verschiedene Menschen im Bildschirm© fizkes / iStock / Getty Images Plus
In der Psychologie dienen die sogenannten „Big Five“, Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus (emotionale Instabilität) der Charakterisierung der Persönlichkeit.

Resilienz

WELCHE PERSÖNLICHKEIT DEN CORONASTRESS AM BESTEN WEGSTECKT

Mit dem ersten Lockdown in der Corona-Pandemie kam es zu einem unerwarteten Glücksfall – jedenfalls für die Psychologen des Universitätsklinikums Jena. Diese untersuchten nämlich biologische Stressreaktionen. Damals ahnte niemand, dass eine belastende, nie dagewesene Situation bevorstand. 

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Gegen Ende des Jahres 2019 lud ein Team des Instituts für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie am Uniklinikum Jena zur Teilnahme an einer Studie ein. Man fragte darin, wie ausgeprägt die Eigenschaften Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus (emotionale Instabilität) waren. 

Diese auch „Big Five“ genannten Merkmale dienen in der Psychologie der Charakterisierung der Persönlichkeit. Einschätzen sollten die Teilnehmer auch, ob sie anfällig für Stress seien oder eher resilient, also widerstandsfähig. Die Studie sah vor, die Teilnehmenden später noch einmal zu kontaktieren und sie zu fragen, ob sie möglicherweise belastende Erfahrungen gemacht haben oder Stress aushalten mussten – und wie gut sie damit umgehen konnten.
 

Ausnahmezustand Corona-Pandemie

Was keiner vorhergesehen hatte: Mit Beginn der Corona-Pandemie befanden sich plötzlich alle Studienteilnehmer in einem ganz besonderen Ausnahmezustand, nämlich dem ersten Lockdown. Für die Studie wurde das zum Glücksfall, denn die Erfassung der Persönlichkeitsmerkmale und Resilienz war noch unbeeinflusst vom pandemischen Geschehen; Lockdown und Kontaktbeschränkungen betrafen danach alle gleich.

So war es dann möglich, sowohl das subjektive Stressempfinden zu ermitteln – als auch ein objektives Stressmerkmal, nämlich den Spiegel des Stresshormons Kortison. Dieser wurde mithilfe von Haarproben gemessen. „Wir wollten herausfinden, ob sich vom prä-pandemischen Persönlichkeitsprofil und der Resilienz auf die Höhe der psychologischen und physiologischen Stressmarker schließen lässt“, beschreibt es Erstautorin Professorin Veronika Engert.
 

Erhöhtes Stressempfinden

Die erste Befragung fand also vor dem ersten Corona-bedingten Todesfall statt, die zweite während des ersten Lockdowns im Frühjahr und eine weitere im Sommer 2020.Wie erwartet, zeigte sich vermehrtes Stressempfinden und gehäufter biologischer Stress, je neurotischer eine Person war. „Aufgrund ihrer allgemeinen emotionalen Labilität leiden Menschen mit hohem Neurotizismus in Belastungssituationen.“

Doch dieser proportionale Zusammenhang ergab sich auch für das Merkmal der Extrovertiertheit. Generell gilt: Extrovertierte Menschen, denen Kommunikation und Aktivitäten mit nderen wichtig sind, sind weniger stressanfällig. „Während der Pandemie fehlte allerdings die Möglichkeit, Belastungen durch die Unterstützung in der sozialen Gruppe abzumildern und zu teilen. Wahrscheinlich litten extrovertierte Personen deshalb besonders unter den Pandemieeindämmungsmaßnahmen. Das können wir an den physiologischen Stressmarkern belegen“, so Engert. Bei den anderen drei Persönlichkeitsmerkmalen (siehe „Big Five“) und auch für die Resilienz konnte das Studienteam aber keine Vorhersagekraft für das Stresshormonlevel ableiten.

Das sollte Konsequenzen für die Entwicklung individualisierter Stressmanagementprogramme haben, fordert die Professorin. „Diese müssen in einem Lockdown-freundlichen Format angeboten werden, damit die Belastung frühzeitig gemildert werden kann. Bei den besonders betroffenen Personen könnten wir auf diese Weise der Manifestation gesundheitlicher Stressfolgen wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen entgegenwirken.“

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

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