© Eisenhans / fotolia.com

Viren & Bakterien – Teil 10

NICHT AUSZUROTTEN

Mit Bordetellen infizieren sich seit einigen Jahren hauptsächlich Erwachsene. Für junge Säuglinge kann die Infektion mit dem Keuchhusten auch heutzutage noch lebensbedrohlich sein.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Bordetella pertussis ist ein stäbchenförmiges Bakterium, das sich auf Epithelzellen, welche die Atemwege auskleiden, „spezialisiert“ hat. Die Bordetellen werden über Tröpfcheninfektion übertragen. Sie sind hoch kontagiös: Neun von zehn ungeschützten Menschen mit engem Kontakt zu einem Keuchhusten-Patienten erkranken.

Mehrere spezielle Adhärenzfaktoren oder Adhäsine des Keims wirken so zusammen, dass er sich am Epithel der Bronchien stabil anheften kann und nicht etwa durch die Flimmerhärchen oder Schleim abtransportiert wird. Während der Erreger selbst in der Mehrzahl der Fälle nicht in Gewebe eindringt, können von ihm produzierten Toxine in Zellen übertreten und auch in die Blutbahn gelangen; auf die Weise entstehen systemische, also nicht auf die oberen Atemwege beschränkte Effekte. Die Toxine können beispielsweise auf das Hustenzentrum im Gehirn wirken.

Eines der Produkte, die B. pertussis absondert, das tracheale Zytotoxin, lähmt die Zilienfunktion in den Atemwegen und zerstört die Epithelzellen. Wieder ein anderes Gift, das Adenylatzyklase-Toxin, hemmt die Phagozytose. Damit werden Abwehrmechanismen außer Kraft gesetzt.

Die Krankheit Nach einer Inkubationszeit von rund einer Woche leiden Infizierte in den ersten ein bis zwei Wochen unter mäßigen, grippeähnlichen Symptomen . Ausgerechnet in diesem Krankheitsstadium, in dem die Pertussis noch nicht erkannt wird, ist die Ansteckungsgefahr durch die Patienten am höchsten. Erst danach, im Stadium convulsivum, manifestieren sich die charakteristischen Symptome des Keuchhustens, die quälenden Anfälle mit kurzen harten Hustenstößen („Stakkato-Husten“), die mit dem namengebenden Keuchen verbunden sind: Die Attacken klingen meist mit einer lauten, pfeifenden, ziehenden Einatmung aus.

Bis zu 50 solcher Salven pro Tag müssen die Patienten in extremen Fällen am Tag erleiden, vorwiegend nachts. Das Ganze ist oft von Würgereiz und schleimigem Auswurf begleitet; Betroffene müssen auch erbrechen. Dieses zweite Stadium dauert vier bis sechs Wochen. Nur langsam gehen in den folgenden zwei bis drei Monaten Häufigkeit und Schwere der Anfälle zurück. Jugendliche und Erwachsene haben anstelle dieser typischen Ausprägung häufig nur wochenlang bestehenden trockenen Husten.

DER IMPFSTOFF
Nachdem im Zusammenhang mit dem ursprünglichen Ganzkeim-Impfstoff, der abgetötete Bakterien enthielt, ein Risiko für schwere neurologische Ereignisse bei Kindern gesehen wurde, verbreitete sich in den 1970er Jahren vermehrt Skepsis gegenüber der Keuchhustenimpfung, auch unter Kinderärzten. Anders als damals befürchtet, sollen die beobachteten Krampfanfälle und Bewusstseinsstörungen aber nicht mit bleibenden Schäden verbunden gewesen sein. Die neuen, seit den 1990er Jahren verfügbaren azellulären Impfstoffe, also solche, für die keine ganzen Bakterienzellen verwendet werden, enthalten Einzelkomponenten von Bordetella, etwa eine inaktivierte Form des Pertussis-Toxins sowie verschiedene Antigene des Bakteriums. Sie verursachen deutlich seltener lokale oder auch systemische Nebenwirkungen.

Zu Komplikationen kommt es hauptsächlich bei Säuglingen, Kleinkindern, aber auch bei älteren Personen: Pneumonien, die meist durch Suprainfektionen mit anderen Bakterien hervorgerufen werden, entwickeln sich in 10 bis 20 Prozent der Fälle. Auch eine Mittelohrentzündung setzt sich oftmals drauf. Bei Erwachsenen wurde außerdem von Krampf- und Ohnmachtsanfällen, Rippenbrüchen sowie Leistenhernien im Zusammenhang mit der Infektion berichtet. Seltener, aber besonders schwerwiegend sind Krampfanfälle und Enzephalopathien, die vor allem bei Säuglingen auftreten können. In den ersten sechs Lebensmonaten kann die Infektion zudem einen lebensbedrohlichen Atemstillstand herbeiführen.

Therapie und Prävention Antibiotika vermögen den Krankheitsverlauf nicht wesentlich zu verkürzen oder zu mildern: Auch nachdem die Erreger bekämpft sind, wirken die Toxine im Atemwegsepithel und im Hustenzentrum zunächst weiter. Dennoch ist es bis zu drei Wochen nach Einsetzen des Stadium convulsivum sinnvoll, eine Antibiotika- Therapie zu beginnen, um die Infektionskette zu unterbrechen. Wichtig, insbesondere zum Schutz der durch die Bordetellen besonders gefährdeten Säuglinge, ist die Impfung: Empfohlen werden die frühestmögliche Grundimmunisierung von Säuglingen und Kleinkindern und Auffrischimpfungen im Schul- und Jugendalter.

Bei Erwachsenen wird der Keuchhusten wegen des unspezifischen Verlaufs oftmals nicht erkannt; Betroffene stellen dann vor allem eine Gefahr für Säuglinge dar. Daher sollten alle Erwachsenen laut Empfehlungen der STIKO im Rahmen der nächsten fälligen Immunisierung gegen Tetanus und Diphtherie eine kombinierte Vakzine mit einem Pertussis-Impfstoff erhalten. Selbst in Populationen mit hoher Impfrate kann die Pertussis jedoch nicht ausgerottet werden, weil der Impfschutz nach etwa fünf Jahren kontinuierlich abnimmt und auch eine durchgemachte Infektion nur für etwa zehn Jahre eine Immunität hinterlässt.

Hier finden Sie die anderen Teile der Artikelreihe:
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5
Teil 6
Teil 7
Teil 8
Teil 9

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/15 ab Seite 144.

Waldtraud Paukstadt, Dipl. Biologin

×