Eine rosa Papierwand ist aufgebrochen, dahinter sieht man einen lachenden Frauenmund mit pink geschminkten Lippen.© Prostock-Studio / iStock / Getty Images Plus
Überraschung, wieder da: Lippen Herpes kommt immer wieder, denn er überdauert im Körper entlang der Nerven. Forscher haben nun etwas darüber herausgefunden, wie das Virus reaktiviert wird.

Reaktivierungsmechanismus

WARUM KOMMT HERPES IMMER WIEDER?

Stress, Sonnenlicht oder ein unterschwelliger Infekt und schon blüht er auf: der Lippenherpes. Einmal infiziert, schlummert das Virus im Körper und kann jederzeit reaktiviert werden. Wie es dazu kommt, scheint nun gelöst – dadurch ergeben sich auch neue Therapieansätze.

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Laut einer britischen Studie aus dem Jahr 2015 schlummert das Herpes-Simplex-Virus 1 (HSV-1) in jedem zweiten Menschen unter 50 Jahren – weltweit. Das Virus verursacht vorwiegend Infektionen im Mund- und Gesichtsbereich: Es treten juckende und brennende Bläschen auf, die umgangssprachlich als Fieberbläschen bezeichnet werden.

Neben HSV-1 existieren noch sieben weitere Virusvarianten. HSV-2 beispielsweise ist häufig bei Infektionen im Genitalbereich nachzuweisen. Allen Varianten ist gemein, dass eine Heilung nicht möglich ist, sondern lediglich die Symptome behandelt werden können. Der Grund: Ist die akute Infektion abgeklungen, wandern die Viren in die Nervenzellen und verbleiben dort ein Leben lang – und können jederzeit reaktiviert werden.

Was das Herpes-Virus aus dem Schlaf holt

Ein wissenschaftliches Team der Julius-Maximilians-Universität forscht unter der Leitung der Virologen Lars Dölken und Bhupesh Prusty bereits seit Jahren an verschiedenen Herpesviren. Am humanen Herpesvirus 6 (HHV-6), dem Auslöser des Drei-Tage-Fiebers, wurde das Team unlängst fündig. Dank neuartiger systembiologischer sowie computergestützter Methoden kann das Team neue Erkenntnisse zum bislang unbekannten Reaktivierungsmechanismus veröffentlichen. 

Die Schlüsselrolle scheinen Mikro-RNAs (miRNA) einzunehmen, also kurze Ribonukleinsäuren, die die Genexpression regulieren. Herpesviren nutzen solche RNA-Schnipsel, um ihre Wirtszelle für ihre eigene Vermehrung umzuprogrammieren. Und für ihre Reaktivierung. miR-aU14, wie diese spezielle Mikro-RNA betitelt wurde, wird dabei vom Virus selbst produziert. Sobald sie aktiv ist, manipuliert sie den menschlichen Stoffwechsel derartig, dass das HHV wieder erwacht und ungestört agieren kann.

Denn das Immunsystem wird ausgetrickst: miR-aU14 blockiert die Reifung menschlicher Mikro-RNAs, die zur Produktion von Typ-I-Interferonen führen und somit das Immunsystem über den störenden Erreger informieren würden. Die reaktivierten Viren können also ungestört wüten ohne angegriffen zu werden. Die Aktivierung anderer Herpesviren könnte vergleichbar ablaufen.

Die Schad-RNA ausschalten

„Die virale Mikro-RNA miR-aU14 ist für die Reaktivierung von HHV-6 quasi der zentrale Schalter. Wer oder was diesen drückt, ist unklar”, sagt Lars Dölken. „Entscheidend ist aber, dass unsere Daten zeigen, dass sich HHV-6 ohne das Drücken genau dieses Schalters offensichtlich nicht mehr reaktivieren kann.“

Theoretisch lassen sich Mikro-RNAs mit Hilfe sogenannter Antagomiren an- beziehungsweise ausschalten. Dabei handelt es sich im kleine, synthetische RNA-Stücke, die mit der miRNA einer spezifischen Zielzelle komplementär ist. Somit könnte man durch diese neue Erkenntnis eine Strategie entwickeln, miR-aU14 entweder direkt zu blockieren oder sie gezielt zu aktivieren, um im Anschluss die betroffenen Wirtszellen auszuschalten.

Doch dafür sind noch weitere Untersuchungen nötig. Die Forschenden wollen nun herausfinden, was genau miR-aU14 aktiviert und warum das Virus bei manchen Menschen reaktiviert wird und bei manchen nicht.

Quellen:
https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2022/05/neue-forschungsergebnisse-im-kampf-gegen-herpes
https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/krankheiten-im-ueberblick/herpes-simplex.html

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