Kaiserschmarren © Lilechka75 / iStock / Thinkstock
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Kulinaria

JEDEM DAS SEINE

Kaiserin Sissi mochte die Mehlspeise auf ihrem Teller nicht essen, denn sie achtete sehr auf ihre Linie. Ihr Gatte konnte das nicht mit ansehen. „Na geb‘ er mir halt den Schmarren her“, sagte er zum Koch.

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Und wenn einem Kaiser etwas gut schmeckt, dann wird es halt zum „Kaiserschmarrn“. So soll es geschehen sein, im Österreich vor der Jahrhundertwende, und die Süßigkeit aus Eiern, Mehl, Butter und Zucker, die entfernt an einen zerstückelten Pfannkuchen erinnert, mauserte sich flugs zum österrreichischen Nationalgericht.

Wir sind die „Krauts“ Wobei die Zuordnung willkürlich ist. Denn wenn wir „Nationalgericht“ sagen, weisen wir der jeweiligen Nation ein Gericht zu, das wir als typisch erachten. So hält sich hartnäckig das Gerücht, dass wir Deutschen stets und ständig Bratwurst mit Sauerkraut verspeisen, in derartigen Mengen, dass die Engländer uns bereits seit langem „Krauts“ nennen. Der Kaiserschmarrn hat es vielleicht wegen seiner hübschen Legende in die Ranking-Liste ganz nach oben gebracht.

Denn Österreich- Ungarn war zu dieser Zeit ein Vielvölkerstaat mit zahlreichen nationalen Gerichten, man erinnere nur an die böhmischen Knödel, das Wiener Schnitzel oder den Tafelspitz. Wobei der Schmarrn eine einfache Speise der Senner in den Almhütten darstellte, das Wiener Schnitzel nie aus Schweinefleisch bestand, dafür vom Kalb stammte und der Tafelspitz (gekochtes Rindfleisch mit Kren) das Lieblingsessen von Kaiser Franz Joseph gewesen sein soll, das später seinen Weg zu den Untertanen fand.

Italien Dass die so genannten Nationalgerichte von den Einheimischen als nicht besonders landestypisch empfunden werden, beweist die Pizza. Italiener essen genauso wenig täglich Pizza wie wir Sauerkraut. Überhaupt war die Pizza einmal ein Essen der ganz armen Leute – ein Stück Fladenteig mit Olivenöl und Salz, das war’s. Eine erste Pizzeria gab es 1830 in Neapel, wo der Teig dann etwas reichhaltiger belegt wurde. Danach hörte man nicht mehr viel von ihr. Aber da die italienischen Einwanderer in den USA ihre Heimat so sehr vermissten, eröffnete ein findiger Koch 1905 das „Little Italy“ in Manhattan, wo seine frische neapolitanische Pizza reißenden Absatz unter den Italo-Amerikanern fand.

Es dauerte noch etwas, denn die Weltkriege unterbanden die Verbreitung der Speise, doch als – ebenfalls in Amerika – 1957 die Tiefkühlpizza erfunden wurde, ging das Geschäft richtig los. Gut zehn Jahre später wurde die Pizza nach Italien sozusagen re-importiert: ein klassisches Beispiel für die „Zuweisung“ eines Nationalgerichtes. Wobei es die „Pizza Napoletano“ mittlerweile zum geschützten Warenzeichen gebracht hat und die „Pizza Margerita“ mit ihren Farben rotweiß- grün mittels Tomate, Mozzarella und Basilikum die italienische Nationalflagge nachempfinden soll.

Nationalgerichte haben ihre Wurzeln im „einfachen Volk“. Sie wurden im Laufe der Zeit Bestandteil der nationalen Identität.


Amerika
Und was essen die Amerikaner am liebsten? Hamburger. Wenn das der britische Earl of Sandwich geahnt hätte, als er die zusammengeklappten Brotscheiben mit würzigem Zwischenbelag 1762 erfand, damit er sein Kartenspiel nicht unterbrechen musste – der simple Mitnehm-Snack, bei dem die Hände sauber blieben, verbreitete sich weltweit und wurde länderentsprechend verfeinert. Manche übertrieben es dabei mit der Zwischenladung: „Ein gutes Sandwich ist nur dann gut, wenn man sich dabei den Gaumen auskugeln muss“, wundert sich die deutsche Moderatorin Sabrina Fox in ihrem Buch „Mrs. Fox will heim“.

Die jahrelang mit einem Amerikaner verheiratete Münchnerin bekennt: „Wenn ich mir eins bestellte, bat ich stets um die Hälfte des Belags. Es hat Jahre gedauert, bis ich den Trick verstanden habe, einen Hamburger in den Mund zu bekommen.“ Diese Weiterentwicklung des Sandwiches, dessen Hauptmerkmal der gebratene Rinderhack- Pattie ist, hat wohl seinen Namen tatsächlich aus der deutschen Hansestadt.

Dort war das „Rundstück warm“ ein Frikadellenbrötchen, das wiederum, gleich der Pizza, von deutschen Auswanderern in die USA importiert wurde. Sehr schnell wurde aus dem Hamburger der Burger und als solcher trat er den Siegeszug weltweit an. Was man alles zwischen zwei weiche Brotscheiben stapeln kann, beweisen spezielle Restaurants, aus denen man selten ohne Flecken an der Kleidung herauskommt – irgendwo muss die Sauce ja hin.

Spanien Dass die Zubereitung einer Speise zur Kunst werden kann, beweist die spanische Paella. Das Reisgericht hat seinen Namen von der Pfanne, der sich vom lateinischen patella ableitet: Die Region Valencia übernahm den Begriff paellera von den Katalanen. Dies bezeichnete eine große Metallschale mit niedrigem Rand und zwei Griffen, in dem das Gericht über offenem Feuer geschmort wurde. Eine Paella wird immer frisch zubereitet; zunächst das Fleisch in reichlich Olivenöl angebraten. Die Original-Paella enthält vor allem Huhn, Kaninchen und manchmal Schnecken; wir kennen vor allem die paella mixta mit Meeresfrüchten und Fleisch – weshalb sie von Spaniern gern als paella de touristas bezeichnet wird.

Nachdem das Fleisch angebraten wurde, kommen Tomaten, spezielle Bohnen, Paprika und Bohnen hinzu. Etwas später dann der Reis – aber nicht irgendeiner! Spanier achten streng darauf, dass der arroz bomba aus der Gegend um Valencia stammt; er ist dem Rundkornreis ähnlich und klebt nach der Zubereitung nicht aneinander. Safran verleiht dem Gericht seine besondere orange-leuchtende Farbe. Eine genau bemessene Menge an Flüssigkeit wird über die Paella gegossen und es wird gewürzt – und nun, da sind sich alle Experten einig, darf nicht mehr gerührt werden. Es ist ein Kunststück, die Hitze der Garzeit anzupassen. Denn wenn der Reis durch ist, ist auch die Paella fertig und die Flüssigkeit muss vollständig aufgesogen sein. Die Paella ist eines der Nationalgerichte, das in Spanien nach wie vor besonders gern am Wochenende als Familiengericht im Freien zubereitet wird.

NATIONALGERICHTE ... so werden „Speisen bezeichnet, die als typischer Bestandteil einer Nationalküche gelten“ definiert es Wikipedia. Und die ist manchmal wirklich schräg. Hinter dem Surströmming aus Schweden verbirgt sich vergorener Fisch in einer Konservendose, deren Öffnung in allen Flugzeuglinien verboten ist, da ihr ein nicht zu überbietender Gestank entströmt. Der isländische Håkarl besteht aus Grönandhai, der lange Zeit im Erdreich vergraben, schließlich im eiskalten Wind getrocknet wurde. In Streifen geschnitten, wird die Speise mit viel Schnaps serviert. Nicht einmal alle Isländer sollen das mögen.

Japan Die Japaner gelten als besonders langlebiges Volk, und das liegt mit Sicherheit auch an ihrer Ernährung. Meeresfrüchte, Algen und die 80- Prozent-Regel tragen zur allgemeinen Gesundheit bei (Der Magen darf nach dem Essen nur zu vier Fünfteln gefüllt sein). Reichlich vorhanden sind das ganze Jahr über Fisch und Algen – weshalb es nicht verwundert, dass die Miso-Suppe ein japanisches Nationalgericht darstellt. Man isst beziehungsweise schlürft sie sogar zum Frühstück. Miso ist eine Sojabohnenpaste, die aufwendig hergestellt wird und mit Anteilen von Getreide vermischt sein kann.

Sie gilt als Mineralstoffbombe und ist sehr nährstoffhaltig. Für die Suppe wird ein Sud aus Algen (Wakame) und Fischbrühe (Dashi) hergestellt; als Einlage nimmt man gern Tofu-Stückchen oder Gemüsereste. Ganz am Schluss wird in die heiße Suppe etwas Miso gerührt. Mit ein paar in Scheibchen geschnittenen Frühlingszwiebeln schmeckt das Ganze für europäische Zungen zwar gewöhnungsbedürftig, aber durchaus lecker. Japaner geben zum Frühstück gern Reis in die Suppe. Mittlerweile kann man Miso-Suppe in Asia-Lebensmittelläden sogar als Fertiggranulat kaufen, doch natürlich schmeckt selbstgemachte besser.

Sie sättigt auf eine kaum zu beschreibende Weise – nicht zuviel, aber auch nicht zu wenig. Nur eins ist sie nicht: süß – was für ein europäisches Frühstück sehr ungewöhnlich ist. So ließe sich die Liste beliebig fortsetzen. Fast immer lässt sich das „landestypische“ Nationalgericht auf eine einfache Grundform herunterbrechen: Es stammt aus dem Volk. In der Schweiz kamen die Käsereste der Senner in den emaillierten Caquelon; das Suppenhuhn, Basisnahrungsmittel der französischen Bevölkerung, landete im „Coq au vin“; die Fleischreste in der deutschen Bratwurst, kombiniert mit haltbar gemachtem Kohl, dem Sauerkraut.

Ungarische Viehhirten erfanden das „gulyás“ im Kesseltopf über dem Feuer und nichts anderes bedeutet der Name: „Ein Mann, der das Vieh hütet“. Und der Borschtsch, jene Suppe aus roter Beete, ist einmal ein schlichter Eintopf aus Osteuropa gewesen. Seinen (slawischen) Namen hat er vom Bärenklau, dessen ungiftige Teile früher in der Brühe landeten.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/17 ab Seite 110.

Alexandra Regner, PTA, Journalistin und Redaktion

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