Mann in Eisloch © levranii / stock.adobe.com
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Kältetherapie

EISIG, ABER EFFEKTIV

Heilen mit Kälte – die Idee ist schon Jahrtausende alt. Neu sind allerdings die eisigen Methoden, mit denen es Schmerzen, Entzündungen und Hautveränderungen heute an den Kragen geht.

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Schon die alten Ägypter sollen Kälteanwendungen genutzt haben, um Schmerzen zu lindern, und der griechische Arzt Hippokrates empfahl bereits rund 400 Jahre vor Christus, Kälte zu Heilzwecken anzuwenden. Auch in der modernen Medizin wird die Kältetherapie geschätzt, vor allem aufgrund ihrer analgetischen und entzündungshemmenden Effekte. Mediziner bezeichnen die Behandlung mit Frostigem als Kryotherapie – das griechische Wort „kryo“ bedeutet übersetzt schlichtweg „kalt“. Manche Autoren unterscheiden zwischen der eher moderaten Kältetherapie im Temperaturbereich oberhalb des Gefrierpunktes und der wahrlich eisigen Kryotherapie im Temperaturbereich von unter null bis –180 Grad Celsius (°C).

In der Praxis werden die Begriffe Kälte- und Kryotherapie jedoch sehr häufig synonym verwendet. Die Kälte- beziehungsweise Kryotherapie gehört zu den etablierten Verfahren der physikalischen Medizin und, ebenso wie die Behandlung mit Wärme, zu den Thermotherapien. Die Behandlungsmethode kann lokal angewendet werden – etwa mit Eisbeuteln, Kältesprays oder Kältekompressen – aber auch als Ganzkörpertherapie mit Kälteexposition des gesamten Organismus. Die Ganzkörpertherapie findet oft in speziellen Kältekammern statt, in denen unvorstellbar eisige Temperaturen von etwa -110 °C herrschen. Zur Kältebehandlung gehört zudem die Kryochirurgie. Dahinter verbirgt sich die gezielte Vereisung von Hautveränderungen – von harmlosen Warzen bis hin zu bösartigen Hauttumoren.

Lokale Schmerzlinderung Den meisten Menschen bekannt ist die lokale Kältetherapie mit Eiswasserbeuteln, Kältekompressen und Co., die auch für die Behandlung in Eigenregie geeignet ist – etwa als Erste-Hilfe-Maßnahme nach einer Sportverletzung oder zur Linderung von Gelenkschmerzen. Die Behandlung ist einfach, aber effektiv: Durch die Kälte wird dem zu behandelnden Gewebe Wärme entzogen, die Blutgefäße verengen sich, der Zellstoffwechsel wird herabgesetzt, Entzündungsprozesse können eingedämmt, Gewebeschwellungen reduziert und Schmerzen gelindert werden. Auch auf den Muskeltonus hat die Kälte Einfluss: Eine kurzzeitige Einwirkung erhöht die Muskelspannung, ein länger andauernder Kältereiz hat eine Muskeltonus-Senkung zur Folge.

Zudem setzt die eisige Therapie die Leitgeschwindigkeit der Nerven herab und hemmt die Nozizeptoren, also jene freien Nervenendigungen, die für die Wahrnehmung von Schmerz zuständig sind. Erfolgreich zum Einsatz kommt die lokale Kältetherapie unter anderem bei stumpfen Traumen wie Prellungen und Zerrungen. Auch nach Operationen, bei Gelenkentzündungen aufgrund rheumatischer Erkrankungen, bei Hämatomen, lokalen Verbrennungen und Insektenstichen können mit lokal wirkender Kälte gute therapeutische Effekte erzielt werden. Bei Nasenbluten hat es sich bewährt, den Nacken zu kühlen.

Praktisch für die Anwendung in Eigenregie sind Kältekompressen, die es in unterschiedlichen Ausführungen gibt: Für den Gebrauch in den eigenen vier Wänden haben sich wiederverwendbare Kalt-Warm-Kompressen, die auch im Gefrierschrank flexibel bleiben, bewährt. Für unterwegs geeignet sind Instant-Kältekompressen für den einmaligen Gebrauch. Sie müssen vor der Anwendung nicht im Gefrierschrank gekühlt werden. Bei der Anwendung von Kältekompressen gilt es, direkten Hautkontakt zu vermeiden, um keine Gewebeschädigung zu riskieren. Bewährt hat es sich beispielsweise, ein Geschirrtuch als Barriere zwischen Kühlpack und Haut zu legen. Zu berücksichtigen ist grundsätzlich, dass die lokale Kältetherapie nicht für jedermann geeignet ist. Zu den Kontraindikationen gehören unter anderem Kälteurtikaria (physikalische Form der Nesselsucht), Durchblutungsstörungen und akute Blasenentzündung.

Geplanter Untergang Von lokalen Kälteanwendungen mit Eis oder Kompressen unterscheidet sich die Kryochirurgie, die in der Dermatologie zur Anwendung kommt. Dabei vereist der Mediziner gut- oder bösartige Hautveränderungen mit dem Ziel, das erkrankte Gewebe abzutöten und zu zerstören. In der Praxis wird die Kryochirurgie häufig mit flüssigem Stickstoff durchgeführt, dessen Siedepunkt bei –195,8 °C liegt. Die Kälte kann entweder direkt in einem offenen Sprayverfahren oder indirekt in einem geschlossenen Kontaktverfahren appliziert werden. Beim offenen Sprayverfahren wird der flüssige Stickstoff direkt auf die Hautläsion aufgesprüht, wobei die gesunde umliegende Haut sorgfältig isoliert werden muss.

Bei dieser Methode kann ein schnelles und tiefenwirksames Ergebnis erreicht werden. Beim Kontaktverfahren wird eine mit flüssigem Stickstoff durchströmte Sonde auf das zu behandelnde Gewebe aufgesetzt. Die Einsatzgebiete der Kryochirurgie sind vielfältig. Zur Anwendung kommt sie bei benignen und malignen Hautveränderungen, unter anderem bei Basalzellkarzinomen und aktinischen Keratosen, die als Krebsvorstufen gelten, bei hypertrophen Narben und Keloiden, bei Warzen und Alterswarzen. Die Behandlung kann meist ambulant durchgeführt werden.

Eiskalt gegen Rheuma Eine weitere Möglichkeit, die Gesundheit mit frostigen Temperaturen positiv zu beeinflussen, ist die Kältekammer-Therapie, die auf den gesamtem Organismus wirkt. Das Prinzip: Der Körper wird für maximal drei Minuten extremer Kälte unterhalb von –100 °C ausgesetzt, wodurch positive Effekte auf das Immunsystem, die Schmerzwahrnehmung und auf Entzündungsprozesse erzielt werden können. In Vorkammern, in denen vergleichsweise „angenehme“ Temperaturen von etwa –10 bis –60 °C herrschen, wird der Anwender auf die extreme Kälte vorbereitet. Mit Badekleidung, Atem-, Ohrenschutz, Handschuhen & Co. begibt man sich dann in die eisige Kammer, in der die Luft mit Hilfe von flüssigem Stickstoff auf etwa –110 Grad Celsius, mitunter sogar noch etwas kälter, heruntergekühlt wird. Während die Hauttemperatur auf etwa +5 °C sinkt, bleibt die Temperatur im Körperinneren konstant.

Zum Einsatz kommt diese Form der Kryotherapie insbesondere bei rheumatischen Erkrankungen, aber auch bei Menschen mit Hauterkrankungen wie Neurodermitis und Psoriasis. Auch Migränepatienten können von der extremen Kälte profitieren. Bei bestimmten psychischen Erkrankungen wie Depressionen sollen Aufenthalte in der Kältekammer ebenfalls hilfreich sein. Mittlerweile hat die Kältekammer-Therapie auch in andere Bereiche Einzug gehalten. Bei Leistungssportlern soll sie Muskelbeschwerden verhindern und die Leitungsbereitschaft steigern, zudem soll sie beim Abnehmen und gegen Cellulite helfen.

Kein Wunder ist es vor diesem Hintergrund, dass Kältekabinen heute auch in Wellnesseinrichtungen und Sportstätten zu finden sind. Von selbst versteht sich, dass bestimmte Erkrankungen – wie zum Beispiel ein kürzlich durchgemachter Herzinfarkt, eine periphere arterielle Durchblutungsstörung höheren Grades, das Raynaud-Syndrom oder durch Kälte ausgelöste Hautreaktionen – den Aufenthalt in der Kältekammer ausschließen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/18 auf Seite 74.

Andrea Neuen, Freie Journalistin

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