Stechapfel © Martina Berg / fotolia.com
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Giftpflanzen

HEXENKRAUT

Der Name trügt, denn essen sollte man die dekorativen Fruchtstände des Stechapfels lieber nicht. Glücklicherweise halten die Stacheln an den Früchten die meisten von ihrem Verzehr ab.

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Der Gemeine Stechapfel (Datura stramonium L.) aus der Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae) stammt ursprünglich aus Mittelamerika und ist in den gemäßigten Klimazonen auf Schuttund Brachland, an Wegrändern und als Ackerunkraut auf Feldern zu finden.

Typische Nachtfalterblume Die einjährige Pflanze erreicht an günstigen Standorten eine Höhe von weit über einem Meter. An ihren kahlen aufrechten und gabelartig verzweigten Stängeln wachsen etwa handgroße, buchtig gezähnte, eiförmige Blätter. Besonders auffällig sind ihre bis zu acht Zentimeter langen, weißen trichterförmigen Blüten. Sie erscheinen zwischen den Achseln der Stängel zwischen Juni und Oktober und öffnen sich nur abends, wenn die Nachtfalter umherschwirren. Ebenso dekorativ sind ihre bis zu fünf Zentimeter großen, stacheligen Fruchtstände, die der Pflanze ihren Namen gegeben haben. In ihnen wachsen hunderte von winzigen Samen.

Giftiges Nachtschattengewächs Der Stechapfel ist in allen Pflanzenteilen stark giftig. Bereits der Gattungsname verweist auf seine Toxizität. Datura bezieht sich wahrscheinlich auf Dhattura, einem Gift aus Datura metel, einer indischen Stechapfelart. Der Artname stramonium soll sich von den griechischen Worten strychon manikon ableiten, was mit „rasend machendes Gift“ übersetzt wird.

Bereits um 300 v. Chr. beschrieb der griechische Philosoph und Naturforscher Theophrast den Vergiftungsverlauf: Bereits der Verzehr geringer Mengen lasse einen fühlen, man habe den Teufel im Leib; Halluzinationen, vorrübergehende Verrücktheit, Verstandsverlust und schließlich der Tod folgten bei Dosissteigerung. Damit wollte er auf die gefährliche Potenz des Nachtschattengewächses hinweisen und warnte gleichzeitig vor dem Genuss der Pflanze. Heute lässt noch das gängige Synonym Teufelsapfel auf die stark giftige Wirkung der Pflanze deuten.

Rausch- und Giftdroge Im Mittelalter schätzte man hingegen ihre halluzinogenen Eigenschaften und setzte sie als magisch-rituelle Rauschdroge ein. Der Stechapfel wurde – wie auch die anderen toxischen Nachtschattengewächse Bilsenkraut (Hyoscyamus niger L.) und Tollkirsche (Atropa belladonna L.) – in dubiosen Hexensalben verarbeitet. Mit der Rauschdroge waren die Menschen derart euphorisiert, dass sie glaubten, magische Kräfte verliehen bekommen zu haben.

In Liebestränken sollte der Stechapfel die sexuelle Hemmschwelle herabsetzen. Noch immer wird die Pflanze als Rauschmittel missbraucht. Menschen begeben sich mit ihr in eine Scheinwelt, in der sie Traum und Realität verwechseln. Unrühmliche Bekanntheit hat der Stechapfel zudem als Bestandteil von K.O.-Tropfen sowie als Gift bei (Selbst-)Morden erhalten.

Stark giftige Tropanalkaloide Die halluzinogenen und toxischen Wirkungen sind auf eine Vergiftung mit Hyoscyamin (beziehungsweise seinem Racemat Atropin) und Scopolamin zurückzuführen. Diese stark giftigen Tropanalkaloide finden sich im Stechapfel in allen Pflanzenteilen, wobei der Gehalt in der Wurzel und in den Samen am höchsten ist. Bereits 15 bis 20 Samen gelten für Kinder als tödliche Dosis.

Während bei den anderen beiden stark toxischen Nachtschattengewächsen Tollkirsche und Bilsenkraut das zentral erregende Hyoscyamin beziehungsweise Atropin überwiegt, dominiert beim Stechapfel (insbesondere bei jungen Pflanzen) Scopolamin mit seiner zentral dämpfenden und halluzinogenen Wirkung.

Atropin-Vergiftung Charakteristisch für eine Vergiftung mit Stechapfel ist, dass die zentralerregenden Wirkungen des Atropins zugunsten der zentrallähmenden Scopolamin- Wirkung zurückgedrängt werden. Die Vergiftungserscheinungen sind prinzipiell die gleichen wie bei einer Atropin-Vergiftung, allerdings können Pulsbeschleunigung und Rötung des Gesichts fehlen. Zu Beginn zeigen sich stark erweiterte Pupillen (Glanzaugen) und es kommt zu einer Trockenheit der Schleimhäute im Mund- und Rachenbereich.

Mit steigenden Dosen setzt Rede- und Bewegungsdrang ein. Heiterkeit, zwanghaftes Lachen und Verwirrtheitszustände treten hinzu. Die Halluzinationen halten bisweilen tagelang an, können sich zu Tobsuchtsanfällen steigern, denen Bewusstlosigkeit und ein narkoseähnlicher Schlaf folgt. Der Tod tritt durch Atemlähmung ein. Unabsichtliche Intoxikationen passieren sehr selten, da die Pflanze durch ihren unangenehmen Geruch und ihre stacheligen Früchte nicht zum Verzehr einlädt.

Dennoch kommt es hin und wieder zu Vergiftungen bei Kindern. Sie verspeisen die im unreifen Zustand noch süßlich schmeckenden Samen, die zu dem Zeitpunkt noch leicht zugänglich sind, da die Stacheln der Frucht erst nach der Reife der Samen hart und pieksig werden.

Medizinischer Einsatz obsolet Früher wurden die Blätter des Stechapfels als Räuchermittel bei Asthma verwendet, was der Pflanze den volkstümlichen Namen Asthmakraut eingebracht hat. Das im Rauch in fein verteilter Form freigesetzte Atropin konnte aufgrund seiner muskelentspannenden und krampflösenden Wirkung den Anfall lindern.

Heute ist die „Asthmazigarette“ obsolet, da eine exakte Dosierung nicht möglich ist und inzwischen potentere und mit weniger Nebenwirkungen behaftete synthetische Asthmamittel auf dem Markt sind. Das gleiche gilt für den früheren Einsatz der Stechapfel- Tinktur als Parkinson Mittel.


Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/17 auf Seite 64.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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