Auf drei Würfeln sind die Zahlen 2, 0, 2 zu sehen. Ein vierter Würfel wird gerade umgekippt, er zeigte bislang statt einer Null ein Coronavirus, nun zeigt er statt einer Eins eine Spritze.
Auch 2021 beschäftigt die Wirkstoffforschung sich stark mit SARS-CoV-2, aber auch mit anderen spannenden Themen. © peterschreiber.media / iStock / Getty Images Plus

Neu | Zulassung

MIT WELCHEN ARZNEIMITTELN KÖNNEN WIR 2021 RECHNEN?

Die Corona-Pandemie prägte die Wirkstoffforschung 2020, gleich mehrere Hersteller entwickelten in beachtlichem Tempo Impfstoffe. Dieser Trend könnte sich 2021 fortsetzen. Doch auch Arzneimittel, die nichts mit dem Virus zu tun haben, stehen in den Startlöchern.

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Comirnaty (BNT162b2) von Biontech und Pfizer wurde letztes Jahr in Rekordzeit zugelassen, Moderna zog in diesem Januar nach. Auch für Astrazeneca steht dies voraussichtlich bevor. Um das zu ermöglichen, konzentrierten sich Forscher weltweit auf das dringende Thema SARS-CoV-2. Auch in diesem Jahr sind Innovationen auf dem Arzneimittelmarkt zu erwarten. Einige davon dienen der Therapie von COVID-19, doch auch Medikamente gegen andere Erkrankungen sind geplant.

Arzneistoffe gegen COVID-19
Zum einen könnten zahlreiche bereits für andere Indikationen zugelassene Wirkstoffe ein Repurposing zur Behandlung von COVID-19 erfahren:

  • Molnupiravir, eigentlich gegen die Grippe entwickelt, wirkt ähnlich wie Remdesivir, kann aber oral eingenommen werden.
  • Opaganib ist ursprünglich ein Krebstherapeutikum, das aber auch antientzündlich und antiviral wirkt.

Andererseits hat der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) eine Übersicht erarbeitet, die völlig neue Arzneistoffe listet. Diese befinden sich bereits in den Phasen II oder III der klinischen Studien und könnten noch in diesem Jahr zugelassen werden. Dazu zählen unter anderem die SARS-CoV-2-Antikörper

  • Bamlanivimab,
  • Casirivimab und Imdevimab in Kombination,
  • AZD7442, eine Kombination aus Antikörpern von rekonvaleszenten COVID-Patienten.

Außerdem stehen diese immundämpfenden Wirkstoffe vor einer Neuzulassung:

  • Der Antikörper Vilobelimab, der sich nicht direkt gegen das Coronavirus richtet, sondern gegen die Komplementkomponente C5a des Immunsystems
  • Ifenprodil, das eine überschießende Immunreaktion verhindert, indem es die Freisetzung von Zytokinen bremst

Schleimhautimpfungen?
Eine neuere Generation von Impfstoffen gegen COVID-19 soll oral oder nasal auf den Schleimhäuten wirken. Sie sollen nicht nur die Infektion mit dem Virus, sondern auch die Übertragung verhindern. Ob diese Impfstoffe aber schon 2021 erhältlich sein werden, sieht Virologe Christian Drosten kritisch: „Ich glaube, das wird noch ein kleines bisschen länger dauern als ein Jahr.“

Andere antivirale Arzneimittel
Gegen Influenza steht Baloxavirmarboxil (Xofluza®) kurz vor der Zulassung. Es soll der Behandlung der Grippe dienen und zum Schutz nach dem Kontakt mit Influenza-Patienten. Der Integrase-Hemmer Cabotegravir (Vocabria®) soll in Kombination mit Rilpivirin als Erhaltungstherapie bei HIV zugelassen werden. Es ist für Patienten gedacht, in deren Blut das Virus schon nicht mehr nachweisbar ist. Ohne Rilpivirin soll Cabotegravir der Präexpositions-Prophylaxe dienen. Außerdem hat Fostemsavir (Rukobia®) bereits die Zulassungsempfehlung erhalten: Es soll gegen multiresistente HI-Viren zum Einsatz kommen.

…und dann gibt es ja auch noch Bakterien!
Auch im Bereich der Antibiotika könnte es in diesem Jahr Neuerungen geben. Lefamulin (Xenleta®) wirkt gegen im Krankenhaus erworbene Lungenentzündungen. Es ist das erste systemisch wirkende Pleuromutilin-Antibiotikum. Für das Siderophor-Antibiotikum Cefiderocol (Fetcroja®) verkündete der Hersteller bereits die Markteinführung im Januar. Es soll gegen gramnegative aerobe Erreger eingesetzt werden, wenn es keine andere Behandlungsmöglichkeit gibt. Der besondere Trick: Cefiderocol lässt sich, an Eisen gebunden, wie ein Trojanisches Pferd in das Bakterium einschleusen. Dies funktioniert auch, wenn die Keime bereits Resistenzen gegen andere Arzneistoffe entwickelt haben. Auch das Fluorchinolon Delafloxacin (Quofenix®) könnte 2021 zugelassen werden. Und Pretomanid ist für Erwachsene mit resistenter Tuberkulose gedacht, bei denen keine andere Behandlung möglich ist. Es stört die Zellwandsynthese und die Zellatmung der Tuberkulose-Erreger.

Außerdem wurden zwei Kombinationen aus Beta-Lactam-Antibiotika und Betalactamase-Inhibitoren zugelassen. Vaborbactam (in Vaborem®) und Relebactam (in Recarbrio®) blockieren das Enzym an Bakterien, das Beta-Lactam-Antibiotika außer Kraft setzt. Die beiden Präparate wurden also wegen der zunehmenden Antibiotika-Resistenzen entwickelt.

Insgesamt dürften die Medikamente gegen Infektionskrankheiten ein Viertel oder mehr der Neueinführungen von 2021 ausmachen - ein seit vielen Jahren nicht mehr erreichter Spitzenwert!

Das vermeldete der VFA zu Beginn des Jahres.

Epilepsie
Bereits (wieder-) zugelassen ist Fenfluramin (Fintepla®). Wegen kardiovaskulärer Nebenwirkungen wurde es als Appetitzügler vom Markt genommen. Nun kehrt es als Add-On-Therapeutikum für Epileptiker zurück: Es soll beim Dravet-Syndrom eingesetzt werden, einer seltenen Form von Epilepsie mit häufigen Krampfanfällen ab dem Kindesalter. Cenobamat (Xcpopri®) könnte die Therapie von fokalen Anfällen unterstützen. Es wirkt antikonvulsiv und moduliert GABA-Rezeptoren.

Neurodermitis
Nachdem 2020 Baricitinib (Olumiant®) als erster Januskinse-Inhibitor auch gegen atopische Dermatitis zugelassen wurde, könnte diese Zulassungserweiterung 2021 auch für andere Wirkstoffe dieser Klasse erfolgen. Für Abrocitinib ist die Neuzulassung beantragt. Ebenso für einen Antikörper gegen das Interleukin-13: Tralokinumab. Der Phosphodiesterase-4-Inhibitor Crisaborol (Staquis®) ist bereits zugelassen, aber noch nicht erhältlich.

Wirkmechanismus: RNA-Interferenz
Arzneimittel, deren Wirkung auf RNA-Interferenz beruht, stören den Bau bestimmter Proteine. Ein kleines Stück störender small interfering RNA (siRNA) verursacht, dass die zu ihr passende Boten-RNA (mRNA) abgebaut wird. Da diese der Bauplan für Eiweißverbindungen ist, können die entsprechenden Proteine nicht mehr oder nur in geringerem Maße gebildet werden. So sorgt der neue Lipidsenker Inclisiran (Leqvio®) dafür, dass das Protein fehlt, das sonst LDL-Rezeptoren abbaut. Dadurch können mehr Rezeptoren das LDL aus dem Blut binden. Lumasiran (Oxlumo®) hingegen verhindert die Bildung des Enzyms Glykolatoxidase. Somit sinkt der Oxalat-Spiegel im Körper – ein essenzieller Effekt bei der seltenen Erbkrankheit Primäre Hyperoxalurie Typ 1. Bei der Erkrankung wird zu viel Oxalat produziert, welches sich in den Organen absetzt und unter anderem zu Nierenversagen führen kann.

Das sind nur einige der Arzneimittel, die 2021 kurz vor der Zulassung oder sogar schon kurz vor der Vermarktung stehen. Es bleibt spannend.

Gesa Van Hecke,
PTA und Redaktionsvolontärin

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/was-bringt-das-jahr-2021-122865/seite/alle/ 
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/die-zweite-generation-122878/seite/alle/ 
https://www.vfa.de/de/presse/pressemitteilungen/pm-001-2021-medizin-2021-was-an-neuen-medikamenten-kommen-kann.html 

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