© salajean / iStock / Thinkstock

Heilpflanzen

RELIKTE AUS URALTER ZEIT

Vor circa 400 Millionen Jahren im Erdzeitalter des Karbons erstreckten sich ausgedehnte Wälder aus riesigen Schachtelhalmen über die Nordhalbkugel. Heute existieren nur noch sehr viel kleinere Varianten.

Seite 1/1 3 Minuten

Seite 1/1 3 Minuten

Schachtelhalme sind erdgeschichtlich sehr alte Pflanzen. Die damaligen Vertreter waren stattliche Riesen von bis zu 30 Metern Höhe mit einem Durchmesser von bis zu einem Meter. Ihre Überreste bilden gegenwärtig einen Teil der Steinkohlevorkommen in Europa. Ein lebendiges Überbleibsel der Pflanzengruppe ist der heute bei uns sehr verbreitete Ackerschachtelhalm , der lediglich 50 Zentimeter hoch wird.

Frühjahrs- und Sommertriebe Equisetum arvense L. aus der Familie der Schachtelhalmgewächse (Equisetaceae) gehört wie die Farne, Moose und Bärlapp zu den Sporenpflanzen (Pteridophyta). Wie diese hat der Ackerschachtelhalm keine Blüten, sondern vermehrt sich über Sporen. Die Sporentriebe treiben im zeitigen Frühjahr (März bis April) aus einem bis zu 1,60 Meter Tiefe in der Erde verankerten Wurzelstock.

Diese hellbraunen etwa 1 bis 3,5 Millimeter dicken Triebe werden etwa 20 Zentimeter hoch. Sie tragen an ihrer Spitze eine zapfenähnliche Sporenähre (Sporophyllstände), in denen die Sporen entstehen, die der Fortpflanzung dienen. Nach dem Absterben der fertilen Frühjahrstriebe erscheinen von Mai bis Juni bis zu 50 Zentimeter hohe grüne sterile Laubtriebe, die Sommertriebe. Sie sind hohl, kräftig gefurcht und durch ineinandergeschoben angeordnete (geschachtelte) Stängelstücke gegliedert, worauf der deutsche Name Schachtelhalm verweist.

Die einzelnen Glieder sind an den Ansatzstellen knotig verdickt. Alle Knoten sind von trockenhäutigen Blattscheiden umhüllt, die aus an der Basis miteinander verwachsenen dreieckig-lanzettlichen Blättchen (Zähnen) bestehen. An den Knoten entspringen quirlig stehende, meist unverzweigte Seitentriebe, die der Pflanze ein nadelbaumähnliches Aussehen verleihen.

Lästiges Unkraut Sowohl die deutsche Bezeichnung Ackerschachtel halm als auch der Artname arvense (lat. arvum = Acker) zeigen den Standort der Pflanze an. Sie ist in Europa und anderen gemäßigten Breiten vom Tiefland bis ins Hochgebirge auf Ackerland und an den Ackerrändern zu finden, wo sie sich sehr schnell ausbreitet und kaum auszurotten ist.

Aber nicht nur auf Äckern gedeiht das schwer zu bekämpfende Unkraut. Ackerschachtelhalm wächst auch gern auf Ödland, Schuttstellen, Böschungen und an Bahndämmen, wobei er feuchte Sand- und Lehmböden bevorzugt. In der Landwirtschaft gilt er auch als Zeigerpflanze für Bodenverdichtung und Staunässe.

Kieselsäurehaltige Stängel Die Stängel des Ackerschachtelhalms sind sehr hart und fest, was auf Einlagerungen von Kieselsäure in der Zellwand zurückzuführen ist. Darauf nehmen gleich mehrere Bezeichnungen der Pflanze Bezug. Ihr Gattungsname Equisetum setzt sich aus lat. equus = Pferd und seta = Borste, starkes Haar zusammen, da die steifen Stängel den Borstenhaaren eines Pferdeschweifes ähneln.

Auch das Synonym Pferdeschwanz verweist darauf. Zudem wird die Pflanze Zinnkraut genannt, da die rauen, harten Stängel aufgrund der Kieselsäuresilikate eine gewisse Schleifwirkung haben, die man früher zum Putzen und Polieren von Zinngeschirr nutzte.

Altes Heilmittel Ackerschachtelhalm wurde auch schon früh medizinisch eingesetzt. Bereits im Altertum lobten Gelehrte wie Dioskurides oder Plinius die harntreibenden, hustenwirksamen, blutstillenden und wundheilenden Eigenschaften des Schachtelhalms. Nachdem die Pflanze lange Zeit in der Heilkunde keine Rolle spielte, gewann sie wieder durch Sebastian Kneipp an Bedeutung. Vor allem schätzte er ihre Heilkraft bei Rheuma und Gicht sowie zur Unterstützung der Wundheilung.

Innerlich und äußerlich Noch heute ist Ackerschachtelhalm eine wichtige diuretisch wirksame Droge, wobei die unfruchtbaren, grünen Sommertriebe verwendet werden. Die Qualität von Equiseti herba (Schachtelhalmkraut) ist im Europäischen Arzneibuch (Ph.Eur.) festgelegt. Die Indikationen sind in der Positivmonographie der Kommission E beschrieben.

Darin wird Schachtelhalmkraut innerlich zur Durchspülungstherapie bei bakteriellen und entzündlichen Erkrankungen der Harnwege und bei Nierengrieß sowie bei posttraumatischen Ödemen empfohlen. Daher ist sie häufiger Bestandteil von harntreibenden Tees, Blasen- und Nierentees sowie Gicht- und Rheumatees. Die harntreibende Wirkung ist vor allem auf die enthaltenden Flavonoide wie Kämpferol- und Quercetinglykoside zurückzuführen, wobei es sich um eine reine Wasserdiurese ohne erhöhte Ausscheidung von Natriumund Kaliumionen handelt.

Äußerlich kommt Schachtelhalmkraut zur unterstützenden Behandlung schlecht heilender Wunden zum Einsatz, die zum einen vermutlich auf der bindegewebsfestigenden und bindegewebsregenerierenden Wirkung der Kieselsäure und zum anderen auf den adstringierenden Eigenschaften der Flavonoide beruht. Die Volksheilkunde nutzt zudem ihre blutstillenden Eigenschaften bei zu starker Menstruationsblutung und bei Nasenbluten und setzt sie traditionell auch bei leichten Katarrhen der oberen Luftwege ein.

Vorsicht! Ackerschachtelhalm kann leicht mit dem Sumpfschachtelhalm (Equisetum palustre L.) verwechselt werden, der wegen seiner enthaltenen Alkaloide Palustrin und Palustridin als giftig gilt.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/16 ab Seite 32.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

×