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Wadenkrämpfe

NICHT IMMER NUR MAGNESIUMMANGEL

Die Beschwerden sind unangenehm und schmerzhaft. Häufig treten sie in der Nacht auf und rauben den Betroffenen den Schlaf. Wadenkrämpfe sind meistens harmlos, können aber verschiedene Ursachen haben.

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Fast jeder kennt das Gefühl beim Wadenkrampf. Der Muskel zieht sich plötzlich unvermittelt zusammen, wird hart und bleibt erstarrt. Normalerweise löst sich der Krampf von selber wieder. Als Gegenreaktion versuchen Betroffene das Bein auszuschütteln oder zu dehnen, um den Krampf wieder zu lösen.

Die Symptome entstehen unter starker Muskelbelastung oder bei Unterbelastung. Sie können beim Sport oder Bewegungen tagsüber auftreten, aber auch beim Einschlafen oder im Schlaf. Wadenkrämpfe nehmen mit steigendem Alter zu. Deshalb klagen häufig ältere Menschen über Beschwerden und holen sich Rat in der Apotheke. Aber auch Schwangere sind davon betroffen.

Ursache abklären Es werden drei Arten von Wadenkrämpfen unterschieden. Idiopathische Wadenkrämpfe, also ohne bekannte Ursache, die sporadisch unvermittelt auftreten, sind in der Regel kein Grund zur Sorge. Wadenkrämpfe können aber auch ein Symptom anderer schwerer Erkrankungen sein. Beispielsweise Durchblutungsstörungen in den Beinen oder Nervenschädigungen als Folge bei Diabetes mellitus können von Schmerzen in den Waden begleitet werden.

Im Zusammenhang mit Vorerkrankungen ist auch immer daran zu denken, dass bestimmte Medikamente, zum Beispiel Statine, Muskelschmerzen, die mit Wadenkrämpfen verwechselt werden können, hervorrufen. Beschwerden, die aufgrund eines Elektrolyt- oder Flüssigkeitsmangels entstehen, kommen häufig bei Sportlern vor. Durch starkes Schwitzen werden viele wichtige Mineralstoffe wie Natrium, Kalium und Magnesium ausgeschwemmt, obwohl sie für die Funktion der Nerventätigkeit im Zusammenspiel mit der Muskulatur dringend benötigt werden. Die Steuerung von An- und Entspannung der Muskeln kann ohne ausreichend Magnesium und Kalium nicht vollzogen werden.

AWMF-LEITLINIE
Die wichtigsten Empfehlungen bei Muskelkrämpfen:
+ Symptomatische Ursachen für Muskelkrämpfe sind auszuschließen.
+ Im akuten Fall den verkrampften Muskel dehnen oder die Antagonisten anspannen.
+ Bei nächtlichen Wadenkrämpfen regelmäßig Dehnübungen der Wadenmuskeln durchführen.
+ Magnesium ist möglicherweise wirksam.
+ Chinin ist wirksam, sollte wegen der schweren Nebenwirkungen aber erst in zweiter
   Linie und nur bei schwerer Ausprägung der Krämpfe eingesetzt werden.
+ Bei Muskelkrämpfen in der Schwangerschaft ist Magnesium wirksam.

Die aktualisierte AMWF-Leitlinie „Crampi/Muskelkrampf“ rät vor einer medikamentösen Therapie zu einer Anamnese, bei der vom Arzt festgestellt wird, ob es sich um symptomatische Krämpfe mit einer behandelbaren Grunderkrankung handelt. Die Basisdiagnostik umfasst die Abklärung der Familienanamnese, die Anamnese der Provokationssituation, die Medikamentenanamnese, den neurologischen Status, die Elektrolyte, Blutzuckerwerte, Schilddrüsenhormone und Kreatinkinase.

Der Muskelmineralstoff Da der menschliche Körper auf die externer Zufuhr von Magnesium angewiesen ist, ist es insbesondere unter Belastung und erhöhtem Verlust wichtig, ausreichend davon aufzunehmen. Magnesium kann kurmäßig bei uneingeschränkter Nierenfunktion zusätzlich ohne Risiko eingenommen werden. Übermäßiges Magnesium wird renal ausgeschieden.

Die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. empfohlene Tagesdosis beträgt 300 Milligramm. Aber auch höhere Dosierungen sind zur kurzfristigen Behandlung eines Mangels möglich. Organische Verbindungen, wie zum Beispiel Magnesiumcitrat, werden optimal vom Körper aufgenommen, besser als die anorganischen Verbindungen. Viele verschiedene Darreichungsformen stehen dem Kunden zur Verfügung, sodass im Beratungsgespräch individuell die passende von PTA oder Apotheker ausgewählt werden kann.

Chinin Die Substanz wurde seit der Erstzulassung 1978 viele Jahrzehnte zur symptomatischen Therapie von nächtlichen Wadenkrämpfen eingesetzt. Das apothekenpflichtige Arzneimittel wurde nun aber in einem Verfahren zur Neubewertung durch das BfArM zur Unterstellung unter die Verschreibungspflicht empfohlen. Aufgrund von schwerwiegenden Nebenwirkungsmeldungen wie Immunthrombzytopenien und Herzrhythmusstörungen als Folge einer QT-Zeit-Verlängerung darf Chininsulfat in den USA laut der amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA) nicht mehr zur Therapie von Wadenkrämpfen eingesetzt werden.

Die Wirksamkeit von Chinin in der Indikation „Prophylaxe und Behandlung nächtlicher Wadenkrämpfe“ gilt als belegt, allerdings ist der Effekt gegenüber Placebo laut einer Studie als moderat eingestuft worden. Chininpräparate sollten nach Ausschluss behandelbarer Ursachen nur bei sehr schmerzhaften oder häufigen Muskelkrämpfen, bei regelmäßiger Störung des Nachtschlafes durch die Muskelkrämpfe und bei Wirkungslosigkeit physiotherapeutischer Maßnahmen eingesetzt werden. Bei fehlender deutlicher Besserung (Frequenz oder Intensität der Krämpfe) innerhalb von vier Wochen ist die Behandlung zu beenden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/14 ab Seite 102.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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