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Rheumatische Erkrankungen

VASKULITIDEN

Wenn sich Blutgefäße entzünden, kann das unterschiedliche Folgen haben. Dazu gehören Schwellungen und schlimmstenfalls Gefäßverschlüsse sowie eine Durchlässigkeit der Gefäßwände und Aneurysmen.

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Entzündliche Erkrankungen der Gefäße werden als Vaskulitiden (Vas = Gefäß; -itis = Entzündung) bezeichnet. Sie können als Folge anderer Grunderkrankungen auftreten, etwa von Virusinfektionen, Tumorleiden oder anderen rheumatischen Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis. In der Regel ist aber keine Ursache erkennbar – dann handelt es sich um eine primäre oder idiopathische Vaskulitis. Diese gehören zu den rheumatischen Erkrankungen, werden durch nur ansatzweise verstandene autoimmune Prozesse ausgelöst und sind selten. Die meisten treten in der zweiten Lebenshälfte auf, manche Formen aber auch schon im Kindesalter. Eine Heilung ist bis heute nicht möglich, mit einer Behandlung aus Cortison und Immunsuppressiva lässt sich aber häufig eine Remission erreichen.

Zahlreiche Formen Vaskulitiden lassen sich in verschiedene Unterformen einteilen. Meist wird dafür die Größe der betroffenen Gefäße genutzt: So sind beispielsweise bei einer Granulomatose mit Polyangiitis (früher: Morbus Wegener oder Wegener Granulomatose), bei einer mikroskopischen Polyangiitis oder bei einer ANCA-assoziierten Vaskulitis besonders die kleinen Blutgefäße betroffen, bei der Riesenzell-Arteriitis und der Takayasu-Arteriitis dagegen die großen Blutgefäße. Da Blutgefäße im ganzen Körper vorkommen, können Entzündungen prinzipiell überall auftreten und Beschwerden verursachen.

Typisch für alle systemischen Vaskulitiden (in Abgrenzung zu reinen Haut-Vaskulitiden) sind Fieber, eine Verschlechterung des Allgemeinzustands, Müdigkeit, Gewichtsverlust und Nachtschweiß. Zudem treten Arthralgien und Myalgien auf und die Patienten zeigen Symptome einer Polyneuropathie. In der Regel ist die Funktion von mehreren Organsystemen gleichzeitig beeinträchtigt; gegebenenfalls tritt eine Lymphadenopathie auf. Schließlich können die Patienten vaskulitische Hauterscheinungen aufweisen, darunter kleinfleckige Kapillareinblutungen in der Haut, Unterhaut oder den Schleimhäuten (Purpura), Pyoderma gangränosum, subkutane Knoten sowie Nekrosen an den Finger- und Zehenspitzen. Bei den einzelnen Formen der Vaskulitiden können weitere Symptome hinzukommen.

Riesenzellarteriitis, Polymyalgia rheumatica, Arteriitis temporalis Diese Erkrankungen treten in der Regel bei Personen über 50 Jahren auf. Sie sind die häufigsten und damit wichtigsten Vaskulitisformen. Bei der Riesenzellarteriitis sind vorwiegend die Aorta und/oder ihre großen Äste betroffen, meist die Arteria carotis und Arteria vertebralis. Vielfach, aber nicht bei allen Patienten, kann auch die Arteria temporalis beteiligt sein. Die Riesenzellarteriitis ist zudem häufig mit einer Polymyalgia rheumatica assoziiert. Zu Beginn treten symmetrisch Muskelschmerzen besonders im Schulter- und Beckengürtel auf, die Muskeln sind druckschmerzempfindlich, aber nicht geschwächt. Dazu kommen Gelenkschmerzen mit einer ausgeprägten Morgensteifigkeit.

Bei einer Beteiligung der Arteria temporalis können zusätzlich heftige Schläfenkopfschmerzen sowie Kieferschmerzen beim Kauen auftreten. Das Gefäß kann sichtbar geschwollen und schmerzempfindlich sein. Sind Hirngefäße von der Entzündung betroffen, so drohen aufgrund von Gefäßverschlüssen Schlaganfälle; sind Gefäße betroffen, die die Augen versorgen, können die Patienten erblinden. Gerade bei der Riesenzellarteriitis ist daher eine schnelle Diagnose verbunden mit einem schnellen Therapiebeginn wichtig. Traditionell wird die Riesenzellarteriitis wie alle Vaskulitiden primär mit hochdosierten Steroiden behandelt.

Um die Steroiddosis in der Erhaltungstherapie zu senken, konnte bislang Methotrexat als Immunsuppressivum eingesetzt werden. Seit 2017 ist mit dem monoklonalen Antikörper Tocilizumab erstmals eine spezifische Behandlungsmöglichkeit für die Riesenzellarteriitis zugelassen. Das Biologikum richtet sich gegen das Zytokin IL-6, das maßgeblich an dem Entzündungsgeschehen beteiligt ist. Mit diesem Medikament kamen Patienten in der Zulassungsstudie in der Erhaltungstherapie teilweise über ein Jahr ganz ohne Steroide aus, bei anderen konnte die Dosis deutlich gesenkt werden.

Granulomatose mit Polyangiitis Bei der früher als Morbus Wegener oder Wegener Granulomatose bezeichneten Erkrankung sind dagegen die kleinsten Gefäße, die Kapillaren, von der Entzündung betroffen. Die Entzündungszellen wandern in die Gefäße ein und führen zu ihrer Verengung, Aussackung oder auch zum Verschluss. Typisch für diese Erkrankung sind sogenannte granulomatose Veränderungen im Gewebe außerhalb der Blutgefäße. Zu den ersten Symptomen zählen Entzündungen der Nasenschleimhaut, auch der Nasennebenhöhlen, mit blutig-borkigem Schnupfen, die zu einer Zerstörung der Nasenscheidewand führen können.

Chronische Mittelohrentzündungen können eine Hörminderung nach sich ziehen. Bei manchen Patienten kann auch die Lunge beteiligt sein (blutiger Husten). Im folgenden Generalisationsstadium kommt es bei der Mehrheit der Patienten neben den oben genannten für Vaskulitiden typischen Beschwerden außerdem zu einer Entzündung der Nierenkörperchen (Glomerulonephritis). Prinzipiell kann aber auch jedes andere Organ betroffen sein. Charakteristisch sind auch rote Augen durch die chronische Entzündung. Bei fast allen Patienten sind ANCA-Antikörper nachweisbar. Die Behandlung erfolgt mit Steroiden und Immunsuppressiva.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/18 auf Seite 94.

Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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