© cofotoisme / iStock / Thinkstock

Kooperationsgipfel

EINDEUTIGE TRENDS

Der jährliche Kooperationsgipfel fand wie gewohnt im ersten Quartal in München statt. Etliche Referate waren nicht nur für Apothekenleiter, sondern auch für PTA interessant – wie das Thema „digitale Apotheke“.

Seite 1/1 5 Minuten

Seite 1/1 5 Minuten

Gastgeber Dr. Stephan Hartmann, erster Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Apothekerkooperationen e.V. (BVDAK) prognostizierte gleich zum Auftakt der Veranstaltung, dass die Zukunft der Apotheken in erster Linie unter politischen und betriebswirtschaftlichen Aspekten entschieden wird. Eine betriebswirtschaftliche Entscheidung ist es auch, wie man seine Apotheke positioniert. Und genau zu diesem Thema hatte Joss Herde, geschäftsführender Gesellschafter der xeomed GmbH & Co. KG einiges beizutragen. So zeigte er auf einer Folie eine weitgehend bekannte Pyramide, welche die Grundbedürfnisse des Menschen abbildete. Bisher war deren unteres Ende durch die „Grundbedürfnisse des Lebens wie Luft, Wasser, Essen, Schutz ...“ gekennzeichnet. In ihrer neuen, modernen Form war die Pyramide um zwei weitere Grundbedürfnisse erweitert: „Akku“ und „WLAN“. Damit war symbolisch klar: Die Zukunft der Apotheken kann nur im Kontext der Digitalisierung gedacht werden.

Apotheken auch im digitalen Umfeld starkWas sich zunächst etwas abstrakt anhört, wurde von dem Referent schnell mit hoffnungsfrohen Thesen unterfüttert. So zitierte er Christoph Keese, einen Vordenker aus dem Silicon Valley, mit der These „der Kampf um den Erfolg in der Digitalwirtschaft ist der Kampf um Plattformen“. Kurz darauf stellte er die Verbindung zu den Apotheken her und verknüpfte die Eingangsthese mit einer weiteren: „Apotheken = lokale Gesundheitsplattformen“. Die nächste Formel verdeutlichte, was damit konkret gemeint war: „Nähe + digitale Nähe + (digitaler) Service = Gesundheitsplattform“. Addiert die Präsenzapotheke also ihre beiden Hauptvorteile ‚Beratungsstärke und Nähe’ mit der digitalen Präsenz, ist sie auf der Siegerstraße. Gleichzeitig legte Herde den Apothekern nahe, sich als spezialisierte Kompetenz-Apotheken zu inszenieren, wie dies beispielsweise die „Kompetenz- Apotheken in Düren“ tun, auf deren Homepage vier klar gegliederte Schwerpunkte dem Besucher zeigen, mit welchen Stärken die Apotheken punkten: Gesundheitsberatung und Vorbeugung, individuelles Medikationsmanagement, patientenindividuelle Verblisterung und naturheilkundliche Beratung.

Werden Sie digitale Experten Und dann folgte eine Empfehlung an Apothekenleiter, die auch PTA kennen sollten: „Machen Sie einen Mitarbeiter zum Digital-Champion!“ Genau hier liegen die Chancen für computeraffine PTA: Schlagen Sie sich selbst dem Chef als „Digital- Champion“ vor! Wenn die Apotheke zum „natürlichen Bestandteil der digitalen Wertschöpfung“ wird, ist ihre berufliche Zukunft mit einer derartigen Spezialisierung gesichert. Und in diese Zukunft können Sie dann besonders optimistisch blicken, denn im digitalen Umfeld „gibt es kein ‚fertig’ mehr“. Ein weiterer Vortrag, der für PTA von Relevanz ist, kam von Martin Spengler, einem Manager von L’OREAL. Er stellte das professionelle Freiwahl-Management in das Zentrum seiner Betrachtungen.

Wie sein Vorredner identifizierte auch er die Digitalisierung und die Stichworte Mobilität, Bewertungen im Netz und Konnektivität als gesellschaftlichen Megatrend Nummer eins. Daneben waren für ihn noch zwei weitere Trends von Bedeutung: Zum einen die sogenannte „Silver Society“. Damit ist gemeint, dass die Gesellschaft zwar immer älter wird, aber gleichzeitig Phänomene wie etwa das „Downaging“ existieren. 60 ist das neue 50 – wäre ein passendes Schlagwort zu der Beobachtung, dass ältere Menschen gefühlt einfach jünger sind als früher. Daraus resultiert – zum anderen – das „Ageless Consuming“, also ein altersunabhängiger Konsum. Und dass gerade die Älteren es gerne hören, wenn sie „Forever Youngsters“ sind, ist ohnehin klar. Der dritte Trend, nämlich der zur Gesundheit, ist natürlich gerade im Apothekenumfeld willkommen. Das Schlagwort Gesundheit wird insbesondere durch drei Aspekte gekennzeichnet: „Sportivity“, die Hinwendung zu „Natur/Detoxing (Entgiftung) und „kosmetische Therapie-Begleitung“.

Freiwahl ideal, um Trends zu bedienen Gerade die Freiwahl ist der Ort in der Apotheke, mit dem insbesondere der Megatrend Gesundheit bedient werden könnte. Nach Ansicht des Referenten muss man sich jedoch die Frage stellen, ob sie nicht das „Aschenputtel der Apotheke ist?!“ Obwohl das Publikum bei Kernkompetenzen der Apotheke nach Überzeugung des Referenten ein „gutes Gefühl“ hat und sich „gerne in professionelle Hände“ begibt, ist der Apothekenauftritt in der Freiwahl eher mäßig. An dieser Stelle seines Referats ließ Spengler einen Film einspielen, der eine relativ unschlüssig wirkende Kundin zeigte, wie sie scheinbar planlos in den Freiwahl- Regalen herumsuchte, während Mitarbeiterinnen, die offensichtlich nichts zu tun hatten, sich hinter dem HV-Tisch langweilten.

Fazit: „Der Kunde fühlt sich sehr häufig aufgrund der mangelnden kundenorientierten Gestaltung verloren.“ Die Empfehlung von Spengler für einen besseren Freiwahl- Auftritt fasste er in einem 7- Stufen-Managementprozess zusammen, bei dem auch die Mitarbeit von PTA gefragt ist:
1. Analyse des kommunikativen Auftritts offline wie online, Identifizierung der Marketing-
    Schwächen.
2. Herausarbeitung von Alleinstellungsmerkmalen.
3. Erfassung regionaler Besonderheiten, Bestimmung des Einzugsgebietes.
4. Festlegung relevanter Zielgruppen.
5. Festlegung der Freiwahl- Kategorien, Bestimmung der zu führenden Marken und Produkte.
6. Systematische Planung der Kundenansprache, Entwicklung einer Marketingstruktur.
7. Operationalisierung der Marketingmaßnahmen und Erfolgskontrolle.

Abschließend legte der Referent Apothekern und ihren Mitarbeitern nahe, folgende Kernfragen zu stellen: Wofür steht die Apotheke in der Region? Sind die Anforderungen des Standortes bekannt? Ist die Freiwahl auf einen bestimmten strategischen Fokus ausgerichtet?

Dem Wertewandel auf der SpurEin weiterer, hoch interessanter Vortrag beleuchtete den gesellschaftlichen Wandel nicht nur von der technischen Seite, sondern auch im Rahmen sich wandelnder Werte und Vorstellungen im Hinblick auf unterschiedliche Generationen. Referentin und Buchautorin Dr. Steffi Burkhart rechnet sich selbst der Generation Y zu, also den Millenials, die zwischen 1980 und 1999 geboren wurden. Sämtliche Folien waren demzufolge mit dem Zusatz „Durch die Gen. Y Brille“ gekennzeichnet. Durch diese Brille gesehen, sind dem Oberbegriff des gesunden Lebens folgende Stichworte zugeordnet: Jeder bastelt sich seine individuelle Ideologie.

Der präventive Ansatz wird immer beliebter und wird begleitet vom Trend zur Selbstoptimierung, Selbstdiagnose und folglich zur Selbstmedikation. Gleichzeitig erhöht sich unsere Konnektivität. Wir sind multiconnected, integrieren schon in naher Zukunft das Internet der Dinge in unser Leben, bevorzugen die Sharing-Economy (also die Wirtschaft des Teilens etwa von Autos) und sind in die Connected Health (vernetzte Gesundheit) eingebunden. Generell ist ein Female Shift, also eine Wegentwicklung der männerdominierten Weltsicht, zu beobachten. Ein neues Rollenverständnis ist vorherrschend. Frauen haben eine bessere Bildung als früher und streben nach Führungsverantwortung.

Verändertes Konsumverhalten Auch das Konsumentenverhalten der Generation Y hat sich verändert: Es gibt digitale Kaufentscheidungen und die damit verbundenen Forderungen nach Einkaufsmöglichkeiten rund um die Uhr. Selbstverständlich beeinflusst die digitale Kommunikation die Kaufentscheidungen. Und: Auch in Zeiten des Datenschutzes ist auf Konsumentenseite die freiwillige Datenfreigabe eher die Regel als die Ausnahme. Ganz allgemein gesprochen leben wir nach Auffassung von Dr. Steffi Burkhart in einer „VUKA-Realität“: Volatilität (volatil – flüchtig, beweglich, veränderlich), Unsicherheit, Komplexität, Ambivalenz (ambivalent – zwiespältig, doppeldeutig).

Das klingt negativer, als es Vertreter der Generation Y vermutlich interpretieren würden. Schaut man sich an, welche Reaktionen die Referentin unter dem Oberbegriff „Führung“ in Bezug auf den Begriff des Risikos gegenüberstellt, bleibt Grund zum Optimismus. So begreifen Manager des alten Schlages Risiken „als gefährlich“, die deshalb „gemieden werden“ müssen. Für den neuen Führungstyp des Leaders jedoch gelten Risiken „als vielversprechend und werden gesucht“.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/17 ab Seite 114.

Claus Ritzi, Pharmajournalist (wdv)

×