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Was ist eigentlich …

… EIN ÜBERBEIN?

Es ist kein Fußballer-Bein mit überragenden Fähigkeiten und auch kein merkwürdiger Begriff für den Oberschenkel. Bei einem Ganglion stülpt sich eine Gelenkkapsel oder Sehnenscheide aus.

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Schauen Sie mal, ich habe hier so einen Knubbel – ein Satz, den Sie von Ihren Kunden bestimmt schon öfter gehört haben. Bekommen Sie dann eine kugelige Erhebung am Handgelenk, Finger, Fußrücken oder in der Kniebeuge gezeigt, handelt es sich möglicherweise um ein Ganglion, auch Überbein genannt. Dabei füllt sich eine Sehnenscheide oder Gelenkkapsel mit gallertartiger Synovialflüssigkeit, bis es zu einer sichtbaren und spürbaren Erhebung kommt. Durch eine Verbindung in das Gelenk hinein, die an einen Stiel erinnert, dringt Flüssigkeit nach. Trotz der Bezeichnung „-bein“ handelt es sich also nicht um Knochen, anders als beispielsweise beim Nasen- oder Schienbein. Ein Ganglion fühlt sich prall-elastisch an, man kann es etwas eindrücken.

Diese Weichteilgeschwulst kann grundsätzlich jeder entwickeln, die meisten Betroffenen sind jedoch zwischen 20 und 30 Jahre alt und in drei von vier Fällen weiblich. Über die Ursachen ist sich die Wissenschaft noch nicht vollständig im Klaren. Vermutlich hat die Gelenkkapsel einen schwachen Anschnitt und durch zu viel Gelenkflüssigkeit wirkt Druck auf sie ein. Dann können sich die inneren Gelenkhäute durch diese Schwachstelle nach außen stülpen. Als Auslöser kommen Verletzungen und Überlastung in Frage – bei wiederkehrender, falscher Beanspruchung der betroffenen Stelle wie zum Beispiel beim Gitarrespielen, Handarbeiten oder im Beruf entstehen Überbeine häufig. Besonders an den Fingern treten Ganglien auch im Zusammenhang mit der chronischen Reizung durch Arthrose auf.

Je nach Größe und Lage bereiten Überbeine keine Probleme, sind leicht unangenehm oder sogar schmerzhaft und störend. Drücken sie auf Nervenbahnen, können Kribbeln und Taubheit folgen. Große Ganglien schränken möglicherweise die Bewegungsfreiheit ein. Um ein Ganglion zu diagnostizieren, reicht dem geschulten Arzt oft eine Blick- und Tastuntersuchung. Ultraschallbilder festigen den Befund, auch eine Punktion zur Untersuchung des Kapselinhalts ist möglich. Um es von anderen Erkrankungen wie Arthrose, Exostosen oder bösartigen Knochentumoren abzugrenzen, können auch andere bildgebende Verfahren wie Röntgen oder eine Magnetresonanz-Tomografie notwendig sein.

Den Hammer im Werkzeugkasten lassen Früher war es geläufig, Ganglien mit einem schweren Hammer zu zertrümmern. Sie können es sich vorstellen: Dabei nahm nicht nur die Gelenkkapsel großen Schaden, die Methode war auch äußerst schmerzhaft. Noch altertümlicher mutet das Zerschlagen mit der Bibel an – was man da wohl austreiben wollte? Regional ist der Begriff Bibelzyste für das Überbein noch immer geläufig. Heute setzt man zum Glück darauf, die Ursache zu beseitigen – eine bestimmte, auslösende Bewegung abzustellen, einen Reiz zu vermeiden.

Krankengymnastik verschafft je nach betroffener Region Erleichterung, indem die umliegende Muskulatur gestärkt und das Überbein dadurch entlastet wird. Auch leichte Massagen helfen dabei, die Flüssigkeit aus der Zyste zurück in das Gelenk zu drücken. Nur, wenn es sich dadurch nicht bessert und Beschwerden bereitet oder wenn es ästhetisch stört, entfernt man ein Überbein operativ – in vielen Fällen kehrt es jedoch zurück. Alternativ kann man ein Ganglion entleeren, indem man mit einer Spritze die Gelenkflüssigkeit aus seinem Inneren absaugt. Rezidive sind auch bei dieser Methode häufig.

Abhilfe durch Selbstmedikation Bereitet das Ganglion Ihrem Kunden Schmerzen, können Sie ihm ein abschwellendes und schmerzlinderndes Gel empfehlen: Ibuprofen oder Arnika sind hier geeignete Wirkstoffe. Auch Wärmeanwendungen mit Rotlicht, Cremes oder (wenn die betroffene Körperstelle dies zulässt) Pflaster tragen zur Linderung bei, da die Durchblutungssteigerung dem Gelenk zugutekommt. Bessern sich die Beschwerden dadurch jedoch nicht, verweisen Sie bitte an einen Arzt. Ich habe auch ein kleines Ganglion. Es ist vermutlich entstanden durch die immer gleiche Bewegung beim Entblistern von Tabletten in der Heimversorgung. Dank einer angepassten Handhaltung ist es wieder geschrumpft und stört mich nicht mehr. Ich habe es Kunibert Knubbel getauft – Kunibert und ich werden wohl miteinander alt.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 09/2020 ab Seite 30.

Gesa Van Hecke, PTA/Redaktionsvolontärin

Nicht verwechseln …

+ Als Ganglien bezeichnet man auch Zellkörper im peripheren Nervensystem. Beides hat nichts miteinander zu tun. „Ganglion“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Knoten“ – die Nervenhaufen erscheinen bei einer anatomischen Präparation als Verdickung.
+ Mit „Überbein“ kann auch eine spornartige oder höckerige Knochenwucherung (Exostose) gemeint sein, bei der sich Knochenzellen infolge von Druckbelastung oder als gutartige Tumoren übermäßig vermehren. Da der Wortbestandteil „-bein“ etwas Knöchernes meint, ist der Begriff Überbein für Exostosen genau genommen passender als für Ganglien.

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