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Rezeptoren

WAS GEHT DA AB?

Wieso können Ohren nicht sehen, Füße nicht hören, Nasen aber riechen? Wieso kann man an der chemischen Formel einer Substanz oft schon ihre Wirkung erkennen? Und warum sind Nebenwirkungen manchmal bereits bekannt, bevor sie auftreten?

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Die Antworten darauf sind ganz häufig auf das Vorhandensein verschiedener Rezeptoren zurückzuführen. Rezeptoren sind Bindungsstellen für spezifische Botenstoffe. Die Ohren haben Rezeptoren für Schallwellen, die Augen können Lichtreize wahrnehmen und in der Nase gibt es die Riechzellen, die mit Riechrezeptoren ausgestattet sind. Auch unsere Haut besitzt Rezeptoren, zum Beispiel solche, die nur auf Druck reagieren oder die Temperaturveränderungen wahrnehmen. Sie alle dienen der Sinneswahrnehmung.

Unzählige Rezeptoren sind in unserem gesamten Organismus verteilt und übernehmen noch eine Vielzahl anderer, unterschiedlichster Aufgaben. Die Abläufe des Nervensystems sind ohne Rezeptoren nicht denkbar. Hormone benötigen sie ebenso, um wirksam zu werden. Die Kenntnis über Aussehen und Wirkungsweise der Rezeptoren und ihrer zugehörigen Agonisten beziehungsweise Antagonisten trägt viel zum Verständnis der physiologischen Abläufe im lebenden Organismus bei. In der Pharmakologie nutzt man eine ganze Reihe von Rezeptoren auch als Andockstellen für Arzneistoffe.

Rezeptoren Alle Agonisten haben eine Affinität zu ihren Rezeptoren, was bedeutet, dass eine Anziehung zwischen beiden besteht. Sie beruht auf zwischenmolekularen Anziehungskräften, wie Wasserstoffbrückenbindungen, Van-der-Waals-Kräften sowie auf Ionenbindungen. Agonisten binden ausschließlich an einer passgenauen Ankopplungsstelle ihres Rezeptors, die als aktives Zentrum bezeichnet wird.

Beide passen wie ein Schlüssel in das zugehörige Schloss (Schlüssel-Schloss-Prinzip). Deshalb kann man manchmal schon an der chemischen Struktur erkennen, an welchem Rezeptor die Substanz andocken wird. Es kommt dann zur Bildung eines Agonist-Rezeptor-Komplexes und zur Agonist-Rezeptor-Wechselwirkung. Als Folge wird ein Effekt ausgelöst. Rezeptoren haben neben dem aktiven Zentrum noch eine weitere Bindungsstelle am Molekül, das allosterische Zentrum.

Agonisten und Antagonisten Agonisten sind Wirkungsauslöser, sie werden auch als Botenstoffe bezeichnet. Zu den körpereigenen zählen unsere Neurotransmitter Adrenalin, Acetylcholin oder Serotonin und aus der Gruppe der Hormone die Schilddrüsen- oder Sexualhormone. Arzneistoffe, Gifte, Umweltgifte oder Suchtstoffe werden zu den körperfremden Botenstoffen gezählt. Direkte Sympathomimetika wie Xylometazolin und Oxymetazolin werden beispielsweise lokal in klassischen Schnupfensprays oder Augentropfen angewendet und sind Agonisten am α1-Rezeptor.

Fenoterol oder Salbutamol wirken systemisch am β2-Rezeptor und werden zur Erweiterung der Bronchien in der Therapie von Asthma und COPD eingesetzt. Antagonisten sind hingegen Gegenspieler oder Kontrahenten. Sie können das Auslösen eines Effektes abschwächen oder ganz blockieren. Es gibt auch hier jede Menge verschiedene, die sich in ihrem Angriff am Rezeptor unterscheiden.

Kompetitive Antagonisten Chemisch sehen sich Agonisten und kompetitive Antagonisten sehr ähnlich, sodass beide reversibel, also umkehrbar, am aktiven Zentrum des spezifischen Rezeptors binden können. Der kompetitive Antagonist hat eine Affinität zum Rezeptor, übt aber keine intrinsische Aktivität aus, das heißt der Effekt wird abgeschwächt oder bleibt komplett aus. Wenn sich also beide in der Nähe des Rezeptors befinden, konkurrieren sie um das aktive Zentrum. Es gewinnt entweder der mit der höheren Affinität oder jener mit der höheren Konzentration. Somit kann durch Erhöhung der Konzentration des Agonisten der Antagonismus aufgehoben werden. Kompetitive Antagonisten wie Urapidil, Terazosin oder Doxazosin als α1-Rezeptorenblocker oder Propranolol, Bisoprolol oder Metoprolol aus der Gruppe der β1-Rezeptorblocker finden bei Hypertonie ihren Einsatz. Auch die Blockade der Histamin-Rezeptoren durch H1- und H2-Antihistaminika funktioniert nach diesem Prinzip.

Nichtkompetitive Antagonisten Auch nichtkompetitive Antagonisten verhindern das Auslösen eines Effektes oder führen zu dessen Abschwächung. Sie binden am allosterischen Zentrum des Rezeptors und bewirken eine Veränderung im aktiven Zentrum, sodass der Agonist nicht mehr oder zumindest weniger gut gebunden werden kann. Der Schlüssel passt nicht mehr richtig ins Schloss. Man nennt das eine allosterische Hemmung. Die nichtkompetitive Hemmung kann reversibel oder irreversibel sein. Ein Beispiel für einen nichtkompetitiven Antagonisten ist das Injektionsnarkotikum Ketamin.

Physiologische und funktionelle Antagonisten Hier handelt es sich um einen Antagonismus zwischen zwei Agonisten mit entgegengesetzten Effekten im selben Zellsystem. Das bedeutet, dass beide Agonisten eigene Rezeptoren besitzen, wobei jeder Agonist Affinität zu seinem Rezeptor hat und an seinem Rezeptor eine intrinsische Aktivität bewirkt, aber die beiden Effekte entgegengesetzte (antagonistische) Wirkungen haben. Im menschlichen Organismus funktionieren der Sympathikus und Parasympathikus nach diesem Prinzip.

Chemische Antagonisten Chemische Antagonisten reagieren nicht mit dem Rezeptor, sondern mit den Agonisten. Sie verändern deren räumliche Struktur so, dass diese nicht mehr am aktiven Zentrum des Rezeptors ankoppeln können. Es kommt zur Inaktivierung oder Aufhebung der Wirkung, ohne dass der Antagonist mit dem Rezeptor reagiert. Als Beispiel hier ist die Inaktivierung des Heparins durch das Antidot Protamin zu nennen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/17 ab Seite 28.

Bärbel Meißner, Apothekerin

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