Eine Hand hält ein Nasenspray zum Sprühen © Ralf Geithe / iStock / Getty Images Plus
Ein Nasenspray liegt sicher in der Hand und ist schnell einsatzbereit - perfekt für die Notfall-Anwendung.

Rezeptur – Mischen possible

KRAMPF LASS NACH – MIDAZOLAM-NASENPRAY

Neben dem Beratungsgespräch im Handverkauf gehört die Rezeptur für PTA zum wichtigsten pharmazeutischen Handwerkszeug. Lea Brachwitz leitet das Rezeptur-Team der Engel Apotheke in Darmstadt. In unserer Serie „Rezeptur – Mischen possible“ gibt sie Tipps, wie Sie mit schwierigen Rezepturen umgehen können.

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Geht es Ihnen in der Rezeptur auch so? Manchmal habe ich das Gefühl, immer nur die gleichen Cortisoncremes anzufertigen. Und andermal kommen sie Schlag auf Schlag, die besonderen, außergewöhnlichen und merkwürdig erscheinenden Rezepturen. In diesem Artikel stelle ich Ihnen eine Rezeptur im Off-Label-Use vor.

Als Off-Label-Use bezeichnet man die Nutzung von Arzneimitteln außerhalb des ihnen zugedachten, durch die Arzneimittelbehörde zugelassenen Gebrauchs. Dies kann sich auf das Anwendungsgebiet oder die Anwendungsart beziehen. Medikamente durchlaufen viele klinische Studien, bevor sie zugelassen werden. Diese aufwendigen Testreihen sind kostspielig und für jede Indikation muss eine eigene Studie durchgeführt werden. Manchmal werden auch erst in diesen Studien Wirkungen entdeckt, nach den man nicht gesucht hatte. Wie bei Sildenafil, das als Bluthochdruckmittel gedacht war, dann aber 1998 gegen Potenzschwierigkeiten zugelassen wurde. Wenn es dennoch gegen pulmonale Hypertonie eingesetzt werden sollte, musste viele Jahre lang off-label Viagra® verordnet werden. Erst 2006 wurde Sildenafil unter dem Namen Revatio® gegen hohen Blutdruck im Lungenkreislauf zugelassen.

Off-Label-Use in der Rezeptur

Unser heutiger Wirkstoff ist im europäischen Raum nur in bestimmten Darreichungsformen als Fertigarzneimittel zugelassen. Die Applikation, wie sie hier vorgesehen ist, erfolgt off label; das Arzneimittel in dieser Darreichungsform stellen wir deswegen in der Apotheke als Individualrezeptur her. In den USA gibt es ein entsprechendes Fertigarzneimittel mit dem Namen Nayzilam®, der Import ist aber mit hohen Kosten, Diskussionen mit der Krankenkasse und einer langen Wartezeit verbunden. Diese Zeit haben die Kunden häufig nicht.

Wir stellen heute ein Nasenspray mit beruhigendem Wirkstoff her. Midazolam kennen wir aus der Familie der Benzodiazepine, eine Substanzklasse, die angstlösend, schlaffördernd und dämpfend wirkt. Aber nicht nur das, Midazolam wirkt auch krampflösend. Häufig macht man sich diese Wirkung vor chirurgischen oder diagnostischen Eingriffen zu Nutze, kurz bevor die Narkose eingeleitet wird und unter ärztlicher Aufsicht.

Unser Kunde bekommt dieses Nasenspray allerdings zur Behandlung seiner Krampfanfälle. Die genaue Diagnose kenne ich nicht, vielleicht hat er eine Form von Epilepsie. Ich weiß nur, dass es ihm mit diesem Spray deutlich besser geht und er nicht wegen jedes Anfalls in die Klinik muss.

Midazolam: als Substanz ein Betäubungsmittel, als Rezeptur nicht

Kommen wir nun zur eigentlichen Rezeptur. Verordnet ist: Midazolam Nasenspray 2,5 Milligramm (mg) pro Hub und davon zehn Milliliter (ml).

Bei der Wirkstoffbeschaffung ist gut zu wissen, dass die reine Substanz Midazolam unter das Betäubungsmittelgesetz fällt und nur als fertige Zubereitung keines mehr ist. Das heißt, wir müssen etwas genauer arbeiten, als wir es sonst schon tun:

  • Midazolam wird nicht über Nacht von den Großhändlern geliefert
  • Es muss im den Tresor gelagert werden.
  • Zu- und Abgang müssen in der BtM-Kartei dokumentiert werden.
  • Wir müssen die Packung vor und nach dem Prüfen wiegen und die Differenz notieren.

Herstellungsanweisung entwickeln

Im Neuen Rezepturformularium (NRF) finden wir vier Vorschläge, von denen aber nur einer geprüft wurde und eine NRF-Nummer erhalten hat: Midazolam-Lösung 2 mg/ml NRF17.3. Sie ist nur zur Einnahme gedacht. Eine Rezeptur zur nasalen Applikation findet sich auch, aber eben mit dem Hinweis, dass sie nicht geprüft wurde - eigenes Mitdenken ist also erforderlich ist. Es zeigt uns jedoch auch, dass wir das Rad nicht neu erfinden müssen und es erleichtert uns das Arbeiten.


Zusammensetzung laut NRF: Midazolam-Nasenspray 18 mg/ml (entspricht 2,5 mg/Hub)
100 ml enthalten:
Midazolamhydrochlorid 2,0 g
Natriumhydrochlorid 0,57 g
Edetathaltige Benzalkoniumchlorid-Stammlösung 0,1% (Vorschrift S.18) 10,0 g
Salzsäure 1% (Vorschrift S.46) q.s.
Gereinigtes Wasser zu 100,9 g

 

Herstellung vorbereiten

Drei Schritte müssen zu Beginn erledigt werden, einmal das Umrechnen der Wirkstoffmenge, denn sie ist als Hydrochlorid angegeben, wir haben aber die Base als Substanz; dann die Herstellung der Konservierungslösung und der Salzsäure zur pH-Einstellung.

Zum Umrechnen suche ich mir immer ein Fertigarzneimittel, das das Hydrochlorid enthält, aber auch die Masse der Base angibt. Dann rechne ich mit dem Dreisatz um. Es geht aber auch über die molare Masse. Da wir die edetathaltige Benzalkoniumchlorid-Stammlösung 0,1 % häufig brauchen, haben wir immer eine kleine Menge vorbereitet. Die Zusammensetzung ist:
 

Edetathaltige Benzalkoniumchlorid-Stammlösung 0,1% (Vorschrift S.18), 100 g enthalten: Benzalkoniumchlorid-Lösung 0,197 g
Natriumedetat 1,0 g
Wasser für Injektionszwecke zu 100,0 g.
Das Ganze hat einen pH-Wert von pH 4,6.

Kommen wir nun zur Salzsäure:

Salzsäure 1% (Vorschrift S.46), 100 g enthalten:
Salzsäure 10 % 10,0 g
Gereinigtes Wasser zu 100 g

 

Kalt lösen im Becherglas

Nun ist nicht mehr viel zu tun. Gewogen wird auf der Analysenwaage in ein tariertes Becherglas. Meine liebsten Hilfsmittel in diesem Fall sind kleine Glasstäbe und Einmal-Pipetten aus Kunststoff. Der pH-Wert der fertigen Rezeptur sollte zwischen drei und vier liegen, was wir mit pH-Papier kontrollieren.

Die fertige Lösung, ohne Schwebeteilchen, wird in ein Tropfglas eingefüllt und mit einem Dosiersprühkopf versehen. Der verwendete Sprühkopf sollte 0,15 ml pro Hub beziehungsweise 0,14 g pro Hub versprühen, um die verordnete Dosis zu erhalten. Der Einfachheit halber haben wir die Sprühköpfe verwendet, die sonst auf die Fentanyl-Nasensprays drauf kommen, dies entspricht den Vorschriften. Die Haltbarkeit liegt bei sechs Monaten. Entsprechend etikettiert wartet das Nasenspray darauf, abgeholt zu werden.

Quellen:
https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/dac/nrf-wissen/rezepturenfinder/apo/einzelansicht/569
https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/dac/nrf-wissen/rezepturenfinder/apo/einzelansicht/601
https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/dac/nrf-wissen/rezepturenfinder/apo/einzelansicht/3921
https://band-online.de/wp-content/uploads/2020/08/20190801-Stn-intranasale-Medikamentengabe.pdf
https://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Midazolam-Nasenspray
https://flexikon.doccheck.com/de/Midazolam
https://flexikon.doccheck.com/de/Status_epilepticus

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