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Tiere In Der Apotheke

DIE ANGST ZERSTÄUBEN

Es sind Botenstoffe zur Informationsübertragung. Bei Hunden sorgen sie für Beruhigung und helfen in Stresssituationen. In der Natur werden Pheromone von der Mutterhündin abgegeben, um die Welpen zu beruhigen.

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Die chemische Kommunikation über Gerüche und insbesondere über Pheromone spielt in der Tierwelt eine wesentliche Rolle. Pheromone werden über das Vomeronasale Organ (VNO) registriert, das einem Geruchsorgan meist unmittelbar benachbart ist. Ein solches Organ ist bei Insekten, Schlangen und vielen Säugetierarten nachgewiesen, nicht jedoch bei Fischen und Vögeln. Auch bei Menschen wurde ein rudimentäres Vomeronasalorgan auf beiden Seiten der Nasenscheidewand gefunden.

Wohlbefinden für Hunde durch Pheromone Es wird angenommen, dass die Signale des VNO den Hypothalamus erreichen. Der Hypothalamus beeinflusst Stimmung und Verhalten über hormonelle Veränderungen. Das erklärt die enorme Wirkung der Pheromone auf den emotionalen Zustand des Tieres. Therapeutisch genutzte Pheromone haben einen angstlösenden und emotional stabilisierenden Effekt: Hunde, die damit behandelt werden, reagieren entspannt und mit Wohlbefinden. Entsprechend werden Pheromone vor allem bei Verhaltens- und Angststörungen eingesetzt und um störendes Verhalten zu beseitigen oder zumindest zu reduzieren.

Wie entstehen Verhaltensstörungen? Bei Hunden, die durch allgemeine soziale Unsicherheit auffallen, sollte immer die Jugendentwicklung hinterfragt werden – sofern möglich. Vor allem die Sozialisation bis zur zwölften Lebenswoche ist entscheidend. Die zweite sensible Entwicklungsphase, die Pubertät, findet im Alter von fünf bis zwölf Monaten statt. Oft liegt eine unzureichende Sozialisation mit Menschen und Artgenossen vor, die durch eine isolierte Haltung nach der Trennung vom Wurf verursacht wurde. Für sozial lebende Tiere wie Hunde ist es jedoch alles andere als artgerecht, alleine zu sein. Folgen einer versäumten Prägung sind unter anderem die Neigung zu defensiver Aggression („Angstbeißer“) oder eine mangelhafte Bindungsfähigkeit an Familienmitglieder. Isolation im Welpenalter kann durch spätere ausgeprägte Beschäftigung nicht immer kompensiert werden.

Bei Hunden, die bereits von klein auf in Zwingern aufgehalten wurden, wie zum Beispiel Tierheimhunde, ist die Umweltprägung nur begrenzt. Diese mangelhafte Anpassung an die vielfältigen Umweltgegebenheiten äußert sich in sozialer Unsicherheit, Schreckhaftigkeit und scheuem Verhalten sowie in auffallend starken Reaktionen auf Reize, die als Stressoren angesehen werden. So sind zum Beispiel zwanghaftes Pfotenbelecken oder anhaltendes Bellen auf diese reduzierten Umweltreize zurückzuführen. Einseitig auf Menschen geprägte Hunde erkennen Artgenossen nicht als Sozialpartner, haben ständig Konflikte mit ihnen und/oder reagieren ihnen gegenüber aggressiv. Daneben gibt es auch rassetypisch unterschiedliche Fehlprägungen. So reagieren Golden Retriever insgesamt äußerst sensibel auf bereits minimale soziale Veränderungen und Negativerfahrungen.

Ist das Umfeld wenig einfühlsam, zeigt diese Rasse häufig scheues Verhalten. Labradore erweisen sich in Untersuchungen als etwas robuster: Hunde dieser Rasse, die nur wenig Zuwendung bekamen, waren nach wie vor gesellig und nicht aggressiv. Allerdings wirkten sie hektisch und angespannt. Weitere typische Anzeichen eines gestressten, verängstigten Hundes sind:

  • Defensive Verhaltensweisen wie Erstarren, geduckte Körperhaltung, Flucht, Verkriechen, Zittern.
  • Anklammern an der Bezugsperson („Kleben“).
  • „Hyperreaktivität“ in Form von Speicheln, Erbrechen und Durchfall.
  • Aufschrecken bei geringsten Reizen.
  • Stressbedingte verminderte Aktivität und Spielfreude.
  • Stressbedingte verminderte Futteraufnahme.
  • Zerstörerisches Verhalten.

Das erste nachgewiesene Pheromon stammte von 500 000 Seidenspinnerweibchen: das Bombykol (1959).

Angst hat viele Gesichter Trennungsängste können durch Besitzer- und Umgebungswechsel oder durch häufiges Alleinsein entstehen. Speziell bei trennungsbedingten Angststörungen treten Symptome wie anhaltendes Jaulen und Bellen – vermehrtes Vokalisieren – sowie Unsauberkeit auf Grund der emotionalen Belastung auf. Eine der häufigsten psychischen Störungen bei Hunden ist die generalisierte Angststörung. Um mit ihrer Angst leben zu können, binden sich die betroffenen Hunde übermäßig stark an eine Bezugsperson. Die zeitweilige Trennung von der Bezugsperson löst eine trennungsbedingte Angststörung aus. Diese übersteigerte soziale Abhängigkeit wird besonders häufig bei den „Toy-Rassen“ wie Zwergpudeln beobachtet. Diese Hunde zittern, jaulen und erbrechen, sobald sich ihr Besitzer entfernt, selbst wenn sie nur ganz kurzfristig alleine gelassen werden. Derart unsichere Hunde können sich so in die Situation hineinsteigern, dass sie mehrfach Harn oder flüssigen Kot absetzen; im schlimmsten Fall kommt es zu epileptiformen Anfällen.

Behandlung durch Beruhigen und Besänftigen Um Angststörungen zu behandeln, müssen mehrere Therapiemöglichkeiten in Erwägung gezogen werden. Die moderne Verhaltenstherapie ermöglicht zwar nicht immer eine vollständige Heilung, aber in vielen Fällen kann den betroffenen Hunden und Besitzern geholfen werden, indem die Symptomatik deutlich gelindert wird. Ziel der Behandlung ist die Wiederherstellung der psychischen Stabilität des Hundes. Außerdem sollen mit der Therapie weitere Schäden in Wohnung oder Auto verhindert werden.

So wirken Pheromone gegen Ängste Der Einsatz von Pheromonen kann neben einer Verhaltenstherapie dazu beitragen, Ängste im Zusammenhang mit Situationen, die als Gefahr oder starker Stress empfunden werden, wie laute Geräusche, Reisen, Aufenthalte in der Tierpension, das Treffen auf fremde Menschen oder andere Tiere, zu verringern. Dass Pheromone beruhigen, zeigt sich bereits kurz nach der Geburt. Beruhigungspheromone sind Geruchsbotenstoffe, die von der Hündin drei bis fünf Tage nach Geburt der Welpen am Gesäuge gebildet werden. Während seiner Entdeckungsreisen sucht der Welpe immer wieder Kontakt zur Mutter, deren Pheromone ihn emotional stabilisieren und beruhigen. Dieser beruhigende Effekt lässt sich auch bei ausgewachsenen Hunden beobachten. Einige Pheromone werden heute synthetisch hergestellt; für die Therapie gibt es diese in Form von Sprays oder als Halsband.

Sie helfen, angst- und stressbezogene Probleme zu verringern beziehungsweise zu vermeiden und besänftigen den Hund in Stresssituationen. Pheromone sind auch hilfreich bei der Eingewöhnung von Welpen in einer neuen Umgebung. Der Zerstäuber sollte in dem Raum angebracht werden, in dem sich der Hund hauptsächlich aufhält. Pheromone wirken in vielen Fällen überraschend gut und schnell, sind jedoch kein „Wundermittel“, mit dem eine völlige Symptomfreiheit erzielt wird. In der Regel verbessert sich das emotionale Befinden durch die Anwendung von Pheromonen deutlich, sodass auch eine Verhaltenstherapie leichter anschlägt. Daher wird die Behandlung mit Pheromonen oft erfolgreich mit anderen Behandlungsmaßnahmen kombiniert. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 07/17 ab Seite 116.

Dr. Astrid Heinl-Zapf, Tierärztin

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