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Seriöse Wissenschaft oder Science fiction?

REINE KOPFSACHE

Organtransplantationen wie die des Herzens gehören zum Alltag der Chirurgie. Was aber, wenn man versuchte, einen Kopf zu transplantieren?

Seite 1/1 2 Minuten

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Kennen Sie das auch? Ein Freund erleidet einen Herzinfarkt, der das Organ irreparabel schädigt. Einzige Überlebenschance: die Transplantation eines Spenderorgans. Was noch vor einigen Jahrzehnten einem Todesurteil gleich gekommen wäre, ist mittlerweile eine „heilbare“ Erkrankung.

Kaum jemand würde heute die Frage nach der ethischen Vertretbarkeit etwa einer Nierentransplantation stellen, die Einwilligung des Spenders vorausgesetzt. Was uns aber bei der Verpflanzung einer Cornea am Auge noch völlig unproblematisch erscheint, wird bei der Verpflanzung etwa einer ganzen Hand schon schwieriger: Manche Patienten sind nicht in der Lage, das fremde Organ anzunehmen, es als Teil des eigenen Körpers zu betrachten. Die Wahrnehmung des eigenen Selbst wird so sehr gestört, dass sie die Hand wieder abnehmen lassen.

Wie müsste es da erst sein, würde man einen ganzen Kopf auf einen neuen Körper transplantieren? Dabei stellt sich natürlich zunächst die Frage, wieso man so etwas überhaupt tun sollte. Prinzipiell infrage kämen für eine solche Operation Patienten, die bei völlig gesundem Geist in einem sterbenden Körper gefangen sind, etwa nach Querschnittslähmung ab der Halswirbelsäule oder bei Muskelatrophie mit vollständiger Lähmung. Derartige Verletzungen oder Erkrankungen führen früher oder später zu tödlichem Organversagen. Wieso also sollte man einem solchen Patienten nicht den Körper eines Hirntoten geben, auf dass sein Gehirn, sein Ich, weiterleben könnte?

Der Patient wäre nach der OP zwar immer noch gelähmt, denn das Zusammenfügen der Nervenstränge des Rückenmarks wäre unmöglich, aber er wäre weiterhin am Leben! Wenngleich ein solcher Eingriff noch bei keinem Menschen durchgeführt wurde, so scheint sie doch prinzipiell machbar: Bereits in den 60er- und 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden Experimente an Affen durchgeführt, in denen genau dies gelungen ist: Der Kopf eines Primaten wurde erfolgreich auf den Körper eines anderen verpflanzt – er überlebte die Prozedur, wenn auch querschnittsgelähmt.

Doch wie würde ein Mensch reagieren, wenn er plötzlich auf einen fremden Körper herabblicken würde, der ihn am Leben erhält. Würde er dankbar sein für das verlängerte Leben oder würde er es gar nicht als sein Leben empfinden? Letztlich müßte wohl jeder selbst entscheiden, ob er eine solche Verlängerung seines Lebens wollte oder nicht und wir, die wir nicht betroffen sind, sollten uns nicht einmischen. Oder doch? Ethische Fragen dieser Tragweite sind immer zunächst eine Frage des persönlichen Abwägens, dann aber eben auch eine des gesellschaftlichen Konsenses. So soll es auch bleiben – und so kennen Sie das sicher auch …

ZUR PERSON
Prof. Dr. Holger Schulze
Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de 

Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg sowie auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg. Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens. www.schulze-holger.de  
 

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/11 auf Seite 12.

 


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