich alles? Mir war es nur als Wirkstoff gegen Pilze geläufig, ein Mitglied der Familie der Azol-Antimykotika, die fungistatisch bis fungizid wirken. Aber es kann noch mehr. Tatsächlich ist Miconazol nicht nur bei Dermatophyten, Hefepilzen und Schimmelpilzen auf Haut und Schleimhaut einsetzbar. Es wirkt auch gegen Trichomonanden, einzellige Geißeltierchen, die Geschlechtskrankheiten hervorrufen, und einige grampositive Bakterien wie Staphylokokken und Streptokokken.

Des Weiteren wird Miconazol kaum vom Körper resorbiert, was natürlich eine Erklärung ist, warum es so häufig auch bei Windeldermatitis verwendet wird. Bei Frauen im ersten Trimenon einer Schwangerschaft soll es nicht angewendet werden, aber die sollten wir sowieso zum Arzt schicken.

So habe ich durch das Herstellen einer Rezeptur auch wieder Wissen für den  Handverkauf aufgefrischt.

Quellen:
https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin/apotheke/Rezeptur-Vorschriften/Miconazol-OT.pdf
https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/dac/nrf-wissen/rezepturenfinder/apo/einzelansicht/3887
https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/fuer-abonnenten/rezepturtipp/rezepturtipps-2020/neue-nrf-vorschrift-miconazol-loesung-5-mg/ml
https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Miconazol_86

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