Haferflockenmüsli mit Früchten
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Kulinaria

MIT HAFER GEGEN KATER

Er ist ein Stiefkind unserer Küche. Wir denken unwillkürlich an Schleimsüppchen gegen Magenverstimmung – doch Hafer ist viel mehr. So viel mehr, dass die Uni Würzburg ihn zur Arzneipflanze des Jahres 2017 gekürt hat.

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Ach, der Hafer. Er bräuchte mal ein wenig Marketing. Einen Werbeprofi, der unter die Leute bringt, dass dieses Lieblingsgetreide der alten Germanen die Gerste und den Weizen in puncto Eisen- und Magnesiumgehalt locker in die Tasche steckt. Er enthält ein Drittel mehr Vitamin B1, dafür aber weniger Kohlenhydrate, nur ganz wenig Gluten, viel Eiweiß und viel gesundes Fett. Hafer ist ein Energieträger, davon wissen Pferdebesitzer ein Lied zu singen. Gibt man den Tieren zu viel von diesem Getreide, wissen sie nicht mehr wohin mit ihrer Energie, sie „sticht der Hafer“.

Porridge Shots Berlin, die experimentierfreudige Stadt, ist dem Rest der Republik mal wieder voraus. 2014 eröffnete dort ein kleines Lokal, das sich „Haferkater“ nennt. Obwohl die Betreiber nichts anderes zubereiten als Haferbrei, läuft es wie geschmiert. Denn einer der Gründer, Leandro, hat als Student einige Zeit in London gelebt und dort beinahe täglich Porridge gegessen. „Es ist ein Gericht, das auf Fragen der heutigen Gesellschaft antwortet. Allerdings nur, wenn es richtig zubereitet wird“, sagte Leandro einem Berliner Stadtmagazin. Und so gibt es im Haferkater „Porridge Shots“ mit Apfelmus, Walnüssen und Zimt („unser Klassiker“) oder solchen mit Gojibeeren, Maulbeeren und Cranberries, mit Mandeln und Nuss, mit Schokolade und Bananen, mit Datteln und Waldbeeren und Ahornsirup… der Laden läuft so erfolgreich, dass man einen zusätzlichen Imbiss im Berliner Hauptbahnhof eröffnete, vor dem stets lange Schlangen stehen. Die Jungs quetschen die Haferkörner frisch, rösten sie dann leicht an, mahlen sie und servieren das fertige Gericht mit leckerem, ebenfalls frisch geröstetem Kaffee. Unsere Vorfahren mussten einen Grund gehabt haben, warum sie das Getreide so sehr schätzten: Mensch und Tier vertrugen es gut, es war anspruchslos im Anbau und wuchs schnell. Was im Frühjahr geerntet wurde, konnte im Sommer gegessen werden. Pferde, Hunde, alte Leute, Krieger, sie alle wurden durch den Genuss von Haferbrei mit lang anhaltender Energie versorgt.

AVENA SATIVA …. der Saathafer oder Echte Hafer wurde vom Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ an der Universität Würzburg zur Arzneipflanze des Jahres 2017 gewählt. Gleich drei Heilmittel können aus dem Saathafer gewonnen werden: Haferstroh für Bäder gegen Hautverletzungen, Extrakte des Haferkrautes gegen Neurodermitis und das Haferkorn als cholesterinsenkendes Nahrungsmittel.

Flocken, Grütze, Kleie Hafer wird in verschiedenen Darreichungsformen angeboten. Das wohl verbreitetste Produkt ist die Flocke: Das Korn wird zunächst bei 80 Grad gedarrt, dann mit heißem Dampf behandelt und anschließend gewalzt. Das Darren ist wichtig, denn dabei werden die fettabbauenden Enzyme inaktiviert, die die Haferflocke ansonsten recht schnell ranzig werden ließen. Bei Frischflocken ist es deshalb wichtig, dass sie bald verzehrt werden. Flocke ist nicht Flocke: Die Vollkornkornhaferflocke wird aus ganzen, großen Körnern gemacht, die kleinblättrigen aus Hafergrütze, das ist grob gebrochenes Korn. Ein Trick zur noch besseren Verdaulichkeit besteht aus Hafermehl, das dann wiederum zu Instantflocken zusammengesetzt wird; eine Form, die sich in Flüssigkeit sofort auflöst. Eine Sonderstellung nimmt Haferkleie ein. Diese enthält nicht nur die Randschichten des Keimlings, sondern auch den Keimling selbst und einen kleinen Teil des inneren Korn. Die Kleie ist eine wahre Gesundheitsbombe (zum Beispiel durch ihre unlöslichen und löslichen Ballaststoffe), kann gut in Keksen verbacken werden und knuspert schön, wenn man draufbeißt.

Beta-Glucane Was Hafer medizinisch interessant und sehr wertvoll macht, ist sein Gehalt an Beta- Glucanen. Diese Polysaccharide – aus der Kategorie der löslichen Ballaststoffe – sitzen in der Aleuronschicht des Korns und regulieren den Cholesterinspiegel herunter – das hat die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) amtlich festgestellt und als so genannten „Health Claim“ zugelassen. Das hafereigene Beta-Glucan ist ein Tausendsassa. Es schraubt nicht nur das Cholesterin herunter, sondern senkt auch den Blutzuckerspiegel bei Typ- 2-Diabetikern. Eine Tatsache, die sich paradox anhört, denn Haferflocken enthalten ja viel Stärke. Doch Beta-Glucan erhöht die Viskosität des Nahrungsbreis, es verzögert dadurch die Resorption der Glucose und sorgt für lang anhaltende Sättigung. Neben der beruhigenden Wirkung auf Magen und Darm bindet es außerdem eine Menge Gallenflüssigkeit, die mitsamt dem LDL-Cholesterin ausgeschieden wird. Der Effekt: Der Blutzuckerspiegel zeigt nach dem Essen nicht so schnell und bleibt insgesamt niedriger. Ein aufmerksamer Diabetologe hat daraufhin die so genannten „Hafertage“ in seiner Klinik eingeführt – drei Tage lang gab es nichts als Porridge – und tatsächlich wurden die Werte bei seinen Patienten über längere Zeit besser. Diese alte, aber effektive Methode ist nun langsam wieder im Kommen. Diabetiker tun also gut daran, wenn sie den Hafer dem Weizen oder der Gerste vorziehen.

Die Rezepte Um das Imageproblem des Hafers aufzupolieren, gibt es nun drei wirklich leckere Rezepte. Ein schnelles gesundes Frühstück geht so: Zwei Esslöffel Haferflocken in 1 Tasse Milch. Etwas Salz. Entweder kurz in die Mikrowelle stellen oder kalt essen. Dazu Obst oder Nüsse oder Honig oder Ahornsirup.Eine zerdrückte Banane darüber schmeckt köstlich, aber auch ein Klecks Apfelmus.

Supergute kleine Energiekekse für den Tag können am Wochenende vorgebacken werden: Zwei Esslöffel Haferflocken, 25 Gramm Haferkleie, 50 Gramm Sesamsamen, 100 Gramm gehackte Mandeln in einer trockenen Pfanne anrösten, 100 Gramm Cranberries, 2 EL Vanillesirup, 200 Gramm Zucker (für Diabetiker: 100 Gramm Xylit und 100 Gramm Erythrit mischen), 100 Gramm Butter, 150 Gramm Creme frâiche oder griechischen Naturjoghurt, 120 Gramm Mehl (am besten Vollkorn) mit einem halben Tütchen Backpulver und einer Prise Salz mischen. Ganz am Schluss 10 Gramm Haferflexe (gepoppt) untermischen. In Papierförmchen verteilen und 15 bis 20 Minuten backen. Die kleinen Kekse halten sich lange und sind super für zwischendurch (statt Schokoriegel!).

Für leckere Pfannkuchen vier Eier, 100 Gramm Vollkorn-Mehl, 250 ml Milch mit vier Esslöffeln Haferflocken und eben dieser Menge Schmand verrühren. In Butterschmalz ausbacken, füllen mit dem, was man mag. Durch das Braten werden die Haferflocken schön nussig, schmeckt wirklich gut! Bleibt noch die Frage: Warum heißt der oben erwähnte Berliner Take away „Haferkater“? Weil das Porridge tatsächlich gegen den dicken Kopf am nächsten Morgen hilft. Wer’s nicht glaubt, kann es ja bei Gelegenheit ausprobieren…

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 04/17 ab Seite 130.

Alexandra Regner, PTA, Journalistin und Redaktion 

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