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Repetitorium

ERKRANKUNGEN DER HARNWEGE – TEIL 2

Auch das männliche Geschlecht ist vor Blasenentzündungen nicht gefeit, auch wenn Männer viel seltener als Frauen erkranken. Dafür gestalten sich die Infektionen bei ihnen häufig komplizierter.

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Männer erkranken selten an einer Zystitis, da ihre Harnröhre erheblich länger als die der Frauen ist. Somit werden aufsteigende Bakterien beim Wasserlassen ausgewaschen, ehe sie die Blase erreichen. Zudem wird angenommen, dass das antimikrobielle Sekret der Prostata die Keime vernichtet. Harnwegsinfektionen bei Männern werden grundsätzlich als kompliziert eingestuft, da die Vorsteherdrüse (Prostata) mit betroffen sein kann.

Gelegentlich lassen sich bei jungen Männern auch unkomplizierte Harnwegsinfektionen ohne Prostatabeteiligung finden. Bei ihnen scheinen sexuell übertragbare Infektionen, Analverkehr sowie Vorhautveränderungen eine ursächliche Rolle zu spielen. Am häufigsten kommt bei Männern zwischen 20 und 30 Jahren eine Harnleiterentzündung (Urethritis) vor.

Problem Prostata Während junge Männer selten unter Harnwegsinfektionen leiden, nähert sich das Erkrankungsrisiko älterer Männer mit zunehmendem Alter dem der Frauen an. Als Ursache liegt zumeist eine altersbedingte Vergrößerung der Prostata (Prostatahyperplasie) zugrunde. Wächst die ringförmig die Harnröhre umschließende Prostata, drückt sie auf das Gewebe, engt es ein und führt so zu einer Behinderung des Urinabflusses.

Blasenentleerungsstörungen sind die Folge, die sich durch eine verzögerte und verlangsamte Harnentleerung (Miktion) mit Nachträufeln und abgeschwächtem Harnstrahl bemerkbar machen. Zudem verbleibt Restharn, der Erregern die Gelegenheit bietet, sich ungestört zu vermehren und eine Infektion der Harnwege auszulösen.

Zusätzlich zu diesen als Miktionsbeschwerden bezeichneten Symptomen stellen sich noch irritative Symptome ein. Dazu zählen häufiges Wasserlassen (Pollakisurie), nächtlicher Harndrang (Nykturie) sowie eine schmerzhafte Blasenentleerung (Dysurie).

Der Harndrang kann auch überfallsartig auftreten und in einer Dranginkontinenz (unkontrollierter Harndrang) münden. Da die irritativen Symptome auf eine eingeschränkte Speicherkapazität der Blase zurückzuführen sind, spricht man auch von Speicherbeschwerden. Im angloamerikanischen Sprachraum hat sich für den Symptomkomplex bei der Prostatahyperplasie der Begriff LUTS etabliert, der für lower urinary tract symptoms steht.

Gutartige Prostatavergrößerungen Häufig handelt es sich um eine gutartige (benigne) Prostatahyperplasie (BPH). Sie betrifft etwa jeden zweiten Mann ab 65 Jahren. Prinzipiell verläuft das Wachstum der Prostata sehr langsam, doch zwischen dem 40. und 50. Lebensalter wächst das Gewebe besonders rasch. Später verlangsamt sich dieser Prozess wieder, manchmal kommt er sogar zum Stillstand. Eine BPH ist auf winzige knotige Gewebeänderungen der Drüse sowie vermehrtes Muskelgewebe, das zur Prostata gehört, zurückzuführen.

Sie kann mit einer Gewichtszunahme bis zum Fünffachen des Ausgangswertes einhergehen. Ursachen für die Wucherungen sind derzeit nicht genau bekannt, aber man geht von einem Missverhältnis der männlichen und weiblichen Sexualhormone aus. Insbesondere Dihydrotestosteron und das im Alter bei Männern in höherer Konzentration vorliegende Estradiol regen die Prostatazellen zum Wachstum an. Eventuell spielen auch entzündliche Prozesse eine Rolle.

Gefürchtete Komplikationen Harnwegsinfektionen können sich bis in das Nierenparenchym ausdehnen und eine Entzündung des Nierenbeckens, also eine Pyelonephritis, und im schlimmsten Fall eine lebensbedrohliche Blutvergiftung (Urosepsis) auslösen. Zudem können die Keime über den Samenleiter in die Nebenhoden gelangen und zu einer Nebenhodenentzündung (Epididymitis) führen.

Eine Epididymitis macht sich mit Schwellungen und starken Schmerzen bemerkbar, die in Leiste und Unterbauch ausstrahlen und von Fieber begleitet sein können. Gefürchtete Komplikationen sind durch Narbenbildung ein Verschluss des Nebenhodenkanals, der einen Verlust der Fruchtbarkeit nach sich zieht.

Ebenso können chronische Verlaufsformen oder ein Übergreifen der Entzündung auf den Hoden zur Sterilität führen. Wird das Zellwachstum in der Prostata nicht gestoppt, wird die Harnröhre durch die Prostatavergrößerung zunehmend eingeengt. Dadurch staut sich Urin in der Blase, was wiederum eine Überdehnung der Blasenmuskulatur mit sich bringt. Diese kann sich nicht mehr richtig zusammenziehen, sodass vermehrt Restharn in der Blase verbleibt.

Durch den erhöhten Druck auf die Harnröhre ist Wasserlassen zudem nur noch möglich, wenn die Blase sehr voll und der Druck in der Blase entsprechend hoch ist. Das Geschehen, das als Überlaufinkontinenz bezeichnet wird, macht sich mit einem ständigen tropfenweisen Urinabgang bemerkbar. Auch kommt es nicht selten zu einer begleitenden erektilen Dysfunktion. Ein sehr seltenes Phänomen, dafür aber umso gefährlicher, ist ein akuter Harnverhalt.

Dann kann trotz übervoller Blase keine Entleerung stattfinden. Krampfartige Schmerzen und eine Wölbung im Unterbauch deuten auf diesen medizinischen Notfall hin, der eine sofortige ärztliche Behandlung erfordert.

Arztbesuch erforderlich Aber auch eine vergrößerte Prostata ohne begleitende Komplikationen ist zunächst kein Fall für die Selbstmedikation. Der Arzt muss die Prostata eingehend untersuchen, um bösartige (maligne) Veränderungen (Prostatatumor) rechtzeitig zu erkennen und zu therapieren. Tumoren der Prostata stehen bei Männern an erster Stelle der Krebserkrankungen.

Auch wenn die Prostatahyperplasie als gutartig diagnostiziert wird, ist sie regelmäßig ärztlich zu überwachen. Der Arzt muss entscheiden, ob eine medikamentöse Therapie ausreicht oder eine Operation erforderlich wird. Auf jeden Fall sind begleitende Entzündungen der Harnwege, der Nebenhoden oder der Prostata adäquat zu behandeln.

PSA-Wertbestimmung Den ersten Hinweis auf eine vergrößerte Prostata bekommt der Arzt durch eine Tastuntersuchung (Palpation). Da sich die Prostata unterhalb der Harnblase unmittelbar vor dem Enddarm (Rektum) befindet, ist sie vom Rektum aus mit dem Finger gut zu ertasten (digito-rektale Untersuchung). Eine derartige Untersuchung wird jedem Mann ab dem 45. Lebensjahr als Früherkennungsuntersuchung angeraten.

Da die Palpation aber nicht immer zwischen benignen und malignen Vergrößerungen der Prostata unterscheiden kann, erfolgt bei der jährlichen Vorsorge außerdem eine Blutuntersuchung zur Bestimmung des prostataspezifischen Antigens (PSA). Dieses Eiweiß ist in dem von der Prostata produzierten Sekret enthalten und macht das Sperma dünnflüssiger. In einer bösartig veränderten Prostata wird es vermehrt produziert.

Für eine aussagekräftige Beurteilung ist aber nicht der absolute Wert, sondern die Entwicklung des PSA-Wertes entscheidend. Steigt der Wert innerhalb eines Jahres deutlich an oder bleibt er über einen längeren Zeitraum erhöht, liegt die Vermutung für einen Tumor der Prostata nahe.

Allerdings können auch andere Auslöser wie beispielsweise Entzündungen oder benigne Vergrößerungen der Prostata zu erhöhten Werten führen, sodass der Nutzen der PSA-Bestimmung kontrovers diskutiert wird. Letztendlich liefert nur eine Gewebeprobe den eindeutigen Nachweis beziehungsweise Ausschluss maligner Veränderungen.

Häufige Ursachen für Harnwegsinfektionen bei Männern

+ Harnabflussstörungen durch gutartige Prostatavergrößerung (BPH), Harnröhrenverengung, Vorhautveränderungen, Steinleiden, Prostatatumor
+ Angeborene oder erworbene Fehlbildungen des Harntrakts, z. B. vesikoureteraler Reflux
+ Neurologische Erkrankungen, z. B. Querschnittslähmungen, Multiple Sklerose, Demenz
+ Stoffwechselerkrankungen, z. B. Diabetes mellitus
+ Dauerkatheter
+ Krankheiten oder die Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr schwächen

Entzündung der Prostata Ebenso kann bei Problemen mit dem Wasserlassen eine Entzündung der Prostata (Prostatitis) vorliegen. Während eine BPH und ein Prostatakarzinom verstärkt bei Personen über 50 Jahren auftritt, leiden schätzungsweise bis zu 15 Prozent aller 20- bis 50-jährigen Männer unter einer Prostatitis. Meist geht ihr eine Entzündung der unteren Harnwege voraus. Die Keime gelangen dann aufsteigend über die Harnröhre in die Prostata und infizieren das Prostatagewebe.

Häufigster Erreger ist der Darmkeim E. coli, aber auch Infektionen mit Enterokokken, Klebsiellen und Mykobakterien sind möglich. Die akute Prostatitis zeigt sich mit einer schmerzhaften Schwellung der Prostata und starken Schmerzen im Damm- und Afterbereich, die zudem in den Rücken, Leistenbereich, Penis und Hoden ausstrahlen können. Zusätzlich klagen die Betroffenen unter Brennen und Schmerzen beim Wasserlassen, häufigem Harndrang und einem abgeschwächten Harnstrahl.

Oftmals wird die Symptomatik noch von Schüttelfrost oder Fieber begleitet. Wird die akute Entzündung nicht ausreichend behandelt, kann sich daraus eine Pyelonephritis entwickeln. Akute Prostatiden können aber auch chronifizieren, da sich zurückbleibende Keime in Biofilmen anreichern und eine chronische bakterielle Prostatitis auslösen.

Chronische Prostatiden zeigen zwar meist eine ähnliche Symptomatik, allerdings sind die Schmerzen oft weniger stark ausgeprägt, sodass sie nicht immer von den Patienten wahrgenommen werden. Hellhörig sollten Männer mit erektiler Dysfunktion oder vorzeitigem Samenerguss sein. Ebenso weisen ein durch Blutbeimischungen rötlich verfärbtes Sperma oder rezidivierende Harnwegsentzündungen auf eine chronische Verlaufsform hin.

Harnsteinleiden Harnwegsinfektionen werden auch durch Harnsteinleiden (Urolithiasis) begünstigt. Diese sind zudem mit Komplikationen wie einer Entzündung oder Rissen im Nierenbecken verbunden. Es kann sich auch eine Urosepsis entwickeln, wenn sich durch Blockade der Abflusswege ein Urinrückstau bildet, durch den der Urin und damit auch Keime ins Blut gedrückt werden. Männer sind besonders häufig von einer Urolithiasis betroffen, vor allem mit zunehmendem Alter.

Das Risiko steigt auch bei erhöhter Zufuhr tierischer Proteine, beim Genuss von Lebensmitteln, die sehr viel Oxalsäure enthalten, sowie bei mangelnder Flüssigkeitszufuhr. Ebenso begünstigen anatomische Anomalien im Bereich der Harnwege und Nieren eine Steinbildung. Darüber hinaus ist eine familiäre Häufung festzustellen. Ursache ist eine Übersättigung des Harns mit steinbildenden Substanzen, die nach längerer Zeit auskristallisieren.

Am häufigsten sind Ablagerungen aus Calicumoxalaten, daneben spielen Steine aus Harnsäure, Calciumphosphat, Cystin und Purinen eine Rolle. Steine, die in der Niere liegen, verursachen meist keine direkten Symptome und bleiben daher zunächst oft unbemerkt.

Sie können jedoch als Ursache für Blut im Urin oder wiederkehrende Harnwegsinfekte in Frage kommen. Gelangt der Stein in den Harnleiter, führt dies meist zu Flankenschmerzen mit starken, krampfartigen Koliken, die von Übelkeit und Erbrechen begleitet werden. Schlimmstenfalls kommt es zu einer Abflussbehinderung der Niere (Harnstauungsniere), die als Notfall sofort behandelt werden muss.

Urologika Neben der leitliniengerechten Verordnung von Antibiotika stehen noch verschiedenste Arzneimittel zur Behandlung von Erkrankungen der Harnorgane (Urologika) zur Verfügung. Viele davon sind verschreibungspflichtig, es existieren aber auch Alternativen, die im Rahmen der Selbstmedikation zum Einsatz kommen können. Vor allem eignen sich diverse pflanzliche Präparate bei der BPH.

Pflanzliche Prostatamittel Beim Vorliegen einer BPH mit milden bis mittleren Beschwerden sind Phytotherapeutika mit Arzneikürbissamen, Brennnesselwurzel, Wurzel der Afrikanische Lilie (Synonym: Gelbes Sternengras, Hypoxis rooperi-Wurzel), Gräserpollen und Früchten der Sägepalme eine gute Empfehlung. Zudem sind Präparate mit Phytosterolen geeignet, die beispielsweise aus Roggenpollen oder den Wurzeln von Hypoxis rooperi gewonnen werden.

Sie werden wegen ihrer gewebsentwässernden, entzündungshemmenden und den Hormonstoffwechsel in der Prostata positiv beeinflussenden Wirkungen geschätzt und sind auch für die Langzeitanwendung geeignet. Voraussetzung für wirksame Effekte ist ihre regelmäßige Einnahme sowie eine ausreichend hohe Dosierung.

Auch wenn sich Therapieerfolge wie beispielsweise reduzierter Harndrang im Frühstadium einer BPH häufig einstellen, ist bislang nicht eindeutig geklärt, ob sich mit ihnen das vermehrte Zellwachstum stoppen lässt. Daher ist auf jeden Fall eine engmaschige ärztliche Kontrolle weiterhin notwendig, vor allem um rechtzeitig ein Prostatakarzinom zu entdecken.

Alpha-1-Rezeptorenblocker Bei stärkeren Beschwerden werden alpha-1-Rezeptoren-Blocker wie Tamsulosin, Alfuzosin, Terazosin, Doxazosin und Silodosin verordnet, die über eine Entspannung des Gewebes eine erleichterte Blasenentleerung ermöglichen. Einen Einfluss auf die Prostatagröße haben sie jedoch nicht.

Da diese Substanzgruppe über einen gefäßerweiternden Effekt auch zur Blutdrucksenkung führen, enthalten die meisten Verschreibungen vor allem die Substanzen Tamsulosin und Alfuzosin, die einen geringeren Einfluss auf den Blutdruck ausüben. Allerdings ist bei diesen beiden Wirkstoffen mit Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Durchfall, Schwellung der Nasenschleimhaut und Mundtrockenheit zu rechnen.

5-alpha-Reduktasehemmer Finasterid und Dutasterid sind nach mehrmonatiger Therapie in der Lage, das Wachstum der Prostata aufzuhalten oder sogar eine Verkleinerung der vergrößerten Drüse zu erzielen. Sie senken über eine Hemmung des Enzyms 5-alpha-Reduktase die Konzentration von 5-alpha-Dihydrotestosteron, das einen bedeutsamen Einfluss auf das Prostatawachstum hat.

Eine Verordnung dieser Substanzen ist aber mit Nebenwirkungen wie Ejakulationsstörungen, erektiler Dysfunktion und Libidoverlust verbunden.

PDE-5-Hemmer Seit einigen Jahren steht zur Therapie einer BPH auch der verschreibungspflichtige Phosphodiesterase-5-Inhibitor (PDE-5-Hemmer) Tadalafil zur Verfügung. In einer Dosierung von 5 Milligramm (mg) entspannt die Substanz bei täglicher Einnahme die glatte Muskulatur von Prostata und Blase und steigert damit die Durchblutung des unteren Harntrakts.

Als Nebeneffekt verbessert sich auch die Erektion. Die Wirkung von Tadalafil beruht auf der Hemmung der vermehrt im Hoden befindlichen Phosphodiesterase Typ 5 (PDE-5). Dadurch wird der Abbau von zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP) unterbunden, was mit einer Relaxation der glatten Muskelzellen von Prostata und Blase einhergeht. Der Blasenhals kann sich besser öffnen und somit der Harnabfluss leichter erfolgen.

Antibiotika Symptomatische Harnwegsinfekte erfordern bei Männern immer eine Antibiose, um Komplikationen zu vermeiden. Vor Behandlungsbeginn sollte eine Urinkultur angelegt werden, um nach Erhalt der Ergebnisse auf eine resistenzgerechte Therapie umstellen zu können. Männer werden bei einer Blasenentzündung länger als Frauen antibiotisch behandelt. Unter der Voraussetzung, dass sie kein Fieber haben, erhalten sie meist sieben Tage lang ein Antibiotikum.

Bei einer akuten Harnwegsinfektion ohne Prostatabeteiligung sind Piv-mecillinam und Nitrofurantoin Mittel der Wahl. Wird der Infekt von Fieber begleitet, geht man von einer Mitbeteiligung der Prostata und damit von einer Prostatitis aus, bei der kein Nitrofurantoin zur Anwendung kommen sollte. Dann ist das Fluorchinolon Ciprofloxacin eine wirksame Alternative.

Auch für die orale Therapie einer Pyelonephritis werden in erster Linie Fluorchinolone empfohlen, wobei die Therapiedauer dann zwischen zehn und 14 Tagen beträgt. Liegt eine durch sexuell übertragbare Keime (z. B. Chlamydien, Gonokokken) verursachte Prostatitis oder Urethritis vor, wird häufig Doxycyclin verordnet. 

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 05/2022 ab Seite 86.

Gode Chlond, Apothekerin

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