Eine rot-weiße Kapsel trägt die Aufschrift "STATIN lipid-lowering-drug".© sittithat tangwitthayaphum / iStock / Getty Images Plus
Bekommen die lipidsenkenden Statine eine weitere Indikation?

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SIND STATINE DIE NEUE WUNDERWAFFE GEGEN KREBS?

Statine sind bekannt als gängige Cholesterinsenker. Doch sie können offensichtlich noch mehr: Zwei Forscher von der Charité Berlin berichten, dass sie ein Gen hemmen, das Krebszellen metastasieren lässt.

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Die Metastasen sind es meist, die Krebspatienten sterben lassen, nicht der Primärtumor selbst – auch nach einer geglückten Tumoroperation. Denn die Krebszellen können sich schon sehr früh auf Wanderschaft begeben, wenn der Tumor noch klein und unentdeckt ist. Dafür müssen sie sich aus ihrem Zellverband lösen, in neue Gewebe einwandern, sich dort niederlassen und vermehren.

Das können sie, indem sie einen wichtigen Treiber aktivieren: Das Metastasis-Associated in Colon Cancer 1-Gen (MACC1). Das Gen gilt somit als Schlüsselmarker und Biomarker für Tumorwachstum und Metastasierung. Viele andere Forscher neben Ulrike Stein vom Experimental and Clinical Research Center (ECRC) und Robert Preißner von der Charité Berlin haben dies weltweit untersucht und in mehr als 300 Veröffentlichungen bestätigt.

Statine hemmen Expression des Krebs-Metastasen-Treibers

Stein und Preißner haben dabei entdeckt, was den Metastasenantrieb in solchen Fällen stören könnte: Statine, die als Cholesterinsenker verschrieben werden, hemmen die MACC1-Expression in Tumorzellen. Zusammen mit den Kollegen am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg überprüften sie die verschiedenen Tumorzelllinien plus sieben verschiedene Statine. Die Ergebnisse waren durchweg positiv: Alle getesteten Medikamente verminderten die MACC1-Expression – allerdings nicht alle gleich stark.

Daraufhin verabreichten die Wissenschaftler die Cholesterinhemmer genetisch veränderten Mäusen mit erhöhter MACC1-Expression. Die Tiere bildeten daraufhin kaum noch Tumore und Metastasen aus. „Besonders bemerkenswert ist, dass dies bei den Tieren auch dann noch funktioniert hat, nachdem wir die Dosis im Verhältnis zur Menge, die Menschen normalerweise einnehmen, verkleinert haben“, so Stein.

Krebshäufigkeit um die Hälfte geringer

Außerdem analysierten sie die Daten von insgesamt 300 000 Patienten, die Statine gegen ihre Hypercholesterinämie verschrieben bekommen hatten. „Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung war bei den Patienten, die Statine einnehmen, die Krebshäufigkeit um die Hälfte niedriger“, fasst Preißner zusammen.

Klinische Studien nötig

Wer jedoch Statine nun vorsorglich einnehmen will, um Krebs zu verhindern, dem erteilt Ulrike Stein eine Absage: Ohne ärztliche Beratung und Check der Lipidwerte sie das zu gefährlich, denn eventuelle schwerwiegende Nebenwirkungen könnten dann nicht mehr kontrolliert werden. „Wir stehen noch ganz am Anfang“, betont die Wissenschaftlerin. „Zelllinien und Mäuse sind keine Menschen.“ Nach den experimentellen Untersuchungen und der retrospektiven Datenanalyse sei erstmal eine klinische Studie geplant. Ein großer Vorteil bei der ganzen Sache ist: Statine sind als Arzneimittel bereits zugelassen.

Quelle: MDC Berlin

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