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Kolumne | Holger Schulze

RAUM-ORDNUNG

Wir lernen Sequenzen besonders gut, indem wir sie uns räumlich angeordnet vorstellen. Dabei scheint eine präferierte Orientierung von links nach rechts angeboren zu sein.

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Kennen Sie das auch? Die Vorstellung, viele Dinge so zu klassifizieren, als hätten sie einen räumlichen Bezug, selbst wenn das faktisch gar nicht der Fall ist? Zeit etwa stellen wir uns entlang einer gerichteten räumlichen Achse vor, mit einer Orientierung von links nach rechts oder von hinten nach vorne. Oder wir sprechen von der Tonhöhe eines hohen oder tiefen Tons, wenngleich damit freilich keineswegs gemeint ist, dass der eine Ton oben und der andere unten wäre. Vielmehr bilden wir hier eine Metapher, um Töne hoher Frequenz, also mit vielen Schwingungen pro Zeit, von solchen mit niedriger Frequenz, also wenigen Schwingungen pro Zeit, zu unterscheiden.

Babys lernen am besten von links nach rechts.

Offensichtlich erleichtert uns die Übertragung eines räumlichen Ordnungskonzepts, das uns aus unserer visuellen Wahrnehmung geläufig ist, auf abstrakte Größen deren „Sortierung“. Wir wissen dann intuitiv, was einen hohen von einem tiefen Ton unterscheidet, selbst wenn wir keine Ahnung von den physikalischen Grundlagen des Schalls, von Schwingungen oder Frequenzen haben. Stellt sich die Frage, wieso Gehirne Ordnung gerne durch Analogiebildung zu räumlichen Ordnungskonzepten schaffen.

Ist das eine Eigenschaft, die angeboren ist und auf der Organisation des Gehirns selbst beruht oder eher etwas, das sich erst im Laufe der Entwicklung durch Bildung und Erziehung herausbildet? Um die Antwort gleich vorweg zu nehmen: sowohl als auch! Tatsächlich fällt es uns besonders leicht, Sequenzen von etwas zu lernen, wenn wir uns diese auf einer räumlichen Achse angeordnet vorstellen. Dabei kann es sich um Zahlenfolgen, Schrift oder auch abstrakte Symbole oder Größen handeln. Interessant dabei ist, dass stets eine bestimmte Richtung im Raum bevorzugt wird: So reagieren Menschen westlicher Kulturen schneller auf Zahlenfolgen, wenn kleine Werte links und große rechts angeordnet sind, der sogenannte SNARC-Effekt (Spatial Numerical Association of Response Codes).

Die Tatsache, dass dieser Effekt bei Menschen aus Kulturen, deren Schrift nicht wie bei uns von links nach rechts sondern von rechts nach links verläuft, wie etwa arabische Schrift, genau umgekehrt orientiert ist, spricht zunächst für eine kulturelle Grundlage der Ordnungspräferenz. Tatsächlich aber gibt es wohl auch eine angeborene Präferenz: untersucht man Sequenzlernen bei vier bis sieben Monate alten Babys, in einem Alter also, in dem kulturelle Prägungen wie Schreibrichtung weitgehend ausgeschlossen werden können, so zeigt sich ein deutlicher Vorteil der links-nach-rechts-Orientierung: Babys lernen besser von links nach rechts!

Die Ursache hierfür könnte sein, dass die rechte Hirnhälfte, welche auf räumlich-visuelle Verarbeitung spezialisiert ist und das linke Gesichtsfeld repräsentiert, früher reift als die linke. Erst später können dann kulturelle Einflüsse diese Vorzugsrichtung der räumlichen Repräsentation verändern, etwa durch Erlernen einer anders orientierten Schrift. Das Gehirn muss dann allerdings umlernen, aber das muss es ja oft, kennen Sie sicher auch …

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/18 auf Seite 12.

Zur Person

Prof. Dr. Schulze Hirnforscher Holger.Schulze@uk-erlangen.de

Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg sowie auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg. Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens.

www.schulze-holger.de

Babys lernen am besten von links nach rechts.

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