© DIE PTA IN DER APOTHEKE

PTA DER ERSTEN STUNDE

Anlässlich unseres 50-jährigen Jubiläums meldete sich Ursula Brandt aus Berlin bei uns. Sie war eine der ersten PTA und ist seit dem ersten Heft eine unserer Abonnentinnen. Wir haben lange telefoniert und es gab viel zu erzählen …

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Liebe Frau Brandt, wann haben Sie Ihre Ausbildung begonnen und wie kamen Sie überhaupt auf die Idee, PTA zu werden? Das ist eine gute Frage! Den Beruf kannte ja damals noch kaum einer, ich auch nicht. Aber meine Mutter arbeitete bei der Nürnberger Zeitung und hatte von diesem neuen Beruf gelesen.

Ich hatte gerade die 10. Klasse des Gymnasiums abgeschlossen, hatte damit die Mittlere Reife und für Naturwissenschaften habe ich mich schon immer interessiert. Also ging ich mit meiner Mutter und meinem Zeugnis zur Schule und meldete mich an. Dass ich auf dem Gymnasium auch Latein hatte, kam bei der Schulleitung gut an. Ich wurde angenommen und begann 1969 meine Ausbildung.

Bestimmt war die Ausbildung damals anders als heute. Die einzelnen Fächer haben sich gar nicht so sehr verändert, aber es war alles Neuland, auch für die Lehrer. Es gab ja überhaupt noch keine Lehrbücher für PTA. Die Lehrer, das waren meist Apotheker, zum Teil auch Chemiker, die haben sich am Stoff für die Vorexaminierten orientiert. Es war wirklich eine interessante Zeit mit viel Improvisation. Nach einem halben Jahr sollten wir dann plötzlich Schulgeld bezahlen.

Das war vorher so nicht vereinbart worden und das konnten auch viele nicht. Ich hatte ja das Gymnasium extra verlassen, um schnell einen Beruf zu erlernen und Geld zu verdienen. Mein Vater war kurz zuvor gestorben. Eine schlimme Zeit, in der wir alle nicht wussten, ob und wie es weitergeht. Dann ist der Bayrische Apothekerverein eingesprungen und hat die Patenschaft für die Schule übernommen. Ein Glück, sonst wäre ich nie PTA geworden.

Ursula Brandt
absolvierte von 1969 bis 1972 die PTA-Ausbildung an der gerade neu gegründeten Fachschule der Stadt Nürnberg für PTA. Nach einem Apothekenpraktikum und einer kurzen Zeit als PTA in der Apotheke arbeitete sie in Berlin an der Freien Universität und an der Charité in Forschungslabors verschiedener Institute. Seit 2016 genießt sie ihre wohlverdiente Rente.

Und nach den zwei Jahren Schule gingen Sie dann in die Apotheke? Ja, fürs Praktikum. Wir haben damals sehr wenig verdient und gut gefallen hat es mir auch nicht. Ich glaube, die Apotheker hatten sich abgesprochen, was sie zahlen wollen. Es gab da ja noch keine offizielle Regelung und keinen Tarifvertrag. Ich fand die Arbeit auch nicht besonders spannend. Nichts durfte ich alleine machen, alles musste ich vorzeigen und abzeichnen lassen. Es gab auch noch so viel Unsicherheit bei den Apothekern. Was macht eine PTA überhaupt? Wie integriere ich sie in die Apotheke?

Aber es gab auch lustige Momente. Einmal haben wir Pepsinwein hergestellt. Dazu musste ich zehn Liter Südwein abfüllen. Irgendwie war immer ein bisschen zu viel im Messzylinder, das habe ich dann abgetrunken. Nach dem Praktikum und den letzten Prüfungen war ich dann PTA und bekam eine Festanstellung in der Apotheke, die ich für kurze Zeit auch annahm. Aber mir schwebte was anderes vor. Zum einen wollte ich nach Berlin zurück, wo wir bis zum Tod meines Vaters gelebt hatten und wo meine Schwester wohnte, zum anderen wollte ich viel lieber in die Forschung. Also habe ich mich in Berlin beworben, am Pharmakologischen Institut der Freien Universität in Westberlin. Damals war Deutschland ja noch geteilt. Ich ging einfach hin, klingelte an der Tür und sagte: „Sie suchen doch jemanden fürs Labor. Ich bin PTA!“

Als Antwort bekam ich: „Was ist das?“ zu hören. Ich beschrieb also, was ich an der PTA-Schule gelernt hatte: „Sie sind doch ein Pharmakologisches Institut. Ich hatte Arzneispezialitätenkunde.“ Und dann wurde ich durchs Labor geführt. Eppendorf-Pipette, Ultrazentrifuge, und so weiter – das hatte ich alles noch nie gesehen. Wir waren ja überhaupt noch nicht vernünftig ausgestattet an der Schule. Ich sagte also bei allem, was ich sah: „Nein, das kenne ich nicht. Aber ich will die Stelle haben und möchte das alles lernen.“ Und so fing ich am 2. Mai 1974 dort an.

Wie kam es, dass sie DIE PTA IN DER APOTHEKE abonnierten? Wie gesagt, meine Mutter arbeitete bei einem Verlag und da sah sie eine Anzeige, die für eine Fachzeitschrift für PTA warb, damals hieß sie pta IN INDUSTRIE UND APOTHEKE. Sie schloss ein Abo für mich ab. Und das habe ich nie gekündigt und werde es auch nie kündigen, weil ich den Kontakt zur Apotheke nicht verlieren möchte. Ich habe seit 50 Jahren jede Ausgabe bis zum letzten Blatt gelesen. Am Anfang war es ja ein dünnes Heft, jetzt steht da schon mehr drin.

Wie ging es dann beruflich weiter? Ich bekam alles beigebracht, was man für die Arbeit im Labor können musste. Die meisten Kollegen waren Mediziner, die gerade promovierten. Meine Ausbildung zur PTA war eine sehr gute Grundlage fürs Labor. Dazu kam mein persönliches Interesse und so arbeitete ich mich nach und nach immer weiter in die Materie ein. Die vielen wissenschaftlichen Diskussionen mit den Kollegen über unsere Versuchsabläufe brachten mir viel. Ich qualifizierte mich dann noch weiter zur Fachassistentin für Klinische Chemie. Insgesamt war ich 34 Jahre im Labor und arbeitete an 14 wissenschaftlichen Veröffentlichungen als Autorin mit. Das ist schon was Besonderes, meist wird man mit einem Assistenzberuf höchstens mal in der Danksagung namentlich erwähnt.

Und dann kam ja irgendwann die Wende und das geteilte Berlin wurde wieder vereint. Bekamen Sie das auch beruflich zu spüren? Oh ja! Als die Mauer aufging gab es ja plötzlich alles doppelt. Die Humboldt-Universität und die Charité im Osten und die Freie Universität im Westen. Wussten Sie, dass die Freie Universität im Dezember 1948, also nach der Teilung Deutschlands, aber vor dem Mauerbau, von Wissenschaftlern gegründet wurde, die nicht im sowjetischen Sektor bleiben wollten? Sie fragten bei der amerikanischen Besatzungsmacht an und erhielten die Erlaubnis, eine neue Universität zu gründen. Die Genehmigung hatten sie, aber kein Gebäude.

Vieles war durch den Krieg zerstört. Also zogen sie in das ehemalige Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin Dahlem. Es wurde 1912 als Institut für Experimentelle Therapie gegründet. Einige namhafte Professoren kamen also aus dem Osten und gründeten dort das Pharmakologische Institut der Freien Universität. Leiter war der schon emeritierte Professor Heubner, der auch in der Fernsehserie über die Charité vorkam. Unter seinem Nachfolger Professor Herken wurde ich dann eingestellt. Und nach dem Mauerfall wurden die Institute nach und nach zusammengeführt. Die Charité war berühmt, aber marode. Es war in der DDR-Zeit kein Geld da für teure Geräte.

Trotzdem haben sie dort Großes geleistet mit dem wenigen, was sie hatten. Der Name Charité sollte erhalten werden, also wurden im Westen Abteilungen geschlossen, wenn einer der Professoren in Rente ging. Wir waren immer weniger Leute und irgendwann sagte mein Chef zu mir: „Geh doch zur Charité!“ Und so kam ich dann 2007 in die Forschungsabteilung der Kardiologie im Franklin Campus der Charité. Hier war alles ein bisschen anders und es gefiel mir nicht mehr so richtig. Die letzten acht Jahre meines Berufslebens engagierte ich mich im neu gegründeten Fakultätspersonalrat und wurde für diese Tätigkeit dann freigestellt. Die Belange der Mitarbeiter in Forschung und Lehre an einer Universität zu vertreten war eine weitere, sehr verantwortungsvolle Aufgabe in meinem beruflichen Leben.

Haben Sie es jemals bereut, PTA geworden zu sein? Während meiner Apothekenzeit war ich mir nicht so sicher, ob das die richtige Entscheidung war. Aber im Labor war ich glücklich. Wir haben so viele tolle Sachen gemacht. Wir haben zum Beispiel an der Gentechnologie geforscht. PCR, Vektoren, Spikeproteine – was man da heute im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hört, sind alles Themen, an denen wir damals schon gearbeitet haben. Eine tolle Entwicklung waren die Zellkulturen, eine Alternative zu Tierversuchen.

Wir haben zum Beispiel Rattenleberzellen aufgearbeitet. Auf der Oberfläche befinden sich Spikes, davon haben wir rasterelektronische Bilder aufgenommen. So konnten wir nachweisen, dass sie sich verändern, wenn sie mit Schadstoffen, also zum Beispiel Alkohol, in Kontakt kommen. Meine Arbeit war hochspannend und vielseitig. Vielleicht hätte ich auch über einen anderen Beruf einsteigen können, aber die PTA-Ausbildung war eine gute Grundlage, mit der ich doch ganz schön weit gekommen bin.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 09/2021 ab Seite 82.

Das Interview führte Sabine Breuer.

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