Eine Frau im Sportstudio tritt beim Kickboxen in Kissen, die ihr Trainingspartner hochhält.© PeopleImages / iStock / Getty Images Plus
Dimethylsulfoxid, DMSO, unterstützt stumpfe Verletzungen beim schnellen Abschwellen - praktisch zum Beispiel im Kampfsport.

Rezeptur – Mischen possible

SCHWEFELIGER SCHMERZSTILLER DMSO

Neben dem Beratungsgespräch im Handverkauf gehört die Rezeptur für PTA zum wichtigsten pharmazeutischen Handwerkszeug. Lea Brachwitz leitet das Rezeptur-Team der Engel Apotheke in Darmstadt. In unserer Serie „Rezeptur – Mischen possible“ gibt sie Tipps, wie Sie mit schwierigen Rezepturen umgehen können.

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Die Behandlungsmöglichkeiten von Schmerzen und Schmerzzuständen sind so vielfältig wie eine bunte Blumenwiese. Es gibt Tabletten, Cremes und Gele, Pflaster, Sprays, Tropfen; verschreibungspflichtige und freiverkäufliche, chemische, pflanzliche und homöopathische Arzneimittel und wenn das nicht reicht gibt es noch Kinesiotape. Außerdem den Physiotherapeuten, natürlich darf auch die Krankengymnastik nicht fehlen oder der Reha-Sport.

Schmerzen sind eben sehr individuell und keiner gleicht dem anderen; dies ist mit Sicherheit jedem schon aufgefallen. Die einen sind mit Zahnschmerzen arbeitsunfähig, die anderen nicht. Auf Grund dessen vergeht kein Tag in einer Apotheke, an dem Sie nicht ein Schmerzmittel, egal in welcher Form, über den HV-Tisch reichen. Vielleicht sind Schmerzmittel auch das Thema, zu dem wir am meisten beraten.

Schmerzmittel in der Rezeptur

Wenn die vorhandenen Fertigarzneimittel nicht ausreichen oder nicht die passenden Wirkstoffkombinationen vorhanden sind, bleibt einem Mediziner nichts Anderes übrig, als eine Individual-Rezeptur zu verordnen. Ehrlich gesagt frage ich mich bei Fertigarzneimitteln manchmal, wie man auf solche Wirkstoffkombinationen kommt. Wahrscheinlich ist es auch in der Gesundheitsbranche sowie im restlichen Leben, manches ist super schön aber unpraktisch und das Praktische ist nicht schön.

So können hilfreiche Cremes furchtbar riechen, vor allem solche gegen Schmerzen und Entzündungen, und die, die angenehm duften bringen leider nichts oder nur wenig. Vielleicht liegt es aber auch an mir, ich habe eine gute Nase und wittere Odeure, die sonst kaum einer meiner Kollegen wahrnimmt.

Deshalb rümpfte ich schon innerlich die Nase und war ein bisschen glücklich, dass ich nicht Rezepturdienst hatte, als meine Kollegin mit folgender Rezeptur auf mich zukam:

Verordnete Rezeptur:
Dimethylsulfoxid (DMSO) 48 Gramm (g)
Diclofenac-Natrium 4 g
Basiscreme DAC zu 100 g

Sie wollte die Rezeptur kurz durchsprechen, hauptsächlich war ihre Frage: Im vollautomatischen System rühren oder doch lieber mit der Hand in der Fantaschale? Meine Antwort war, beides sei möglich, aber neue Rezepturen rühre ich gerne mit der Hand, um zu sehen, wie sie sich verhalten. Sie entschied sich daraufhin, das Diclofenac-Natrium im DMSO zu lösen und anschließend alles im automatischen Mischsystem zu homogenisieren; ein guter Kompromiss.

Da war doch etwas mit DMSO…

Im Hinterkopf war mir allerdings, als hätten wir so eine ähnliche Rezeptur schon einmal angefertigt – und als müsste dazu auch etwas im Neuen Rezeptur Formularium (NRF) zu finden sein. Die fleißigen Leser wissen bereits, dass ich ein großer Fan dieses Werks bin, egal ob man online darin recherchiert oder direkt die Papiervariante befragt. Also warfen wir einen Blick hinein und schauen nach.

Tatsächlich, wir fanden zwei Einträge, die uns zur Orientierung dienen konnten. Keiner ist identisch mit unserer Verordnung, aber die Verhältnisse stimmten fast und Hinweise zur Herstellung nahmen uns nun auch die Entscheidung ab, ob die Creme per Hand oder im Rührsystem hergestellt werden sollte. Auch zum Thema Haltbarkeit bekamen wir so Hilfe. Die eine Rezeptur, an der wir uns orientieren, ist eine geprüfte NRF-Rezeptur.

Dimethylsulfoxid-Creme 50 % NRF 2.6.
Dimethylsulfoxid 50,0 g
Carbomer 50000 1,0 g
Basiscreme zu 100,0 g

Die zweite Rezeptur ist keine geprüfte NRF-Rezeptur, somit muss hier mit besonderer Aufmerksamkeit gelesen werden. Aber es zeigt, dass zumindest die Wirkstoff-Kombination bekannt ist.

Alternative Rezeptur:
Diclofenac-Natrium 8,0 g
DMSO 46,0 g
Nichtionische hydrophile Creme SR (Vorschrift S. 26) 46,0 g

Kurz stand die Überlegung im Raum, die Grundlagen zu tauschen, also anstelle der verordneten Basiscreme DAC lieber Nichtionische Hydrophile Creme SR zu verwenden. Nach Rücksprache mit der verantwortlichen Apothekerin heben wir uns dann doch dagegen entschieden, eben aus dem Grund, dass die zweite Rezeptur nicht bis ins Detail erprobt ist.

Herstellen, abfüllen, kennzeichnen

Schlussendlich entschieden wir uns, die Rezeptur wie verordnet herzustellen, allerdings haben wir verabredet, wenn die Zubereitung zu flüssig würde, stellen wir sie noch einmal her, dann mit Carbomer 50000, gemäß NRF 2.6. Wir einigten uns dann doch auf die Herstellung in der Fantaschale, damit man die Konsistenz der Creme mehr unter Kontrolle hat.

Das Endprodukt war dann eine leichte Lotion, die in eine Tube abgefüllt wurde. Bei der Haltbarkeit richteten wir uns nach der Basiscreme DAC, also sechs Monate.

Was wirkt denn da? Diclofenac

Betrachten wir nun kurz die Bestandteile. Diclofenac-Natrium ist uns allen bekannt aus Fertigarzneimitteln, sowohl in Creme- und Gel- wie auch Tabletten- und Zäpfchenform. Es ist antientzündlich und schmerzstillend und man erzielt mit kleinen Dosen eine gute Wirkung. Die Standarddosierung liegt bei maximal 150 mg täglich, bei der retardierten Form, also der verzögerten Freisetzung, einmal täglich 100 mg oder zweimal täglich 75 mg. Das Nebenwirkungsprofil ist anderen nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) ähnlich.

DMSO: umstrittene Substanz mit Knoblauch-Geruch

Kommen wir nun zu dem interessanteren Wirkstoff: Dimethylsulfoxid, oder kurz DMSO. Diese Substanz ist seit ein paar Jahren in aller Munde, denn es wird als natürliches Schmerz- und entzündungshemmendes Mittel angesehen, obwohl es chemisch synthetisiert wird. Laut Fachliteratur ist es eine transparente, nahezu geruchlose Flüssigkeit, wobei ich immer die Nase rümpfe, wenn ich die Flasche öffne, geruchlos ist für mich etwas Anderes. Besonders bei Sportverletzungen wird es gerne verwendet, da stumpfe Verletzungen abschwellen lässt.

Für die Pharmazie interessanter ist allerdings, dass durch DMSO Wirkstoffe schneller und stärker in die Haut eindringen können, es ist also ein Penetrations- und Wirkbeschleuniger. Gleichzeitig muss dann auch beachtet werden, dass sonst harmlose Substanzen leichter in den Körper gelangen und plötzlich tödliche Wirkung haben könnten. In der Rezeptur ist das natürlich sinnvoll: Sowohl das Diclofenac als auch das DMSO wirken schmerzstillend und entzündungshemmend, zusätzlich wird Diclofenac tiefer in die Haut eingeschleust und DMSO trägt zu einem schnellen Abschwellen bei. Ich würde die Creme nutzen: Wenn ich dadurch schneller wieder leistungsfähig werde, nehme ich auch eine leichte Schwefel-Knoblauch-Note in Kauf.

Bei allen guten Eigenschaften von DMSO muss aber auch gesagt werden, dass es in Deutschland kein Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff mehr gibt. Es gibt keine Studie, die eine signifikante Verbesserung bei Schmerzen mit DMSO zeigt. Dennoch liest man immer mal wieder Beiträge über DMSO, weil es unter Alternativmedizinern beliebt ist und seine Vorteile propagiert werden.

Klassische Nebenwirkungen sind Brennen, Juckreiz und Rötungen der Haut, außerdem sorgt Dimethylsulfoxid für eine vermehrte Ausschüttung von Histamin, also sind Allergiker oder auch Asthmatiker von der Anwendung solcher Produkte ausgeschlossen. Dies sollte man auf jeden Fall vor der Abgabe der Rezeptur geklärt haben, im Idealfall natürlich schon bevor diese hergestellt wird.

Quellen:
https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/dac/nrf-wissen/rezepturenfinder/apo/einzelansicht/2139
https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/dac/nrf-wissen/rezepturenfinder/apo/einzelansicht/8
https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Diclofenac_277#Wirkmechanismus
https://www.medizin-transparent.at/dmso-arthrose-knie/

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