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Rezeptoren

GLÜCKSGEFÜHL UND WAS NOCH?

Was haben Schokolade, Tanzen oder Achterbahnfahren gemeinsam? Und warum kann sich ein Schwerverletzter noch aus der Gefahrenzone retten und bricht erst danach zusammen? Wir verraten es ihnen!

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Die Evolution hat es wirklich gut gemeint mit uns, denn alle diese oben erwähnten Vorgänge führen zur Freisetzung von Endorphinen, unseren Glückshormonen. Wir assoziieren mit diesen „endogenen Morphinen“ die Unterdrückung von Schmerzen, Panik oder Angst und wir bleiben durch sie in lebensbedrohlichen Situationen noch handlungsfähig. Aber auch sportliche Betätigungen wie beispielsweise Walken, Joggen, Radfahren oder Schwimmen wirken sich positiv auf die körpereigene Endorphinausschüttung aus, bei Marathonläufern spricht man hier von dem ’Runner’s High’ (Hochgefühl des Läufers).

So hält uns Sport nicht nur gesund, fit und leistungsfähig sondern macht uns auch glücklich. Oftmals werden allerdings aufgrund der Endorphinwirkung die körperlichen Grenzen weit überschritten oder aufgetretene Verletzungen nicht sofort bemerkt. Es ist ebenfalls der Evolution geschuldet, dass Endorphine stark appetitanregend wirken und Hungergefühle auslösen können. Einem Organismus muss nach solchen Belastungen schnellstmöglich wieder Energie in Form von Nahrung zugeführt werden. Der Steinzeitmensch ist dem Säbelzahntiger entkommen, die Flucht ist geglückt, seine Verletzungen spürt er erst jetzt und er hat plötzlich auch Hunger, denn nun ist schnelle Regeneration angesagt.

Schmerzentstehung Der Schmerz übt eine wichtige Warn- und Schutzfunktion für unseren Körper aus. Schmerzen sind eine sehr komplexe Sache, sie laufen streng nach komplizierten, neurophysiologischen Regeln ab. Ein Schmerz entsteht immer dann, wenn Reize unterschiedlichster Art (thermisch, mechanisch, chemisch oder elektrisch) zu einer Gewebsschädigung, einer sogenannten Noxe, führen. Ist diese Noxe stark, wird viel Arachidonsäure aus den geschädigten Zellmembranen freigesetzt. Die Arachidonsäure wiederum wird nun durch Einwirkung des Enzyms Cyclooxygenase (COX) in Schmerzmediatoren, hauptsächlich in Prostaglandine, umgewandelt.

Man spricht von der Arachidonsäure-Kaskade. Die Prostaglandine reizen und aktivieren lokale Schmerzrezeptoren, die Nozizeptoren. Die so ausgelösten Aktionspotentiale werden nun über afferente, sensible Nervenbahnen zum Rückenmark und zum Gehirn geleitet. Im Gehirn wird der Schmerz dann verarbeitet, bewertet und es folgt eine entsprechende Reaktion. Schmerzwahrnehmung und Schmerzbeurteilung werden sehr stark durch unsere Psyche beeinflusst. Das bedeutet, geht es uns gut, sind wir Schmerzen gegenüber toleranter als wenn wir in einer eher depressiven, niedergeschlagenen Stimmung sind.

Bildung und Ausschüttung In erster Linie findet die Synthese der endogenen Morphine im zentralen Nervensystem, in der Hypophyse, auch als Hirnanhangdrüse bezeichnet, und dem Hypothalamus, statt. Bildungsort in der Peripherie ist im Wesentlichen das Nebennierenmark. Ausgeschüttet werden die Endorphine in extremen Stresssituationen oder bei starken Schmerzen. Zeitgleich werden aber auch noch andere „Stresshormone“ wie Cortison, Noradrenalin oder Adrenalin freigesetzt. Chemisch handelt es sich bei den Endorphinen um Oligopeptide, die aus weniger als zehn Aminosäuren bestehen. Es existieren drei verschiedene Subtypen: α-Endorphine, β-Endorphine und γ-Endorphine, die aus der Vorstufe Proopiomelanocortin gebildet werden. Unter anderem ist es auch das Vorläuferprotein für Adrenocorticotropin (ACTH) und das Melanozyten-stimulierende Hormon (MSH).

Physiologie Endorphine sind Agonisten an Opioid-Rezeptoren. Auch hier existieren mehrere Rezeptor-Subtypen, die über den ganzen Körper verteilt sind, sodass neben den zentralen auch periphere Wirkungen auftreten. So ist der zentrale µ1-Rezeptor vorwiegend für die stark analgetische und euphorisierende Wirkung verantwortlich, wobei der periphere µ1-Rezeptor ausschließlich für eine analgetische Wirkung sorgt. Aufgrund des agonistischen Angriffes am zentralen µ2-Rezeptor kommt es zur verminderten Ansprechbarkeit des Atemzentrums auf den CO2-Anstieg im Blut. Der periphere µ2-Rezeptor ist für die spastische Obstipation verantwortlich. Die Substrate der δ-Rezeptoren sind die Enkephaline, sie sind chemisch den Endorphinen sehr ähnlich.

Der κ-Rezeptor ist wiederum mitverantwortlich für die Analgesie, allerdings auch für die Atemdepression und Sedation. Der Vollständigkeit halber sind noch der ε-Rezeptor, dessen Funktion noch weitgehend unbekannt ist und der Orphan-Rezeptor (ORL für opioid receptor like) zu erwähnen. Am wirksamsten bezogen auf die Schmerzunterdrückung ist das β-Endorphin, also unser stärkstes körpereigenes Morphin, das als Agonist eine hohe Affinität und intrinsische Aktivität, vor allem zu den μ1-Opioid-Rezeptoren, aufweist. Nach dessen Bindung am aktiven Zentrum des μ1-Rezeptors im Rückenmark, kommt es zur Aktivierung des endogenen, schmerzhemmenden Systems (ESS).

Zwei Synonyme hierfür sind das antinozizeptive System oder absteigendes, schmerzhemmendes System. Die von den Nozizeptoren aufsteigenden Aktionspotentiale werden im Rückenmark blockiert und deren Weiterleitung zu den schmerzverarbeitenden Zentren im Gehirn gemindert bis vollkommen unterdrückt. Zusammengefasst können Endorphine speziell unser Schmerzempfinden in Stresssituationen stark herabsetzen, unsere Stimmung positiv beeinflussen, damit Stress herabsetzen und auf uns beruhigend wirken – wie Schokolade.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/18 auf Seite 68.

Bärbel Meißner, Apothekerin

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