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Eierskandal

GIFT IM KÜHLSCHRANK

Anfang August warnten Verbraucherschützer und Behörden vor Eiern, die Rückstände des Insektengifts Fipronil enthielten. Belastete Chargen waren in den Supermärkten verschiedener Bundesländer aufgetaucht.

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Fipronil ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Phenylpyrazole und für Zecken, Flöhe, Läuse, Milben & Co tödlich. In den 1980er Jahren wurde das Gift von französischen Chemikern entwickelt und auf Feldern gegen Insektenbefall versprüht. Es wirkt, indem die Substanz in das zentrale Nervensystem der wirbellosen Tiere gelangt, dort die Gamma-Aminobuttersäure (GABA) und somit den Einstrom von Chloridionen durch GABA-regulierte Chloridkanäle hemmt – in Folge kommt es zu einer tödlichen Übererregung des Parasiten.

Der Wirkstoff wird als Pflanzenschutzmittel oder in der Veterinärmedizin zum Schutz gegen Flöhe und Zecken (bei Hunden) verwendet. Nach Einschätzungen der EU trägt das Biozid auch zum Honigbienensterben bei. 2013 hat die Europäische Union daher beschlossen, die Anwendung des Mittels in der Landwirtschaft zu reduzieren. Fipronil darf beispielsweise nicht mehr zur Saatgutbehandlung von Mais eingesetzt werden, um die Bienenvölker zu schützen.

Raus aus dem Verkauf Leere Regale in den Supermärkten, zumindest dort, wo sich sonst die Eier befinden: Im Juni, Juli und August wurde in Eiern und Hühnerfleisch aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden Fipronil gefunden, wenngleich dessen Einsatz bei Tieren, die der Lebensmittelerzeugung dienen, verboten ist. Bereits seit Anfang Juni sollen belgische Behörden über einen Verdachts-Fall informiert gewesen sein. Ausgangspunkt der Verunreinigung war vermutlich das Desinfektionsmittel Dega-16, mit dem Blutläuse bei Geflügel vernichtet werden.

Dieses wurde mit Fipronil gepanscht, obwohl die Zusammensetzung eigentlich nur auf ätherischen Ölen wie Eukalyptus oder Menthol basieren sollte. Ein flämisches Unternehmen wurde als Verursacher verdächtigt, über eine niederländische Firma soll das Mittel weiter verbreitet worden sein. Einige Discounter nahmen holländische Eier aus dem Verkauf, andere verhängten sogar einen Verkaufsstopp für niederländische Eier. Es wird vermutet, dass Fipronil durch Kochen und Braten nicht vernichtet wird, sodass für verarbeitete und unverarbeitete Eier gleiche Fipronilgehalte gelten. (Stand 5. August 2017)

Niederländische Behörden kontrollieren derzeit Produkte wie Kuchen oder Pasta. Die EU-Kommission gab jedoch Anfang August bereits an, dass die Situation unter Kontrolle sei, da die Höfe identifiziert und verseuchte Eier vom Markt genommen wurden. Dennoch haben Züchter mit hohen Einkommenseinbußen durch die Affäre zu rechnen: Von den jährlich zehn Milliarden in den Niederlanden hergestellten Eiern sind 60 bis 70 Prozent für den Export bestimmt.

Was bedeutet der Code auf dem Ei? Seit 2004 werden in der Europäischen Union hergestellte Eier mit einer Schlüsselnummer versehen. Die meisten Verbraucher interessieren sich für die erste Zahl, denn diese gibt über die Haltung der Legehennen Auskunft. Dabei steht die Ziffer 3 für Eier, die aus der Käfighaltung stammen, Eier mit einer 2 kommen aus der Bodenhaltung, Nummer 1 weist auf Freilandhaltung hin und die Zahl 0 kennzeichnet ökologisch erzeugte Eier.

Die folgenden zwei Buchstaben geben das Herkunftsland bekannt (DE = Deutschland, NL = Niederlande), daran schließt eine mehrstellige Betriebs- und Stallnummer an. Deren ersten beiden Ziffern informieren den Verbraucher darüber, in welchem Bundesland das Erzeugnis produziert wurde (zum Beispiel hat Niedersachsen die Nummer 03). Jetzt durften Eier mit dem Code 2-NL-4015502 laut Angaben der niederländischen Behörden nicht mehr verzehrt werden. Aber auch vor dem Konsum von Eiern mit zahlreichen weiteren Codes wurde gewarnt.

Was bewirkt das Gift beim Verbraucher? Wer Eier mit dem gemessenen Fipronil-Wert verzehrt hat, dürfte dennoch nichts bemerkt haben, da der Gehalt recht niedrig und somit für Erwachsene ungefährlich war. Jedoch ergab sich auf der Basis europäischer Verzehrdaten aus Analyseergebnissen in Belgien ein potenzielles Gesundheitsrisiko für Kinder, bei denen der Konsum verseuchter Eier zu einer Überschreitung der sogenannten akuten Referenzdosis (ARfD) um das 1,6-Fache geführt hätte. Diese wurde aus Entwicklungsneurotoxizitätsstudien bei Ratten abgeleitet, wobei ein Sicherheitsfaktor von 100 verwendet wurde.

Die ARfD ist als die Substanzmenge pro Kilogramm Körpergewicht definiert, die über die Nahrung innerhalb eines Tages ohne erkennbares gesundheitliches Risiko für den Verbraucher aufgenommen werden kann. Eine Überschreitung der ARfD bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass die Gesundheit gefährdet ist, sondern weist lediglich nach dem derzeitigen Wissensstand darauf hin, dass eine Gefährdung nach dem Verzehr möglich ist. Daher gilt: Wird das Gift in Lebensmitteln gefunden, müssen diese entsorgt werden – wie es mit den Eiern geschehen ist. Verbraucher sollten belastete Eier entweder in den Handel zurück bringen oder mit dem Restmüll vernichten.

Ei, Ei, Ei Generell kann Fipronil bei Menschen Augen und Haut reizen sowie Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen auslösen. Nach aktuellen Erkenntnissen (Stand 4. August 2017) könnte ein Kind, das in etwa 16 Kilogramm wiegt, knapp zwei Eier täglich verkosten, ohne den Grenzwert zu überschreiten, Erwachsene mit 65 Kilogramm Körpergewicht sogar bis zu sieben Eier. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stuft Fipronil derzeit nicht als kanzerogen oder erbgutschädigend ein.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 09/17 auf Seite 90.

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