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Meditation

BEWUSST DAS UNBEWUSSTE SUCHEN

Stillsitzen. Nicht sprechen. Die Aufmerksamkeit nach innen richten. Zur Ruhe kommen. Und das zehn Minuten lang. Mehr braucht es nicht, um sich in einen meditativen Zustand zu versetzen.

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Das, was so einfach klingt, ist manchmal ganz schön schwer. Vor allem, weil wir es nicht gewohnt sind und es nicht gerade positiv besetzt ist: dazusitzen und nichts zu tun. Das klingt so nach Faulsein. In unserer Kultur haben Meditationstechniken keine rechte Tradition, nimmt man das kontemplative Gebet des Christentums aus. Lange Zeit haftete der Meditation der Nimbus orange gewandeter Mönche im Himalaya an, die ihre Tage damit verbrachten, in einem komplizierten Schneidersitz mit geschlossenen Augen einsilbige Laute zu summen. Bis Neurowissenschaftler auf die Idee kamen, diese Mönche einmal zu untersuchen.

Fördert die Gesundheit Denn: Man hatte bereits festgestellt, dass regelmäßiges Meditieren gegen Angststörungen und Depressionen hilft. Dass es den Blutdruck und sogar den Cholesterinspiegel senkt. Meditieren vor dem Schlafengehen erhöht die Qualität des Schlafes. Menschen, die meditieren, können sich besser konzentrieren, sind gelassener und haben ein gutes Konfliktmanagement. Doch woher kommt das? Dass Dirigenten in einer bestimmten Gehirnregion überdurchschnittliche viele elektrische Signale aufweisen , bei Taxifahrern dies wiederum im Abschnitt für räumliche Orientierung der Fall ist, ist lange bekannt.

Die oben beschriebenen Mönche hatten einen viel dickere Gehirnrinde als andere (fünf Prozent). Das heißt: Bei ihnen wuchs die Hirnrinde, während sie normalerweise im Alter abnimmt – und zwar je dauerhafter sie meditierten, umso mehr. Außerdem gab es ein wahres Neuronenfeuer in den Arealen für Aufmerksamkeit und Sinnesverarbeitungen. Kein Zweifel, Meditieren tut dem Gehirn gut.

Schlägt Wellen Messbar ist das im Elektroenzephalogramm (EEG). Alpha-, Beta- und Gammawellen lassen das Messgerät ausschlagen; erbringen wir kognitive Höchstleistungen, sind letztere, die Gammawellen, überproportional vertreten. So auch während der Meditation.

Ulrich Ott, Neurowissenschaftler und Mediationsforscher an der Uni Gießen befürchtete damals sogar, sein Gerät sei kaputt. Beim vor ihm sitzenden Schüler des Dalai Lama ging die Nadel 30-mal höher als beim normalen, nicht-meditativen Mitteleuropäer. Die große Erkenntnis aus allen Hirnforschungen ist beglückend: Jeder kann es lernen. Und es bringt immer etwas. Voraussetzung ist einzig die Disziplin, sich jeden Tag mindestens zehn Minuten hinzusetzen, an einen ruhigen Ort, an dem einen niemand stört.

Wie geht Meditieren? Es ist vielleicht ein relativ exotischer Rat, den eine PTA geben kann und der sich – ohne professionelle Anleitung – auch nicht für neurologisch oder psychiatrisch Erkrankte eignet. Aber für Menschen, die oft schlecht schlafen, deren Alltag von Stress geprägt ist, die kaum eine ruhige Minute haben und deshalb zu Schlafmitteln oder Beruhigungstabletten greifen möchten, ist der Rat, sich einmal mit dem Thema Meditation zu beschäftigen, vielleicht Gold wert. Dazu kann es nicht von Schaden sein, wenn derjenige, der berät, es einmal ausprobiert.

Geistige Reorganisation Zunächst einmal: Meditation hat mit Esoterik nichts zu tun. Es ist eine Achtsamkeitsübung, die hilft, aus unproduktiven Gedankenspiralen oder Handlungsmustern zu entkommen. Es ist sozusagen der Versuch, geistig einen Schritt zurückzutreten und die Dinge neu zu betrachten. Das Wort kommt übrigens vom lateinischen meditatio und heißt „nachdenken, nachsinnen“. Wer regemäßig meditiert, wird sich geistig frischer fühlen und ist nach einer Weile in der Lage, seine Gedanken besser zu fokussieren.

Konsequente Stille Voraussetzung ist das Üben. An einem ruhigen Ort in der Wohnung sollten Störungen wie das Telefon oder die Türklingel ausgeschlossen werden. Es ist gut, sich eine Zeit zu setzen, denn: Dem ungewohnten Stillsitzen sucht das Hirn wie ein quengelndes Kind zu entkommen. Ein kleiner Kurzzeitmesser, auf zehn Minuten eingestellt, wirkt da Wunder. Der Sitz sollte bequem sein. Man muss dafür kein Meditationskissen haben, ein Sessel geht auch. Oft nehmen Meditierende von ganz allein eine Art Schneidersitz ein und drehen die Unterarme nach außen, während die Handaußenseiten auf dem Oberschenkel liegen. Das ist einfach eine gute Haltung, um sich zu sammeln. Sie schließen zudem die Augen, denn das blendet die Außenwelt aus.

FÜNF VORTEILE DER MEDITATION
++ Steigerung der Konzentration
++ Verringerung von Spannung und Stress
++ Bekämpfung von selbstschädigenden Verhaltensweisen (z. B. Süchte)
++ Bessere Blutwerte
++ Mehr Freude am Leben

Atmung beobachten Die meisten Mediationsschulen raten Anfängern, auf ihren Atem zu achten. So zählt man beim Einatmen „Eins“, beim ausatmen „Zwei“, bis man bei zehn angelangt ist, ein paar Minuten lang. Es ist erstaunlich, wie oft man nicht bis zur zehn kommt! (Tipp: einfach wieder von vorn anfangen). Die ständigen Störfeuer des Gehirns nerven (Steht das Müsli auch auf dem Einkaufszettel? Ich muss unbedingt tanken!), doch die Schüler des Dalai Lama hatten dafür einen hübschen Rat: Man solle seine Gedanken wie einen ungezogenen jungen Hund immer wieder auf den Atem zurücksetzen.

Eins-ein-zwei-aus…. Für das weitere Vorgehen gibt es ganz verschiedene Wege: Weiterhin Atemzüge zählen ist der eine. Geometrische Formen visualisieren der andere. Mancher lässt innerlich Bilder hochsteigen, schaut ins Kerzenlicht oder hört sich eine Meditations-CD an. Jeder wird hier ganz schnell seinen eigenen Weg finden.

Auszeit für den Verstand Mit der Zeit, man glaubt es kaum, entwickelt sich eine Routine. Die beste Tageszeit fürs Meditieren ist übrigens der Morgen, wenn die „Festplatte“ des Gehirns noch nicht beschrieben ist und der Geist erfrischt vom Schlaf. Manche Menschen meditieren aber auch gern vor dem Zubettgehen oder wenn sich im Alltag Pausen ergeben.

VERSCHIEDENE MEDITATIONSFORMEN
Hauptsächlich unterscheidet man die Achtsamkeitsmeditation, bei der geübt wird, Gedanken vorurteilslos und wertfrei zu betrachten. Bewegungsmeditation kombiniert Bewegungen und Gedankenfluss; in der Konzentrationsmeditation fokussiert der Meditierende sich auf ein Objekt.

Es gibt auch Mini-Meditationen mit zehn Atemzügen pro voller Stunde und vieles mehr – für Interessierte gibt es Bücher in Hülle und Fülle. Gerade für Anfänger, die noch unsicher sind, lohnt es sich manchmal, einen Kurs zu besuchen wie beispielsweise „Stressbewältigung durch Achtsamkeit“. Die Gebühren werden teilweise von den Krankenkassen erstattet.

Üben, üben! Was bringt nun das ständige Meditieren? Denn dauerhaft sollte es sein, wenn es einen Effekt haben soll: Regelmäßig und diszipliniert, jeden Tag mindestens zehn Minuten. Mit der Zeit wird man feststellen, dass alles oben Beschriebene leichter wird: Die Aufmerksamkeit fokussiert sich in immer kürzerer Zeit, übrigens auch im Alltagsleben. Es wird völlig normal sein, zehn Minuten ganz still zu sitzen. Und irgendwann erlebt der Meditierende kurze, flüchtige Momente, in denen sein Geist wirklich zur Ruhe kommt, Momente, die besonders sind. Sie sind am ehesten mit tiefer Zufriedenheit zu beschreiben.

»Durch die ruhigen, regelmäßigen Atemzüge schlägt das Herz langsamer. Der Blutdruck sinkt, die schlechten Blutfette auch, das Immunsystem wird stabiler.«

Segensreiche Wirkungen Meditieren ist eine geistige Leistung, die körperliche Auswirkungen hat. Durch die ruhigen, regelmäßigen Atemzüge schlägt das Herz langsamer. Der Blutdruck sinkt, die schlechten Blutfette auch, das Immunsystem wird stabiler – warum das so ist, weiß die Wissenschaft immer noch nicht ganz genau, nur dass es so ist. Meditationen bewirken außerdem, dass Gedankenketten willentlich unterbrochen werden können.

Das ist wichtig bei chronischen Schmerzen oder Depressionen: Zwischen Reiz und Reaktion wird sozusagen eine Zwischenstufe geschaltet. Ein Ausprobieren dieser Technik, die aus dem fernen Osten zu uns gekommen ist, lohnt sich allemal, das weiß auch die Wissenschaft. Die Mönche des Dalai Lama, allesamt Meditationsprofis, sind deshalb ständig ausgebucht.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/15 ab Seite 78.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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